Die feindliche Übernahme

geschrieben von Wolfgang Triebel

14. März 2014

Heinrich Fink erinnert daran »Wie die Humboldt-Universität gewendet wurde«

 

Dieses kleine Buch berichtet konkret-historisch und politisch brisant über die Einvernahme der Humboldt-Universität zu Berlin in das BRD-Hochschulsystem und die bösartig lancierte Entfernung ihres Rektors Prof. Dr. Heinrich Fink. Das Buch handelt von der Zeit der Eingliederung der DDR in das Staatsgefüge der alten Bundesrepublik Deutschland von 1990 bis 1992. Finks Erinnerungen demonstrieren am Beispiel der HUB, wie die bisherigen »Brüder und Schwestern im Osten« von ihren Arbeitsplätzen vertrieben und nunmehr mit dem Kainsmal »IM der Stasi« versehen als nicht mehr zumutbar abgestempelt worden sind. Als 1989/1990 Bürger der DDR auf die Straßen gegangen sind und der politischen Obrigkeit die Losung entgegenschleuderten »Wir sind das Volk!«, kehrten westliche Politiker und ihre Medien diesen Ruf nach volksnaher Demokratie in der DDR in den nationalistischen Schlachtruf um, »Wir sind ein Volk!« und verkündeten den »befreiten« ostdeutschen Bürgern durch den Zusammenschluss beider Teile Deutschlands »blühende Landschaften«. So etwa ist das bis heute im Bewusstsein der meisten westdeutschen Bürger verinnerlicht. Mit den tatsächlichen Abläufen des Einigungsprozesses 1990 und danach hat das jedoch nichts zu tun. Die damaligen Vorgänge mit ihren Nebenerscheinungen und manchen menschlichen Tragödien verdienen weite Verbreitung, weil die Bundesregierungen dazu schweigen oder die Tatsachen verdrehen.

Heinrich Fink »Wie die Humboldt-Universität gewendet wurde«, Verlag Ossietzky, Hannover, 128 S., 12,50 EUR

Heinrich Fink »Wie die Humboldt-Universität gewendet wurde«, Verlag Ossietzky, Hannover, 128 S., 12,50 EUR

Der Theologe Prof. Dr. Heinrich Fink, seit 1980 Dekan der Theologischen Fakultät und Direktor der Sektion Theologie der HUB, wurde am 3. April 1990 zum Rektor der Humboldt-Universität Berlin gewählt. Zu Recht wird hinzugesetzt, seine Wahl erfolgte in einem ordentlichen universitären akademischen Akt ohne Druck oder Einflussnahme der politischen Obrigkeit der DDR. Finks Losung bei seinem Amtsantritt lautete: »Erneuerung aus eigener Kraft und mit den vorhandenen Menschen.« Dies entsprach auch der Auffassung der meisten der protestierenden Bürger der DDR und war politische Konzeption der DDR-Regierung unter Hans Modrow. Die Wahrheit ist: Der dann am 12. April 1990 von der ersten »frei« gewählten Volkskammer und dem Ministerpräsidenten De Maiziere zum Hochschulminister der DDR ernannte Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer verfügte laut Beschluss des neuen Ministerrats vom 23. Mai 1990 die sofortige Auflösung aller Institute für Marxismus-Leninismus an allen Hochschulen der DDR. Das sei »eine notwendige Maßnahme…im Hinblick auf die demokratische Erneuerung der Universitäten und Hochschulen der DDR«. Noch in der DDR wurden diese Hochschullehrer abberufen.

Nach dem 3. Oktober 1990 begann das Überstülpen des westdeutschen und westberliner Hochschulrahmengesetzes. Prof. Fink lässt Zahlen sprechen: »Von den insgesamt 782 Hochschullehrern der HUB verloren 644 ihre Position. Nur 16 % aller im Jahre 1989 Beschäftigten (einschließlich Verwaltung und Technik) gehörten der HUB im Jahre 1994 noch an. Rund 2 500 waren innerhalb dieses Jahrfünfts entlassen worden.« Finks Vorstellung, Erneuerung der Humboldt-Universität aus eigener Kraft und mit den vorhandenen Menschen, wurde mit üblen Mitteln und hinterhältigen politischen Methoden verhindert. Ein übles Mittel war die vom damaligen Berliner Wissenschaftssenator Manfred Erhard (CDU) verfügte Einsetzung – nicht demokratische Wahl! – sog. Gründungsdekane aus dem Westen. Sie hatten Professoren und Dozenten der Sektionen der HUB auf fachliche und politische Eignung zu prüfen. Dieser Erhard war der Haupteintreiber der Abwicklung vor allem der geisteswissenschaflichen Sektionen Geschichte, Philosophie, Erziehungswissenschaft, Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft. Ein Skandal besonderer Art war: Gründungsdekan für die Sektion Wirtschaftswissenschaft wurde der emeritierte Professor Wilhelm Krelle aus Bonn, der sich gegenüber Prof. Fink großspurig vorstellte, er müsse nun »reinemachen«, marxistische Ökonomie wäre sowieso keine Wissenschaft, und »solange er Gründungsdekan sei«, dürfe »kein Marxist seinen Fuß über die Schwelle seiner Fakultät setzen«. Die Studenten, die sich der westlichen Abwicklungspolitik energisch widersetzten, durchleuchteten den Lebenslauf von Prof. Krelle und fanden heraus, dass dieser Herr 1944 SS-Sturmbannführer der Panzergrenadierdivision der SS »Götz von Berlichingen« war, an der Okkupation Griechenlands und am Afrikafeldzug teilgenommen und zum Generalstab des VIII. SS-Korps gehört hatte. Prof. Fink nennt in seinem Buch die Hauptverantwortlichen für die Abwicklungspolitik an der HUB mit Namen, man kann sie darum nicht vergessen.