Teilerfolg in Magdeburg

geschrieben von Felix Pithan

5. September 2013

Naziaufmarsch konnte aus der Innenstadt verdrängt werden

März-April 2013

Felix Pithan ist aktiv bei der Linksjugend [’solid] und jugendpolitischer Sprecher im Vorstand der Partei Die Linke

Auch in diesem Jahr konnten am 23. Januar 900 Nazis in Magdeburg aufmarschieren und den Jahrestag der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg nutzen, Geschichte zu verdrehen, die deutsche Kriegsschuld zu verdrängen und Opfermythen zu pflegen. Das zentrale Ziel der antifaschistischen Mobilisierung, diesen jährlichen Naziaufmarsch zu verhindern, wurde nicht erreicht.

Diese Feststellung sollte allerdings nicht den Blick auf wichtige Teilerfolge verstellen, die das Bündnis Magdeburg Nazifrei zu verzeichnen hat: Durch eine überregionale Mobilisierung machten sich etwa 3.000 Antifaschistinnen auf den Weg nach Magdeburg, um sich den Nazis mit Massenblockaden in den Weg zu stellen. Den Nazis in dieser Form offensiv und massenhaft den öffentlichen Raum streitig zu machen, war für Magdeburg ein neuer Schritt. Die Legitimität (und Notwendigkeit) von Massenblockaden mag in der antifaschistischen Bewegung unumstritten sein – sie in der Öffentlichkeit zu vertreten und in der Debatte durchzusetzen bleibt dagegen eine Aufgabe, die sich lokal immer wieder von neuem stellt. In dieser Hinsicht stellt die Existenz des Bündnisses »Magdeburg Nazifrei« einen wichtigen Schritt dar – doch klassische zivilgesellschaftliche Strukturen wie Kirchen und die größten Teile der Gewerkschaften haben sich nach wie vor auf die »Meile der Demokratie« in der Innenstadt fokussiert und müssen für das Projekt, einen Naziaufmarsch durch Blockaden zu verhindern, erst noch gewonnen werden.

Auf der Straße war der Teilerfolg der diesjährigen Mobilisierung, die Nazis völlig aus der Innenstadt zu verdrängen. Die letzte bekannte Aufmarschroute hätte in den Stadtteilen östlich der Elbe verlaufen sollen, in denen sich aber am Morgen des 23.Januar frühzeitig Blockaden bildeten. Gegen Mittag wurde klar, dass die Polizei den Naziaufmarsch nicht östlich der Elbe durchsetzen würde, sondern an den südlichen Stadtrand verlegt hatte. An diesem Punkt reichten Vorbereitung und Strukturen der Blockaden nicht mehr aus, auf die neue Situation zu reagieren und gemeinsam zur neuen Naziroute zu gelangen, wie auch das Bündnis Magdeburg Nazifrei in seiner Auswertung selbstkritisch feststellt.

Gleichzeitig sollte klar sein, dass 3.000 Menschen zwar genug sind, festgelegte Blockadepunkte zu erreichen und zu halten, sie aber nicht in der Lage sind, einen Aufmarsch an jedem erst kurzfristig bekannt werdenden Ort am Stadtrand zu verhindern. Für eine vollständige Verhinderung des Naziaufmarsches hat also auf aktionistischer Ebene zweierlei gefehlt: Zum einen eine noch größere Zahl an Blockierenden, zum anderen größere Beiträge überregionaler Gruppen und Strukturen in der Vorbereitung, um handlungsfähige Strukturen während der Aktion aufrecht erhalten zu können.

Die Polizei hatte in diesem Jahr 2.000 Beamte aus zehn Bundesländern im Einsatz und stoppte Gegendemonstranten und Demonstrantinnen auf dem Weg Richtung Naziaufmarsch schon in der Innenstadt, mehrere Kilometer vom eigentlichen Aufmarschort entfernt. Bei mehreren brutalen Angriffen der Polizei wurden Antifaschisten durch Schlagstöcke und Pfefferspray verletzt, auch der Zugang zu einer in der Nähe der Aufmarschroute angemeldeten Gegenkundgebung wurde weiträumig verhindert. Die Polizei ermöglichte den Nazis eine Zwischenkundgebung vor einem linken Wohnprojekt und drohte den Bewohnerinnen zugleich unter offener Zurschaustellung von schwerem Räumgerät mit einem Eindringen in das Haus. Das brutale Vorgehen der Einsatzkräfte, die auch auf der betont bürgerlichen Meile der Demokratie Demonstranten herausgriffen und festnahmen, sorgte auch bei den zivilgesellschaftlichen Kräften für Empörung, die den Blockaden gegenüber bisher eher skeptisch waren.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass die Polizeiführung sich offenkundig nicht in der Lage sah, die zuvor geplante und für die Nazis wesentlich attraktivere Aufmarschroute östlich der Elbe durchzusetzen. Das liegt sicher auch daran, dass die lokalen Initiativen mehrere Anlaufpunkte für Gegendemonstrantinnen auch östlich der Elbe juristisch durchsetzen konnten und so eine weiträumige Absperrung des Stadtteils vereitelten. Welche Anstrengungen der Staat unternimmt, um Naziaufmärsche durchzusetzen, ist letztlich aber auch eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse – insofern zeugt diese Beobachtung von einem kleinen Geländegewinn antifaschistischer Politik.

Der Naziaufmarsch selbst verlor nicht nur durch die kurzfristige Verlegung an den Stadtrand an Attraktivität, sondern zog mit etwa 900 Teilnehmern auch wesentlich weniger Rechte an, als in den Vorjahren. Die in den letzten Jahren steigende Tendenz der Teilnehmerzahlen auf 1300 im Jahr 2012 ist damit zunächst unterbrochen. Das dürfte nicht zuletzt auf die antifaschistische Mobilisierung zurückzuführen sein – die Nazis hatten zunächst an zwei Samstagen Kundgebungen angemeldet und erst spät deutlich werden lassen, auf welchen Tag sich ihre zentrale Mobilisierung richtete.

Für die Hoffnung der Nazis, in Magdeburg einen Ersatz für den früheren Großaufmarsch in Dresden aufzubauen, sieht es schlecht aus – damit der Slogan Magdeburg Nazifrei! Wirklichkeit wird, bleibt aber noch einiges zu tun.