Warum gerade hier?

geschrieben von Axel Holz

5. September 2013

Nazis und demokratischer Widerstand in Dresden

Sept.-Okt. 2011

Die Strukturen der Nazis, die Ausprägung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und das bürgerschaftliche Engagement gegen Strukturen der extremen Rechten in Dresden untersucht eine Studie des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung unter der Leitung von Wilhelm Heitmeyer.

Das Wissenschaftlerteam unternimmt in seiner Studie den Versuch, die Dresdner Zustände aus der Sicht der Akteure selbst darzustellen – der Nazis, der Gegenakteure und der Bevölkerung. Hiernach sind die NPD-Strukturen in Dresden gut aufgestellt, ohne allerdings Raumgewinne zu erreichen. Trotz erkennbarer Potentiale falle es der NPD schwer, in der Stadt Dresden Fundamentalopposition zu betreiben. Der Darstellungsdrang der NPD-Landtagsfraktion verhindere eine bessere Präsenz des Nachwuchses. Zudem fehle der NPD ein Bezug zu den Dresdner Themen, während sie in einer Mischung aus Rassismus, Populismus und Größenwahn als vermeintlich dritte Kraft verharre. Die Nazibewegung in der Stadt sei ungesteuert, stadtteilkonzentriert und stütze sich auf instabile, brüchige Gruppen. Die Gewalt gehe von dem Hintergrund feindseliger Einstellungen des Rechtsextremismus aus, was die Berechenbarkeit der Gewaltpotentiale für potentielle Opfer in der Stadt erschwere.

Zusätzlich zu Aktivitäten und Strukturen der extremen Rechten fächert die Studie den Stand gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) in einzelnen Dresdner Stadtteilen auf. So finden sich hohe GMF-Werte in der Altstadt und den Gebieten Prohlis und Loschwitz/Schöfeld mit deutlichen Desintegrationstendenzen, einem ausgeprägten Traditionalismus und stark verankerten NPD-Strukturen. In der Dresdner Neustadt fällt die Desintegration gering aus und das Engagement gegen Rechtsextremismus hoch. In Pieschen findet sich der größte Anteil der Befragten in Vereinen wieder.

Trotz dieser positiven Bilanz plagen die Befragten auch in dieser Region Zukunftsängste und das Gefühl, dass sich Politiker nicht für die Belange der Bürger interessieren. Menschenfeindliche Einstellungen sind der Studie zu Folge am stärksten dort ausgeprägt, wo mehr übertriebener Traditionalismus vorherrsche, Bedrohungsgefühle gegenüber Ausländern wahrgenommen werden und Rechtsextremismus als von den Medien hochgekocht verstanden werde. Deshalb müssten die Themen gegen Rechtsextremismus nicht nur vorfallbezogen, sondern vor allem regelmäßig in den Medien präsent sein. Auch müsse die Stadtgesellschaft stärker signalisieren, dass Rechtsextreme nicht willkommen seien und man bereit sei, sich mit ihnen vor Ort kontinuierlich auseinanderzusetzen.

Zudem müssten Desintegrationsprozessen entgegengewirkt und Integrationspotentiale gestärkt werden. Mit der Integration wird nicht nur die Gruppe der Migranten gemeint, sondern der generelle Zusammenhalt der Gesellschaft ins Auge gefasst.

In einem dritten Teil untersucht die Dresdner Studie Strategieansätze zur Auseinandersetzung mit der extremen Rechten und zur Demokratieentwicklung. Der Rechtsextremismus bedürfe der öffentlichen Auseinandersetzung und die Demokratieförderung müsse ressortübergreifend erfolgen in Kooperation zwischen Staat, Bürgergesellschaft, Wirtschaft und Bürgern. Zwischen den demokratischen Parteien sei eine Verständigung im Stadtrat zum Umgang mit der NPD notwendig. Dies betreffe den Umgang mit Reden und Anträgen der NPD, die Devise »kein Plan mit der NPD« und eine offensive inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen der NPD. Soziale Brennpunkten müssten Schwerpunkte demokratischer Aktivitäten werden. Symbole alternativen Lebens seien zu schützen und in Form von Hausprojekten und Ausstellungen zu beleben. Schwerpunkt der städtischen Geschichtspolitik bleibe die Bombardierung der Stadt im 2. Weltkrieg, um die demokratische Deutungshoheit zu verankern. Die verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten der Beschränkung rechtsextremer Handlungsräume müssten ausgelotet, zivilgesellschaftliche Initiativen gestärkt und Opferschutzgruppen vor Ort unterstützt werden.

Städtische Netzwerke sollten ihre Strategie dahingehend prüfen, ob sie den demokratischen Nachwuchs fördern. Hier wird der Fokus auf reale Beteiligungsformen gesetzt, auf die Chancen für Peer Leader Ausbildung, Jugendfreundlichkeit und zielgruppengerechte Öffentlichkeitsarbeit. Die Kooperation zwischen Schulen, Jugendarbeit und Zivilgesellschaft soll qualitativ ausgebaut werden. Opfer rechter Gewalt bräuchten einen qualifizierten Ombudsmann als polizeilichen Ansprechpartner. Das Fanumfeld von Dynamo Dresden soll dauerhaft beobachtet und nicht-rechtsextreme Fangruppen sollen durch Förderung aufgewertet werden.