Vergesst Treblinka nicht!

geschrieben von Karl Forster

5. September 2013

Einer der schrecklichsten Orte des faschistischen Terrors muss erhalten
werden.

Jan.-Feb. 2007

AUFRUF

Treblinka!

Hilfe gegen das Vergessen

In Treblinka wurden beinahe eine Million Menschen ermordet. Heute droht das Konzept der Nazis, alle Spuren zu beseitigen, durch das Vergessen dieses Ortes und den langsamen Verfall der Gedenkstätte aufzugehen.

Auschwitz und Majdanek sind staatliche Museen. Alle anderen Gedenkstätten in Polen – und es gibt deren viele – sind den Regionalmuseen zugeordnet. Doch das zuständige Regionalmuseum kann die notwendigen Aufwendungen für den Erhalt der Gedenkstätte Treblinka nicht alleine leisten.

Doch Treblinka ist – wie Auschwitz und Majdanek und die anderen Vernichtungslager – eine deutsche Schuld. Und somit auch eine deutsche Verantwortung. Zu dieser Verantwortung gehört auch der Erhalt der Gedenkstätte. Deshalb ist es erforderlich, dass sich staatliche Institutionen, Vereine und Privatpersonen, Bundes- und Lokalpolitiker, Unternehmen und viele andere, beteiligen am Erhalt dieses wichtigen Gedenkortes.

Wir, die Deutsch-Polnische Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland e.V. und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. rufen auf zur Gründung einer Hilfsinitiative für Treblinka.

Verbreiten Sie diesen Aufruf und die Informationen über Treblinka. Sammeln Sie Spenden. Wir unterstützen Sie mit Informationen, Referenten. Schreiben Sie uns, wie Sie helfen wollen.

Deutsch-Polnische Gesellschaft der BRD e.V.

Prof. Dr. Christoph Koch, Vorsitzender

VVN-BdA e.V.

Prof. Dr. Heinrich Fink, Vorsitzender

Kontakt: Initiative Treblinka, c/o Karl Forster, Riesaer Str. 18, 12619 Berlin

e-mail: Initiative-Treblinka@polen-news.de

Wir fahren etwa eine Autostunde von Warschau aus in nordöstlicher Richtung. Was wir suchen, ist ein beinahe vergessenes Stück Erde, das eigentlich zu den schrecklichsten Erinnerungen Deutschlands gehört: Treblinka. Ein Name, mit dem nur Menschen etwas anfangen können, die sich mit dem Terror der Nazis, der systematischen Vernichtung jüdischer Menschen, befasst haben. Aber auch unter ihnen ist kaum jemand, der diesen Ort schon gesehen hat. Ihm fehlt die Symbolkraft von Auschwitz, die Anschaulichkeit des ehemaligen Lagers von Majdanek. Hierher kommen keine Scharen von Touristenbussen (Die KZ-Gedenkstätte Auschwitz spricht von derzeit einer Million Besuchern im Jahr). Hier gibt es auch keine Jugendbegegnungsstätte die es Jugendgruppen ermöglicht, in der Nähe zu übernachten. Doch es gibt eine Gedenkstätte, und das ist schon eine Besonderheit für sich. Denn hier hatten die Nazis versucht, rechtzeitig alle Spuren zu verwischen. Und fast ist es ihnen gelungen. Alle Einrichtungen wurden abgebaut, ein Teil der Massengräber exhumiert und die Leichen verbrannt. Das gesamte Gelände umgegraben und darauf ein Bauernhof errichtet. Und befreite Häftlinge, welche sich – wie die ehemaligen Häftlinge anderer Lager – regelmäßig treffen und berichten können gibt es nicht. Nur einige wenige, die fliehen konnten, überlebten diese Hölle und kaum noch einer lebt heute noch. Doch drei Schüler aus Bielefeld arbeiteten gegen dieses Vergessen an.

Dass es in der Gedenkstätte Treblinka heute eine wirklich informative Ausstellung gibt, ist in der Tat drei Schülern des Gymnasiums der Friedrich-v.Bodelschwingh-Schulen in Bielefeld zu verdanken. Eva Budde, Felix Hansen und Jonathan Sokolowski, alle Jahrgang 1984, hatten sich an einem Praktikumsprojekt in Geschichte beteiligt. Von der Gedenkstätte Majdanek, wo das Praktikum hauptsächlich stattfand, fuhren sie nach Treblinka. Der Leiter der Gedenkstätte dort, Edward Kopowka, regte an, eine solche Ausstellung zu erarbeiten. Der Plan erwies sich als schwierig. Die Einarbeitung in das historische Thema, die Einladung an einen Überlebenden, Samuel Willenberg, nach Bielefeld mit beeindruckenden Gesprächen, aber auch die praktische Umsetzung und das Suchen nach Sponsoren für den Druck zogen das Projekt in die Länge. Doch die Schüler verfolgten es auch über ihr Abitur hinaus. Und im Sommer 2005 wurde die Ausstellung von den Schülern und der Geschichtslehrerin Beate Stollberg-Wolschendorf übergeben. Heute können Besucher auf 16 Informationstafeln auf polnisch und deutsch die Geschichte dieses Ortes, der Opfer aber auch der Täter lesen. Gleichzeitig wurde eine Informationsbroschüre hergestellt.

Treblinka war ein Musterbeispiel an Täuschung. Der Name war nämlich in der Bevölkerung durchaus bekannt. Hier befand sich das Arbeitslager Treblinka (später auch Treblinka I genannt) das Ende 1941 gebaut wurde. Heute sieht man unter anderem noch die riesige Kiesgrube dieses Zwangsarbeitslagers. Im Arbeitslager hielten sich ständig zwischen 1.000 und 1.200 polnische Gefangene (Juden und Nichtjuden) auf, mit wechselnder Zusammensetzung. Sie arbeiteten in der Kiesgrube, in den Lagerwerkstätten und auf dem Bahnhof Malkinia. Frauen mussten landwirtschaftliche Arbeiten im Lager ausführen. Anfangs meldeten sich viele sogar freiwillig, hier in der Kiesgrube zu arbeiten – um beispielsweise nicht zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt zu werden. Wachttürme und Stacheldrahtzäune hinderten die Gefangenen an der Flucht. Die SS hatte ihre Unterkünfte zwischen den Gefangenenbaracken und der Kiesgrube.

Als die Rote Armee sich im Juli 1944 näherte, gab die SS das Lager auf.

Heute sind einige Bereiche des ehemaligen Lagers von Wald befreit, Gras bedeckt den Boden.

Es sind noch einige bauliche Hinterlassenschaften zu sehen: Betonfundamente von Baracken, die Lagerrampe, ein Schwimmbecken für die SS-Mannschaft.

Als man dann im Sommer 1942 zwei Kilometer entfernt Treblinka II errichtete, glaubten viele, es handle sich um das Arbeitslager. Ein wahrhaft tödlicher Irrtum. Denn ein „Lager“ existierte hier eigentlich gar nicht. Zwar gab es einige wenige Baracken für die „Funktionshäftlinge“. Doch alles andere war auf schnelle Ermordung ausgelegt.

Treblinka galt auf Grund der Nutzung von Erfahrungen aus den Lagern Belzec und Sobibor bei der SS als das „perfekteste Vernichtungslager“ der „Aktion Reinhardt“. Im Auftrag des Reichsführers-SS und „Chefs der deutschen Polizei“, Heinrich Himmler, ernannte der SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin, Odilo Globocnik, den SS-Obersturmführer Irmfried Eberl zum ersten Lagerkommandanten von Treblinka. Dieser wurde im September 1942 von dem früheren Kommandanten des Vernichtungslagers Sobibor, Franz Stangl abgelöst. Beide waren zuvor in den „Euthanasie“-Anstalten an der Ermordung psychisch Kranker und Körperbehinderter beteiligt gewesen, ebenso das ihnen unterstellte deutsche Lagerpersonal. Die Bewachung des Lagers und den Betrieb der Gaskammern übernahmen Volksdeutsche und Ukrainer.

Der Massenmord begann am 23. Juli 1942 an Juden aus dem Warschauer Ghetto. Bis zum Frühjahr 1943 wurden dann fast eine Million Menschen, überwiegend polnische, slowakische, griechische, mazedonische und jugoslawische Juden sowie Bewohner des Ghettos Theresienstadt in Treblinka, aber auch rund 30.000 nichtjüdische Polen und tausende Sinti vergast. Anfang März 1943 ließ die SS die Massengräber öffnen und die Leichen verbrennen, um die Spuren des Verbrechens zu verwischen.

Als sich die Leichenverbrennung dem Ende näherte und die Liquidierung des Lagers bevorstand, gelang es Häftlingen des Sonderkommandos am 2. August 1943, Waffen zu erbeuten. Sie wagten den Aufstand. Etwa 840 Häftlinge waren daran beteiligt. Doch die meisten von Ihnen wurden überwältigt und ermordet. Nur rund 60 gelang es zu fliehen. Sie sind die einzigen Überlebenden von Treblinka. Die zurückgebliebenen Gefangenen wurden sofort von der SS erschossen. Anschließend ließ sie das Lager abreißen, den Boden umpflügen und zur Tarnung ein Bauernhaus errichten.

Nach 1945 stellte sich die Frage, wie geht man mit diesem Gelände um, bei dem eigentlich keine Spuren mehr vorhanden sind. Doch man wollte und musste einen Gedenkort schaffen.

1964 wurde am Ort des ehemaligen Vernichtungslagers eine Denkmalsanlage errichtet. Ein symbolisches Tor aus Stein wurde geschaffen, die Bahngleise werden von schwellen-ähnlichen Steinen angedeutet, an denen eine Rampe wiedererstand. Dort wo ein Stacheldrahtzaun und Wachtürme standen, sind große Steinblöcke aufgestellt.

An der Stelle der früheren Gaskammern steht ein großer Turm aus Granitquadern, den etwa 17.000 Granitsteine umgeben, auf denen Inschriften die Länder und Orte nennen, aus denen Juden in Treblinka starben. Für jedes Land, für jeden Ort ein Stein. Die unterschiedliche Größe der Steine soll wenigstens annähernd die unterschiedliche Zahl der Opfer aus diesem Land anzeigen. Eine Besonderheit unter den Steinen die sonst außer den Orten keine Namen tragen, ist die Steingruppe für Janusz Korczak. Henryk Goldszmit, wie er eigentlich hieß, war am 5. August 1942 mit 200 Kindern des jüdischen Waisenhauses aus dem Warschauer Ghetto in Treblinka ermordet worden. Hinter der ehemaligen Gaskammer aus besonderem Material eine Nachbildung der Scheiterhaufen auf denen die Leichen verbrannt wurden.

Ein wirklich beeindruckendes, weitläufiges Mahnmal das ohne die Restaurierung alter Baracken, Effekten etc. auskommt. Aber eine Restaurierung ist auch hier dringend erforderlich. Nach über 40 Jahren drohen viele Teile dieses Monuments zu verfallen. Es ist Zeit zu helfen. Durch eine Finanzierung der Restaurierung auch aus Deutschland. Aber auch durch Besuche in Treblinka. Gedenkstättenfahrten von Gruppen, aber auch Einzelbesuche. Vergesst Treblinka nicht!