Nazis verbünden sich

geschrieben von Florian Osuch

15. Januar 2014

In Spanien treten mehrere faschistische Gruppierungen neuerdings gemeinsam auf

 

Rund ein Dutzend rechte Organisationen haben sich in Spanien zum Bündnis »España en marcha« (Spanien marschiert) zusammengeschlossen. Sie wollen die stark zersplitterte extreme Rechte ihres Landes einen. »España en marcha«, das sind: Democracia Nacional, La Falange, Movimiento Católico Español (Spanische katholische Bewegung), Alianza Nacional sowie Nudo Patriota Español (Patriotischer Kern).

Das Bündnis wurde im Spätsommer dieses Jahres über Nacht landesweit bekannt. Anhänger hatten am 11. September – dem wichtigsten katalanischen Feiertag – eine Veranstaltung des katalanischen Kulturinstitutes in Madrid gestört. Zwei Dutzend Nazis hatten die Bühne gestürmt, Gäste sowie Vertreter der Presse bedrängt und Mobiliar umgestoßen. Es kam zu Rangeleien, mehrere Personen wurden durch Reizgas verletzt. Der Tumult war umfangreich dokumentiert worden, die wenigsten der Neonazis waren maskiert. Die Polizei nahm in den Folgewochen zwölf mutmaßliche Täter fest. Mitte Dezember meldete ein rechtes Infoportal, »alle fraglichen Beteiligten« seien ermittelt.

Unter ihnen war auch Iñigo Pérez de Herrasti, verurteilter Rechtsterrorist von der Alianza Nacional. Der 56jährige war im Jahr 2000 mit drei Neonazis u.a. wegen Waffenbesitz und Attentatsplänen festgenommen worden. Wegen Anschlägen, die er gegen Angehörige von Gefangenen der baskischen ETA verüben wollte, wurde er zu 14 Jahren Haft verurteilt, kam jedoch vorzeitig frei.

Nach Recherchen der Tageszeitung Ara kommt Pérez de Herrasti aus einer Adelsfamilie mit engen familiären Verbindungen zur spanischen Volkspartei (PP). Seine Mutter war viele Jahre Vizepräsidentin und Schatzmeisterin der Alianza Popular, der Vorgängerin der PP. Sein Onkel ist amtierender spanischer Verteidigungsminister, ebenfalls für die PP. Ein Schwager war Volkspartei-Abgeordneter im Europaparlament und ist derzeit Staatssekretär unter der Regierung Rajoy.

Zwischen der post-franquistischen PP und »España en marcha« gibt es inhaltlich große Überschneidungen: Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit gemischt mit ultrakonservativen und teils streng religiösen Positionen. Leitbild ist ein starker spanischer Zentralstaat. Nach Auffassung von »España en marcha« stehe das Land kurz vor dem Untergang: Politikverdrossenheit, Staatskrise, Vertrauensverlust in die Institutionen etc. Es sei »Zeit für eine Nationale Revolution«.

Die neue rechte Allianz will die bürgerlich-demokratische Verfassung von 1978 abschaffen, ebenso die jetzige Form des Föderalismus mit den 17 autonomen Gemeinschaften. Forderungen nach mehr Unabhängigkeit, wie sie etwa im Baskenland oder in Katalonien vertreten werden, gehörten als »staatsfeindlichen Terrorismus« verfolgt. Einwanderung wird strikt abgelehnt. Ethischer Bezugspunkt ist der Katholizismus mit der bürgerlichen Kleinfamilie, bestehend aus einem Mann und einer Frau. Gleichstellung für Lesben und Schwule sei Teufelszeug, genauso wie die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch.

Zur Europawahl im Mai 2014 habe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Ein Erfolg ist derzeit jedoch nur schwer vorstellbar, »España en marcha« müsste für einen Sitz deutlich über 200.000 Stimmen erhalten. In der Summe verfügen die Einzelorganisationen in Spanien derzeit nur über einige wenige Kommunalmandate.

Grundsätzlich kann die Allianz als Novum bezeichnet werden. Größere faschistische Formationen konnten sich seit dem Ende der Franco-Diktatur Mitte der 1970er Jahre nicht etablieren. Die ehemaligen faschistischen Eliten, darunter auch Minister aus dem Franco-Kabinett, sammelten sich zunächst in der Alianza Popular. Im Zuge eines Generationswechsels 1989 übernahm José María Aznar den Vorsitz der seit dem als Partido Popular firmierenden Partei. Aznar war 14 Jahre Chef der PP (1990-2004) und Ministerpräsident von Spanien zwischen den Jahren 1996 und 2004.