Kirche vor der Entscheidung

geschrieben von Heinrich Fink

13. Mai 2014

Vor 80 Jahren entstand die Bekennende Kirche in Deutschland

 

Am Ende des Ersten Weltkriegs den Krieg, den Kaiser und dazu das Vorrecht, »Staatsreligion« zu sein, zu verlieren, war für Hierarchie und Christen in Deutschland zu viel. Wie weiter? Dass die Kirchen sich nicht nach Demokratie sehnten, wird besonders daran deutlich, dass sie gegen die Enteignung der Vermögen von Kaiserhaus und Fürsten stimmten. Aber noch deutlicher wurde es an dem leidenschaftlich ausgetragenen Flaggenstreit. Unbeirrt hatten die Kirchen die Fahnen ihrer Monarchen geflaggt. Nun blieben die Fahnenstangen leer, weil die Fahnen der Republik nicht auf und an kirchlichen Gebäuden hängen durften. Deshalb erfanden die Protestanten eine weiße Fahne mit lila Kreuz als öffentlichen Beweis dafür, dass Christen die Religions- und Kirchendistanz der Weimarer Republik nicht akzeptierten. Aber leider reagierten dann allzu viele Christen auf die listigen Locksätze der »Nationalsozialisten«, die »positives Christentum«, Rückbesinnung auf »deutschen Geist und deutsche Seele« und einen die arische Rasse schützenden Abstand gegen Juden propagierten. Darum reagierte die Mehrheit der Christen verständnislos-ärgerlich auf die von Pastor Georg Fritsche schon am 7. September 1932 mit seiner kleinen Schar religiöser Sozialisten veröffentlichen Zeitungsartikel und Flugblätter »… was wollen die Faschisten in der Kirche? … Sie werden vom Evangelium reden, aber sie meinen damit ihr eigenes Evangelium, das des Raffhochmutes, der brutalen Vergewaltigung jeder anderen Meinung, der Verherrlichung des Kriegsgeistes und der militärischen Aufrüstung. Sie haben das Kreuz Christi verzerrt zum Hakenkreuz … So streckt Hitler seine Hände nach der evangelischen Kirche aus wie nach einer sicheren Beute und fühlt sich schon jetzt als der zukünftige Herr der Kirche.«

Karikatur aus Hans Prolingheuer: Kleine politische Kirchengeschichte. 50 Jahre evangelischer Kirchenkampf, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln, 1984

Karikatur aus Hans Prolingheuer: Kleine politische Kirchengeschichte. 50 Jahre evangelischer Kirchenkampf, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln, 1984

Am 9. September 1932 erkannte der evangelische Oberkirchenrat-Berlin die faschistischen »Deutschen Christen« als offizielle Kirchenpartei für die in Preußen für November 1932 festgesetzten Kirchenwahlen an. »Damit waren Rassenwahn, Ausschaltung der Juden, Terror und Gewaltanwendung höchst kirchenamtlich für wählbar erklärt.«

Die »Deutschen Christen« erzielten ein Drittel aller Plätze.

Den Höhepunkt dieser Selbsttäuschung bildete der festliche Staatsakt in der Potsdamer Garnisonkirche zur Eröffnung des Reichstags am 21. März 1933 mit der Predigt von Generalsuperintendent Otto Dibelius. Der Reichskanzler erklärte vor dem Altar programmatisch, was in der Kirchenzeitung begeistert begrüßt wurde: »Mit der Regierung ist das ganze deutsche Volk im Geist an die doppelt geheiligte Stätte getreten, um Gottes und der Geschichte Stimme zu vernehmen. Wir wollen dankbar sein, dass wir eine Führung haben, die sich an dieser Stätte für ihr schweres Amt zurüsten lässt.«

Die Kirchenleitung wehrte sich lediglich dagegen, dass der Reichstag wegen der Zerstörung des Preußischen Reichstagsgebäudes in Berlin ständig in der Garnisonkirche tagen sollte. Schon am 13. November fand dann die fatale Veranstaltung der »Deutschen Christen« im Sportpalast statt, auf der Pfarrer Krause das »Alte Testament« offiziell als Buch »jüdischer Zuhälter« diffamierte. Und deshalb müsse sich die deutsche Volkskirche von diesem Buch befreien. In den ersten Wochen seiner Regierung warben Hitler und seine Parteigänger nachdrücklich um die Christen.

Endlich wurden aber auch Stimmen des Widerspruchs in der Kirche laut. Die wesentliche Hilfe leistete der Schweizer Karl Barth. Er veröffentlichte einen ausführlichen kritischen Artikel »Theologische Existenz heute«. Nein, war sein Urteil: Das ist Verrat. Als die »neue altpreußische Synode« am 6. September die Einführung des »Arierparagraphen« beschloss und damit die Taufe als alleiniges Kriterium für Kirchenmitgliedschaft aufgab, war das der öffentliche Auslöser für einen Kirchenkampf. Allerdings nur um innerkirchliche Probleme. Bis Ende 1933 schlossen sich über 6.000, das heißt ein Drittel aller deutschen Pastoren dem von Martin Niemöller gegründeten Pfarrernotbund an. Sie protestierten zunächst nur gegen die Kirchenpolitik der Deutschen Christen. Das war keine antifaschistische Aktion, aber ein deutlicher öffentlicher Protest. Zwei Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges versammelten sich im Sommer 1934 in Barmen Pfarrer in der gemeinsamen Absicht, die Gründung einer »bekennenden Kirche« zu riskieren. Die unter Federführung von Karl Barth formulierten sechs Thesen wurden erstmals in der Geschichte der Kirche gemeinsam von Reformierten, Unierten und Lutheranern als »evangelische Wahrheiten« anerkannt. Damit war eine Trennung von der offiziellen Kirche konstatiert, die meinte, dass sie sich zum Schutz vor liberaler und sozialistischer Weltanschauung mit der faschistischen Politik und Weltanschauung verbünden dürfe. Die nationalsozialistische Politik erklärte von dieser Synode an die Vertreter der Bekennenden Kirche zu Staatsfeinden. Mit der Bekennenden Kirche, die keine Staatsreligion war, bekam die reformatorische Bezeichnung »Protestanten« eine neue Bedeutung in Deutschland.