Antifa in der Doppelkrise

geschrieben von Markus Roth

20. Mai 2014

Ein wichtiger Kongress, zur richtigen Zeit, mit mäßigem Ergebnis

 

An der Technischen Universität Berlin fand Mitte April der Kongress »Antifa in der Krise« mit mehr als 500 Teilnehmenden statt. Die veranstaltende »Interventionistische Linke«, ein Zusammenschluss linksradikaler und antikapitalistischer Gruppen, wollte vor allem die Positionierung der antifaschistischen Bewegung in der Wirtschaftskrise diskutieren. Dem oft krisenbedingten Rechtsruck in den europäischen Staaten, hätte die Antifa als soziale Bewegung bisher zu wenig entgegengesetzt. Deshalb, so die These, sei auch die Antifa in einer Krise – einer Krise der Mobilisierung, und der Glaubwürdigkeit in sozialen Fragen Antworten parat zu haben. Denn die Ursachen für das Erstarken von Nationalismus und Rassismus ist im europäisch aufgezwungenen Sozialabbau und der eher gefühlten »Statuspanik« vieler Mittelständler zu suchen.

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Zur Diskussion geladen waren Aktivisten aus Italien, Spanien, Griechenland. Frankreich, Polen, Tschechien, Ungarn, Kroatien, Österreich, Dänemark und Schweden. Also vieler jener Länder, in denen rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien große Wahlerfolge eingefahren haben und Regierungspolitik faktisch mitbestimmen können. Neben den Einblicken in die Situation der Antifa dort vor Ort, wurden auf dem Kongress die aktuellen deutschen Highlights antifaschistischer Praxis abgehandelt: Rechtspopulismus, NSU-Aufarbeitung, Flüchtlingspolitik, rassistische Polizeigewalt, und Blockaden gegen Neonaziaufmärsche. Auch hier sprachen vor allem diejenigen, die die Arbeit machen. Bekannte Autoren und klassische Podiumsgäste kamen nicht zum Zug, um in den Veranstaltungen mehr Wert auf die Diskussion mit dem Publikum zu legen. In den insgesamt 26 Workshops kamen erfreulicherweise auch Themen zur Sprache, die sonst eher intern bleiben. Das Verhältnis zu staatlich finanziertem Antifaschismus, die Jugendpolitik der Antifa und sexistische Tendenzen in der Bewegung. Zwei größere Podiumsdiskussionen zum Zustand und den Aufgaben der Antifa, sowie eine längere Vorstellung von unterschiedlichen Gruppen und Kampagnen rundeten das Rahmenprogramm dieses Kongresses ab. Aus dem ganzen Bundesgebiet waren zumeist junge und jung gebliebene Antifas nach Berlin geeilt um an diesem richtigen und wichtigen Kongress teilzunehmen. Im Vorfeld gab es Diskussionsbeiträge in einschlägigen Antifa-Publikationen. Auch im Ausland wurde über die Veranstaltung berichtet. In Athen fand parallel, mit mehreren hundert Teilnehmenden eine ähnliche Konferenz statt.

Doch die Bilanz dieses allgemein runden Wochenendes sieht dürftig aus. Wer in den letzten Monaten eine Zeitung aufgeschlagen hat, wurde von den Analysen des mehr oder weniger krisenbedingten Rechtsrucks nicht überrascht. Das Fazit des Kongresses ist, dass es auch abseits der Neonazis viel zu tun gibt, der Dialog dazu wichtig und »Antifa-Feuerwehrpolitik« in vielen Konflikten nichts mehr bewirken kann.

Trotz allem Respekt für die Arbeit, die sich die Veranstalter hier gemacht haben, und in dem Wissen, dass es gerade für eine außerparlamentarische, nicht gerade fest organisierte Bewegung eine schwierige Aufgabe darstellt, einen internationalen Kongress auf die Beine zu stellen, ist doch zu fragen was konkret abgesprochen wurde um den vielen problematischen Entwicklungen in Europa zu begegnen. Dazu Fehlanzeige. Denn über die Bedingungen für Interventionsfähigkeit, nämlich die eigene verbindliche Organisierung, die das Hauptthema des letzten größeren Antifa-Kongresses (2001!) war, wurde überhaupt nicht gesprochen. Von einer bundesweiten und erst recht von einer internationalen Antifa Bewegung ist man weit entfernt, trotz partiell erfolgreicher Massenmobilisierungen und einiger persönlicher Kontakte in andere Städte und Länder. Versäumt wurde außerdem den eigentlich interessanteren Teil der Fragestellung, nämlich die Positionierung der Antifa in sozialen Fragen, mit Leben zu füllen. Auch gab es wenig zum Antifaschismus über dem eigenen Tellerrand: Antifa in gesellschaftlichen Strukturen, in Parteien, in Gewerkschaften, im Sport, in der Bildung usw.. Vom Credo »Assoziation und Kommunikation« und der eigenen Verortung innerhalb einer gesellschaftlichen Linken, das viele autonome Antifa Gruppen der 80er Jahre noch teilten, ist nur noch wenig zu spüren.