Das Drumherum des NSU

geschrieben von Janka Kluge

18. Juli 2014

Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe in Netzwerke eingebettet?

 

Nachdem die beiden Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 4.11.2011 erschossen in einem Wohnmobil in Eisenach gefunden wurden, schienen die Morde des Nationalsozialisten Untergrunds (NSU) aufgeklärt zu sein. Trotz vieler offener Fragen geht die Bundesanwaltschaft bis heute davon aus, dass die Gruppe nur aus drei Personen bestand. Neben den beiden Toten zählt sie lediglich Beate Zschäpe dazu. Die anderen Angeklagten im Münchner NSU-Prozess stehen wegen Unterstützung und nicht wegen Mitgliedschaft vor Gericht. Doch es kommen immer mehr Zweifel auf, ob diese These zu halten ist.

Die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung lässt sich nicht so leicht nachweisen, wie etwa die in einem Sportverein. Es werden keine Mitgliederlisten geführt und keine Beiträge eingezogen. Trotzdem spricht einiges gegen die Annahme der Bundesanwaltschaft.

Die drei waren Größen in der Nazistruktur von Thüringen. Sie kamen aus der Jenaer Kameradschaftszene und waren aktiv in der Ostthüringer Anti-Antifa und im Thüringer Heimatschutz, einem Zusammenschluss Thüringer Nazigruppen. Nach der Durchsuchung einer Garage am 26.1.1998, die sie angemietet hatten, sind sie abgetaucht. Erst danach wurde ein Haftbefehl gegen sie ausgestellt. In der Garage wurde neben Sprengstoff und verschiedenen Nazischriften auch eine Adressliste gefunden. Diese Liste enthielt die Namen fast aller, die später als Kontaktpersonen und Unterstützer genannt wurden.

In den dreizehn Jahren bis zum November 2011 verübten sie mehrere Überfälle und mindestens zehn Morde. Sie waren in dieser ganzen Zeit nicht isoliert von den verschiedenen Nazistrukturen. Einen ersten Hinweis auf den NSU gab es schon 2002. In der neonazistischen Zeitung »Der weisse Wolf« stand im Vorwort der ersten Nummer: »Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen – der Kampf geht weiter.« Nach Hinweisen hat das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) die entsprechende Stelle in einem Heft im Archiv gefunden. Hier wird der Name des terroristischen NSU zum erstenmal, grammatikalisch richtig, genannt. Der Herausgeber schreibt außerdem in dem Vorwort: »»Wenn die Zeiten härter werden – muß der Kampf es auch werden. Unterstützt die Kameraden in Haft, im Rechtskampf, auf der Straße, bildet Netzwerke – nur vom Musikhören und Feiern kommt die Wende nicht« Unterzeichnet wurde das Vorwort von »Eihwaz«. Durch antifaschistische Hackerangriffe auf neonazistische Versandgeschäfte wurde offen gelegt, dass dieses Pseudonym von David Petereit benutzt wurde. Der heutige NPD-Landtagsabgeordnete in Mecklenburg-Vorpommern ist seit vielen Jahren eine zentrale Person im neonazistischen Netzwerk. Im Jahr 2000 meldete er die Internetpräsenz der Zeitschrift »Der Weisse Wolf« an. In der Zeitung werden oft Artikel über Bands aus dem Blood & Honour (B&H) Spektrum veröffentlicht. Diese neonazistische Organisation, die nach außen hin nur Konzerte organsierte, wurde im Jahr 2000 verboten. Mundlos und Böhnhardt hatten selbst enge Kontakte zu den sächsischen und thüringischen Blood & Honour Strukturen. Von ihnen wurden sie über Jahre unterstützt.

Thomas Richter gehörte ebenfalls zu den führenden Köpfen der Neonazistrukturen. Er gründete mehrere Internetportale. Die Zeitschrift »Der weisse Wolf« kam auf einem dieser Portale unter. Doch Thomas Richter war nicht nur ein aktiver Nazi, sondern arbeitete auch für den Verfassungsschutz. Zuerst wurde er vom baden-württembergischen Geheimdienst angeworben und später vom Bundesamt weiter geführt. Unter dem Decknamen Corelli gab er zwar Termine für Konzerte und Aufmärsche weiter, aber nichts über seinen Freund Uwe Mundlos, den er 1995 bei einem Nazi Konzert in Dresden kennengelernt hatte. Allein das Bundesamt für Verfassungsschutz soll ihm über die Jahre 180 000 Euro gezahlt haben, die er zu einem großen Teil in neonazistische Strukturen gesteckt hat. Nachdem Thomas Richter, alias Corelli, 2012 aufgeflogen ist, kam er in ein Zeugenschutzprogramm. Leider kann Thomas Richter beim Prozess in München nicht mehr aussagen. Er starb Anfang April an einer angeblich nicht erkannten Zuckerkrankheit. Eigenartig ist, dass ungefähr zur selben Zeit bekannt wurde, dass Thomas Richter eine DVD mit dem Titel NSU/NSDAP zusammengestellt hat. Diese DVD, die dem Hamburger Verfassungsschutz von einem anderen V-Mann übergeben wurde, stammt aus dem Jahr 2006. Also deutlich vor der Enttarnung des NSU.

Thomas Richter war auch einer der Gründer des Ku-Klux-Klans in Baden-Württemberg, bei dem auch Kollegen von Michele Kiesewetter mitgemacht haben. Es versteht sich fast von selbst, dass auch sein Name auch auf der Garagen-Liste stand. Nur ein engagierter Unterstützer?