Europäische Geschichtsrevision
9. Juli 2014
Ein Schulbuch über die »Schrecken des Totalitarismus«
Als »Plattform für das Gedächtnis und das Gewissen Europas« bezeichnet sich gegenwärtig ein »Institut für die Erforschung totalitärer Regime« mit Sitz in Prag. Ausgehend von geschichtsverfälschenden Beschlüssen des Europarates und des Europaparlaments soll von dieser Institution aus zukünftig ein Geschichtsbild im Sinne der Totalitarismustheorie etabliert werden. Dieses Anliegen, das seit vielen Jahren von der CDU und weiteren Parteien der Europäischen Volkspartei (EVP) vorangetrieben wurde, wird mit viel Geld aus den Töpfen der Europäischen Union alimentiert. Nachdem man bislang die personelle Infrastruktur aufgebaut und geschichtspolitische Konferenzen abgehalten hat, wurde Ende 2013 ein »Lesebuch für Schüler höherer Klassen überall in Europa«, editiert von Gillian Purves unter dem Titel »Damit wir nicht vergessen – Erinnerungen an den Totalitarismus in Europa« in englischer und deutscher Sprache herausgebracht, das in großer Stückzahl u.a. den sächsischen Schulen kostenfrei übergeben wurde.
In einer Einleitung darf der Herausgeber des »Schwarzbuch Kommunismus« Stéphane Courtoise die »Erkenntnis« verbreiten, dass der Totalitarismus in Russland geboren sei. Von diesem Satz zu der extrem rechten These von Prof. Nolte, dass die Gulags die Voraussetzung für Auschwitz gewesen seien, ist es kein großer Schritt mehr. Und damit die Leser gleich wissen, wer der eigentliche Hauptfeind ist, findet sich auf den ersten Seiten eine Tabelle totalitärer und autoritärer Regime in Europa im 20. Jahrhundert. Sinnigerweise tauchen in dieser Tabelle weder Spanien, noch Portugal oder Italien auf, auch das Griechenland der Obristen-Herrschaft fehlt. Selbst Bulgarien wird erst ab 1941 aufgenommen. Dafür finden sich darin die baltischen Staaten, Polen und selbst die Ukraine als unter »kommunistischer Besetzung« wieder.
Der Aufbau des Buches, das grafisch sehr aufwändig gestaltet wurde, ist einheitlich dergestalt, dass am Beispiel von dreißig Persönlichkeiten Widerstand und nichtkonformes Verhalten nachgezeichnet werden soll. Dabei ist die Auswahl der Biographien bereits Programm. Für Ungarn beispielsweise stehen zwei Personen, die nur als »Freiheitskämpfer« gegen den Kommunismus galten. Widerstand gegen das Horthy-Regime kommt dagegen nicht vor. Für Polen wurden zwei Biographien von Kämpfern der »Heimatarmee« ausgewählt, die in der Zeit des Bürgerkrieges wegen Spionage bzw. Hochverrat verurteilt wurden. Mit Blick auf die Zielgruppe sächsischer Schulen wurde auch ein Porträt der Ärztin Margarete Blank in der Sammlung aufgenommen. Damit aber kein falsches Bild entsteht, heißt es extra in der Kurzbiographie, die SED habe Margarete Blank zu einer antifaschistischen Widerstandskämpferin stilisiert, »die sie nicht war. Sie war ein unabhängiger Mensch mit einer zutiefst humanen Grundeinstellung.« Wer behauptet, dass Antifaschist zu sein und eine zutiefst humane Grundeinstellung zu besitzen ein Widerspruch sei, macht deutlich, dass er ähnlich dem sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz den Begriff des Antifaschismus als denunziatorischen Kampfbegriff missbrauchen will. Und damit wird auch das Andenken z.B. einer Margarete Blank missbraucht.
Ergänzt werden die biographischen Texte durch kurze Einführungen zu den dargestellten Ländern und erläuternden Infokästen, die Begriffe klären sollen. Auch in diesen Teilen wird deutlich, wie durch Weglassen und Schwerpunktverschiebungen Verfälschung von Geschichte stattfindet. Auf einer beiliegenden DVD finden sich zusätzliche audiovisuelle Materialien, so dass mit diesem Buch im Unterricht gearbeitet werden kann. Denn genau auf diesen Einsatz zielt das Material. Es solle helfen, »über den Schrecken des Totalitarismus zu unterrichten«. Angesichts der gegenwärtigen Situation in der Lehrerausbildung, der fehlenden Mittel für angemessene Lehrbücher und dem ideologischen Druck auf die Lehrkräfte in den Schulen steht zu befürchten, dass dieser Ansatz zur Geschichtsrevision nicht ohne Wirkung bleibt.