Zurück nach ganz rechts

geschrieben von Jürgen Weber

15. Januar 2014

Für die spanische Regierung existieren die Verfolgten des Franco-Regimes nicht

 

Luis Pérez, Präsident des Verbandes der ehemaligen Gefangenen und politisch verfolgten Anti-Francisten bietet uns zwischen Kisten voller Informationsmaterial und Plakaten in seinem Büro in Madrid einen Platz an. Pérez saß bis zum Ende des spanischen Faschismus 1977 als politischer Gefangener hinter Gittern. Er wurde 1967 verhaftet und wegen »Verschwörung« zu einer über 13 Jahre langen Haftstrafe verurteilt. Sein Vater wurde als politischer Kommissar im spanischen Bürgerkrieg 1939 von den Faschisten Francos in Abweseheit zum Tode verurteilt. Luis Pérez protestiert auch heute wieder auf den Straßen Madrids, weil er selbst unter der Sparpolitik leidet, wie er sagt. Was Spanien erlebe sei ein sozialer Kahlschlag, der »wie ein Wasserfall übers Volk« käme.

Luis Pérez beklagt, dass der Staat die Grabstätten der Opfer des Franco-Faschismus verkommen lässt. Der Verband habe über Jahre ein »Gesetz des historischen Gedächtnisses« mit der vormals regierenden Sozialistischen Arbeiterpartei bis zum Gesetzentwurf entwickelt. Dieser sei nun in der Versenkung verschwunden. Der Spanische Widerstand während der Franco-Zeit und seine Opfer würden unter der derzeitigen Regierung geleugnet.

Luis Pérez beklagt, dass der Staat die Grabstätten der Opfer des Franco-Faschismus verkommen lässt. Der Verband habe über Jahre ein »Gesetz des historischen Gedächtnisses« mit der vormals regierenden Sozialistischen Arbeiterpartei bis zum Gesetzentwurf entwickelt. Dieser sei nun in der Versenkung verschwunden. Der Spanische Widerstand während der Franco-Zeit und seine Opfer würden unter der derzeitigen Regierung geleugnet.

Doch hinter Namen und Politik der Spanischen Regierung stecken weit mehr als die Spardoktrin von Merkel, Schäuble & Co. und deren gnadenloser Umsetzung. In der Regierungspartei wirken die alten faschistischen Kräfte und bauen die Gesellschaft und die deomkratische Grundordnung um. In Spanien regiert die »rechteste Regierung« im Westen der Europäischen Union, urteilt der Vorsitzende des spanischen Partnerverband der VVN-BdA, der »Asociación de Ex presos y Represaliados Políticos Antifranquistas«. Der landesweit agierende Verband der ehemaligen Gefangenen und politisch verfolgten Anti-Francisten ist auch Mitglied der Fédération Internationale des Résistants (FIR).

Mit dem Wahlsieg des in der deutschen Presse allgemeinhin als »konservativ« bezeichneten Regeierungschefs Mariano Rajoy sieht Pérez jedoch eine ideologische Wende in Spanien eingeleitet. Dieser Regierung geht es nicht nur »ums Sparen«, so Pérez. Gesetzesvorlagen gegen liberale Positionen bei Homosexualität und beim Schwangerschaftsabbruch seien auf der Tagesordnung. Pérez zitiert Rajoy mit der Aussage »künftig werde nicht mehr die einzelne Frau, sondern Rajoy selbst entscheiden, wann eine Schwangerschaft abgebrochen wird und wann nicht«. Diese Regierung steuert hin zu den Wurzeln ihrer politischen Gesinnung: »Sie kommen von ganz rechts und sie wollen nach ganz rechts«. So habe die Regierung beispielsweise das Schulfach Sozial- und Gesellschaftskunde einfach aus den Lehrplänen gestrichen.

In der Tat ist Rajoys Partei Partido Popular (PP) aus einer Sammel- und Vereinigungsbewegung der Franco-Faschisten entstanden. Nach dem Tod Francos 1975 begann in Spanien ein Systemwandel hin zur parlamentarischen Demokratie. Die ersten freien Parlamentswahlen 1977 beendeten die Diktatur. Zur Parlamentswahl 1977 trat ein Bündnis aus Parteien und rechten Splittergruppen unter der neu gegründeten Allianza Popular an. Fünf der sieben Parteien des Parteienbündnisses wurden von Ex-Ministern der Franco-Regierung angeführt. Sie errangen 1977 lediglich 8,2 % der Wählerstimmen und wurden in der Folgezeit noch unbedeutender. Die Wende gelang mit der Parteiumbenennung in Partido Popular im Jahr 1989. Die personelle Besetzung war weiter von Personen des Franquismus geprägt. Der neue Parteivorsitzende und spätere spanische Regierungschef José María Aznar war selbst Vorsitzender einer franquistischen Studentenorganisation. 2011 errang die Partido Popular unter Mariano Rajoy erstmals die absolute Mehrheit.

Einen demokratischen Prozess zur Willensbildung gibt es seither nicht mehr im Land. Politische Entscheidungen sind nicht transparent und werden von Rajoy nur noch verkündet. »Fernsehansagen« nennt das die spanische Opposition. Gewerkschaften werden beispielsweise in Gesetzgebungsprozesse zu Sparmaßnahmen oder dem Kündigungsschutz einfach nicht mehr einbezogen und angehört. Der Regierungspräsident verliest seine Dekrete nur noch im Fernsehen. »Er ist kein Demokrat, also verhält er sich auch nicht so«, so Luis Pérez. Die Botschaften der Regierungspartei seien einfach und klar: »Ihr habt über Eure Verhältnisse gelebt, jetzt müssen wir alle die Suppe auslöffeln«, gemeint ist das spanische Volk. Angesprochen auf die Obdachlosen und Armen im Land habe eine Abgeordnete der PP aus Valencia im Parlament unter tosendem Applaus ihrer Fraktion gerufen: »Die sind mir alle scheißegal«. Die Übersetzerin weist mich darauf hin, dass die originale Übersetzung deutlich vulgärer sei.

So wundert es wohl kaum, dass die »neue« Regierung unter dem Deckmäntelchen des Sparens die Mittel für die Arbeit des Verbandes praktisch komplett gestrichen hat. Nach wie vor gelten die Verfolgten und politischen Häftlinge des Franco-Regimes als Kriminelle. Luis Pérez kämpft auch persönlich seit Jahren um die Streichung seiner Haftstrafe aus seinem polizeilichen Führungszeugnis.