Vergangenes und Heutiges

geschrieben von Markus Bernhardt

5. September 2013

Neue Bücher für den antifaschistischen Alltag

Jan.-Feb. 2010

»Autonome Nationalisten«: Die Modernisierung neofaschistischer Jugendkultur (broschiert) von Jürgen Peters (Herausgeber), Christoph Schulze (Herausgeber), 63 Seiten, Unrast-Verlag, 7,80 EUR

Florian Osuch: »Blüten« aus dem KZ. Die Falschgeldaktion »Operation Bernhard« im Konzentrationslager Sachsenhausen. 144 Seiten, VSA-Verlag, 12,80 EUR

Gleich zwei Bücher sind in den vergangenen Wochen erschienen, die einen guten Überblick über Themen geben, die für den antifaschistischen Alltag von Interesse sind und die einen hohen Informationswert haben. Mit »Autonome Nationalisten – Die Modernisierung neofaschistischer Jugendkultur« haben Jürgen Peters und Christoph Schulze ein kompaktes Buch zu den militanten Neonazis herausgegeben. Etablierte Kenner der neofaschistischen Szene wie Jan Raabe oder Johannes Lohmann geben darin einen differenzierten und höchst informativen Einblick in das Innenleben der »Autonomen Nationalisten«. Die Widersprüche innerhalb der Kameradschaftsszene und ihre Entwicklung in den letzten Jahren werden ebenso dargestellt wie die Kritik der neofaschistischen NPD, die entgegen dem Bild vom rechten »autonomen« Straßenkämpfer mehrheitlich auf »Bürgernähe« setzt und dem »Militanzgehabe« eine Absage erteilt.

»Autonome Nationalisten« sind wandelnde Widersprüche. Es sind extreme Rechte, die das Jetzt bekämpfen wollen und es gleichzeitig freudig leben, die in ihrem Tatendrang Phrasen dreschen, aber wenig Theorie entwickeln und die auf die Linke fixiert sind«, bilanzieren die beiden Herausgeber bezüglich der modern anmutenden Ewiggestrigen. Peters und Schulze weisen jedoch gleichermaßen auf die Gefährlichkeit der »Autonomen Nationalisten« hin. So hätten diese es geschafft, Bewegung in den jugendkulturell geprägten Teil des Neonazismus zu bringen. »Die ›Autonomen Nationalisten‹ verkörpern mit ihren popkulturellen Attitüden ein niedrigschwelliges Angebot, dessen Attraktivität im Eventcharakter und in der Radikalität seines faschistischen Gemeinschaftsangebotes liegt«, so die Herausgeber, denen es gelungen ist, einen höchst informativen Überblick über Entstehungsgeschichte, Ideologie, politische Praxis, Habitus und Selbstverständnis der »Autonomen Nationalisten« zu geben.

Mit »›Blüten‹ aus dem KZ – Die Falschgeldaktion ›Operation Bernhard‹ im Konzentrationslager Sachsenhausen« hat Florian Osuch, Diplom-Ingenieur für Drucktechnik, ein Buch vorgelegt, dessen Inhalt bereits im Film »Die Fälscher« dargestellt wurde. Die Faschisten zwangen zwischen 1942 und 1944 bis zu 142 jüdische Facharbeiter des grafischen Gewerbes, im Konzentrationslager Sachsenhausen britische Banknoten zu fälschen. Die Produktion der »Blüten« im Wert von insgesamt 134 Millionen Pfund Sterling wurde nach dem Chef der Fälscherwerkstatt, SS-Sturmbannführer Bernhard Krüger, »Operation Bernhard« genannt.

Florian Osuch ist es im Rahmen seiner Recherchen gelungen, Gespräche mit zwei ehemaligen Häftlingen des KZ Sachsenhausen zu führen, die in der Fälscherwerkstatt gearbeitet haben. In seinem Buch geht er erstmals auf die historisch-politische Dimension der Fälscherwerkstatt ein und beschreibt den Widerstand der Drucker und Graveure unter den Bedingungen der KZ-Haft. So versuchten die Mitarbeiter der Falschgeldwerkstatt, die zum Teil bereits zuvor im antifaschistischen Widerstand aktiv gewesen waren, die »Operation Bernhard« zu sabotieren, was bei Enttarnung zur sofortigen Exekution geführt hätte.

Im ausführlichen Anhang des Buches sind neben einem detaillierten Literaturverzeichnis auch persönliche Erklärungen von Opfern und Tätern sowie ein Interview dokumentiert, das Osuch mit dem KZ-Häftling Adolf Burger, dessen Geschichte 2006 im Spielfilm »Die Fälscher« aufbereitet wurde, für die Tageszeitung junge Welt geführt hat.

Wie im Westen der Bundesrepublik üblich, fand eine juristische Aufarbeitung der »Operation Bernhard« nicht statt, konstatiert Osuch. Nach bisherigem Erkenntnisstand habe sich nicht ein einziger der Naziverbecher, die die Falschgeldproduktion und die Ermordung daran beteiligter kranker Häftlinge betrieben, vor Gericht verantworten müssen.

» ›Blüten‹ aus dem KZ« ermöglicht den Lesern einen interessanten Einblick in einen speziellen Bereich des antifaschistischen Widerstandes. Osuch verzichtet auf überflüssige Kommentare und stellt die Geschichte der an der »Operation Bernhard« gezwungenermaßen beteiligten Häftlinge mittels einer Fülle an Informationen dar, die auch den historischen Kontext erhellen. Das Buch bezeugt einmal mehr, dass es Menschen gab, die bereit waren Widerstand gegen die nazistische Barbarei auch unter den widrigsten Bedingungen und unter Einsatz Ihres eigenen Lebens zu leisten. Damit, dass er ihre Geschichte festgehalten hat, zollt Florian Osuch ihnen den unabdingbaren Respekt, der ihnen weiter gebührt.