Wieder angestiegen
5. September 2013
FES-Studie zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland
Jan.-Feb. 2013
Oliver Decker, Johannes Kiess, Elmar Brähler »Die Mitte im Umbruch.
Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012«, herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Ralf Melzer.
Download der Studie unter www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_12/mitte-im-umbruch_www.pdf
Die Zunahme rechtsextremer Einstellungen in der Bevölkerung belegt eine neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. In Ostdeutschland haben sich gefestigte rechtsextreme Einstellungen seit 2006 verdoppelt.
Die neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung »Die Mitte im Umbruch« reiht sich in die zehnjährige Forschungsarbeit der SPD-nahen Stiftung zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland ein. Schwerpunkt der Studien sind die Analyse rechtsextremer Einstellungen in erheblichen Teilen der Bevölkerung, die derzeit in den einzelnen untersuchten Segmenten zwischen 3 Prozent Anteil bei der Verherrlichung der NS-Diktatur und 25 Prozent Ausländerfeindlichkeit schwankt. Am stärksten ausgeprägt ist Ausländerfeindlichkeit, die im Westen 21,7 und im Osten 38,7 Prozent der Bevölkerung teilen. Die Zahlen verdeutlichen ein hohes Maß an diskriminierenden Einstellungen in der Bevölkerung, die gegen die Eingrenzung des Problems auf die Ränder der Gesellschaft spricht, wie die Extremismustheorie suggeriert. Die Mitte-Studien der Stiftung beweisen seit zehn Jahren, dass die Bedrohung der Demokratie nicht von der Rändern kommt, sondern aus ihrer Mitte selbst, in der rechtsextreme Einstellungen, autoritäre Phantasien und mangelndes demokratisches Verständnis weit verbreitet sind.
Besonders erschreckend ist, dass der Anteil der Bevölkerung mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild mit 9,0 Prozent weiter zugenommen hat und sich im Osten seit der letzten Befragung von 2010 von 10,5 auf 15,8 Prozent erhöht hat. Die Hauptgründe hierfür sehen die Autoren in der weiterhin vorhandenen ökonomischen Abkopplung weiter Teile Ostdeutschlands und den damit verbunden Abstiegsängsten. Die Ablehnung gegenüber vermeintlich Fremden sei aber kein ostdeutsches Phänomen, sondern in strukturschwachen westlichen Regionen ähnlich ausgeprägt. Besonders besorgniserregend sind aus Sicht der Verfasser die hohen zustimmenden Werte zu einer rechtsautoritären Diktatur, zu Sozialdarwinismus und der Verharmlosung des NS-Regimes unter den 15-30 Jährigen, die das Ausmaß diskriminierender Einstellungen von über 60-Jährigen inzwischen überschritten. Neu ist auch die Tatsache, dass unter den 2.500 untersuchten Teilnehmern die antisemitischen Einstellungen im Osten erstmals das westdeutsche Niveau überschreiten. Ansteigend sei insbesondere sekundärer Antisemitismus, in dem etwa den Juden eine Mitschuld an deren Verfolgung gegeben wird. Im Rahmen der Studie wurden auch islamfeindliche Einstellungen untersucht. Demnach stimmten mehr als ein Drittel der These zu, dass der Islam eine archaische Religion sein, der unfähig sei, sich an die Gegenwart anzupassen. Positiv stellt die Studie hingegen fest, dass die Zufriedenheit mit der Demokratie im Vergleich zu anderen Staatsformen im Westen mit 95,5 und im Osten mit 92,1 Prozent hoch sei.
Ursachen für die Zunahme rechtsextremer Einstellungen v.a. im Osten sieht Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse in der jahrelangen Unterschätzung des Rechtsextremismusproblems. In den 90er Jahren hätten weder die Bundesregierung noch die Länder »eine entscheidende Grenze setzen wollen«, kritisiert der Rechtsextremismusforscher Hajo Funke. Deshalb fordert Thierse eine bildungspolitische Offensive in Sachen Demokratieerziehung. Die Studie nennt dafür detaillierte Handlungsfelder. Dazu zählen neben dem Zurückdrängen der gesellschaftlichen Entsolidarisierung auch das Lernen und Lehren von Teilhabe in der Gesellschaft. Nationalismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit sowie unterschiedliche Religionen und Kulturen müssten ansprechend im Unterricht behandelt werden. Unerlässlich sei es, die Interessen der Schwächeren in der Gesellschaft zu stärken, Eigentums- und Vermögensungleichheit abzubauen und die ungleich verteilten Bildungschancen auszugleichen. Die Studie zeigt, dass stärker in der Öffentlichkeit verdeutlicht werden muss, was die Zunahme rechten Denkens bedeutet. Sie verweist aber auch auf die Verantwortung der Politik, der Ausbreitung diskriminierender Einstellungen entgegenzutreten und zivilgesellschaftliche Initiativen ohne Einschränkung zu fördern. Politiker und Medien sind dabei selbst gefordert, rechtem Denken keine Vorlagen zu liefern.