Wichtige Teilerfolge

geschrieben von Anne Rieger, Landessprecherin VVN-BdA Baden-Württemberg

5. September 2013

Antifaschistische Demokratiebewegung siegte vor Gerichten

Mai-Juni 2007

Anfang März gab es zwei wichtige Gerichtsentscheidungen im Südwesten. Der Bundesgerichtshof hält durchgestrichene Hakenkreuze für Anti-Nazi-Symbole. Er sprach Jürgen Kamm, den Geschäftsführer des Nix-Gut Versandes, frei. Der Verwaltungsgerichtshof hob das Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy auf und stellte fest, dass das Oberschulamt Karlsruhe ihm zu Unrecht die Einstellung verweigerte.

Beide Gerichtsurteile sind wichtige Teilerfolge der antifaschistischen Demokratiebewegung von unten. Mutige Antifaschisten haben sich nicht einschüchtern lassen. Mit aufrechtem Gang haben sie bis in die letzte gerichtliche Instanz für unser demokratisches Recht gekämpft – sowohl für das Verwenden und den Verkauf von Antinazisymbolen als auch für das demokratische Recht, sich gegen Krieg und Faschisten zu engagieren und gerade deswegen Lehrer und Vorbild für die Jugend zu werden. Aber ohne die Breite, Intensität und Hartnäckigkeit des Protests und Widerstands der antifaschistischen Demokratiebewegung von unten wären diese Abwehrerfolge nicht zustande gekommen.

Ich habe noch keinen Angriff auf Antifaschisten erlebt, der in einer solch politisch breiten Übereinstimmung zurückgewiesen wurde, wie die Verfolgung von AntifaschistInnen, die Antinazisymbole verwendeten. Im Rems-Murr-Kreis, der Heimat des Nix-Gut Versands, ging es ja nicht nur um ihn. Hier hatte die Polizei unter der Oberaufsicht der Staatsanwaltschaft Schülern mit dem Messer Aufnäher mit zerschlagenem Hakenkreuz von der Jacke abgetrennt. Die Presse hat das im Foto dokumentiert. Junge Schülerinnen und Schüler wurden bei ihren Aufklärungsaktion über Neofaschismus von der Polizei eingekesselt. Eineinhalb Jahre lang folgten daraufhin Protestaktionen und Demonstrationen. Unverständnis und Empörung über die Verfolgung von aufklärenden Antifaschisten und Antifaschistinnen intensivierte sich sowohl in der Presseberichterstattung als auch in Leserbriefen. Die Gewerkschaftsjugend, sowie bis dahin völlig unbeteiligte Menschen trugen durchgestrichene Hakenkreuze.

Als der DGB-Vorsitzende Michael Sommer von der Staatsanwaltschaft verfolgt wurde, weil er ein durchgestrichenes Hakenkreuz auf der Kundgebung am 21. Oktober in Stuttgart getragen hatte, zeigten sich spontan Gewerkschafterinnen selbst an. Auch wir als VVN-BdA haben uns angezeigt, denn wir weisen seit Jahrzehnten mit dem zerschlagenen Hakenkreuz auf die Kontinuität zwischen den Faschisten mit ihrem Hakenkreuzen und dem heutigen Neofaschismus hin. Alle Verfahren sind inzwischen eingestellt. Auch gegen das Berufsverbot von Michael Csaszkóczy haben sich Tausende engagiert. Schüler sammelten Unterschriften, übergaben sie im Kultusministerium. Auf der Webseite des Solidaritätskomitees veröffentlichten Hunderte ihre Proteste, beteiligten sich an den Demonstrationen. Menschen aus unterschiedlichen politischen Spektren, aus Heidelberg, der Bundesrepublik und Europa, Abgeordnete verschiedener Parteien, die GEW und andere Gewerkschaften haben sich gegen die antidemokratische Waffe ausgesprochen.

Mit dem Urteil ist die Akte Berufsverbot in Deutschland nicht geschlossen. Baden-Württemberg muss Michael erst noch einstellen. Aber ohne breite und mutige Proteste, Widerstand und Kampf von unten, werden Michaels Akte und die Akte Berufsverbote höchstens befristet geschlossen. Denn Berufsverbote haben eine lange und furchtbare Tradition: die Karlsbader Beschlüsse 1819, die Demokratenverfolgungen nach der Revolution 1848/49, das Sozialistengesetz 1872, die preußischen Erlasse 1930, das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums 1933, die Ermordung und Verfolgung von Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und anderen Demokraten in den Konzentrationslagern der Nazis, der Adenauer-Erlass 1950, schließlich 1972 der Ministerpräsidentenbeschluss unter der Regierung Brandt, der durch die Verfolgung selbständig denkender Demokraten hunderte Menschen in ihrer Existenz bedrohte.

1995 hat der Europäische Gerichtshof in Strasbourg entschieden »Berufsverbote sind verfassungswidrig.« Das hat Frau Schavan nicht interessiert. Erst der gemeinsame Kampf führte zum Teilerfolg für Michael.

Unser Widerstand muss bleiben: Denn nach wie vor werden Bürgerrechte massiv abgebaut, Beispiele gibt es genügend: Einschränkung der Versammlungsfreiheit, Vermummungsverbot, Angriff auf Mitbestimmung und Tarifautonomie, Lauschangriff, Telefonüberwachung, Vorratsspeicherung von Internet-Daten, biometrischer Personalausweis, Online-Durchsuchung privater Computer, Fingerabdruckdatei, Auswertung von Mautdaten und Einsatz des Militärs im Innern. Noch ist es leider viel zu still.

Der Nix Gut Versand hat in Kooperation mit der IG Metall einen Film über den Streit um die zerstörten Hakenkreuze gedreht. Die DVD mit einem umfangreichen Textteil wird Anfang Juni erscheinen. Für 5 Euro wird sie beim Nix Gut Versand zu bestellen sein (www.dagegen-bleiben.de).