Entschieden kämpferisch

geschrieben von Mathias Meyers

18. Juli 2014

Zum 100. Geburtstag des Antifaschisten Emil Carlebach

 

Am 10. Juli 1914 wurde Emil Carlebach in einer bürgerlichen jüdischen Familie in Frankfurt am Main geboren. Hier absolvierte er das Abitur, begann im Mai 1932 eine Lehre in einer Ledergroßhandlung und trat in den Zentralverband der Angestellten (ZdA) ein. Noch 1931 war er Mitglied im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) geworden.

Als politisch prägendes Erlebnis beschrieb Emil Carlebach den Justizmord am 23. August 1927 an den amerikanischen Arbeitern Nicola Sacco und Bartelomeo Vanzetti in Charlestown (USA). Emil Carlebach verfolgte den Schauprozess gegen die beiden anarchistischen Aktivisten der Arbeiterbewegung mit großer Aufmerksamkeit – er las alle Berichte der Korrespondentin Agnes Smedley in der Frankfurter Zeitung. Nach dem Gerichtsurteil gegen die beiden Streikführer wegen der angeblichen Beteiligung an einem Raubmord gab es weltweit Massendemonstrationen gegen die geplante Hinrichtung. Emil Carlebach erzählte stets, dass dieses Ereignis ihm – er war damals 13 Jahre alt – erstmals Kenntnis von der Arbeiterbewegung und deren internationaler Solidarität gab.

Schon vor der Machtübertragung an Adolf Hitler und die NSDAP war Emil Carlebach antifa-schis-tisch aktiv. Er gehörte zu denjenigen Gewerkschaftern, die der vorherrschenden Haltung, den drohenden Faschismus zu bagatellisieren, entgegentraten. Als Hitler am 1. Mai 1933 vom Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsverband als Reichskanzler eingeladen worden war, auf einer Berliner Kundgebung der Gewerkschaft zu sprechen, war Emil Carlebach mit seiner Gruppe in Frankfurt so gut organisiert, dass er im Radio die Hitlerrede anhörte und währenddessen ein Flugblatt dazu verfasste, in dem er die Demagogie Hitlers und dessen Pläne zur Zerschlagung des politischen Widerstandes im Lande benannte. Das Flugblatt wurde am Nachmittag von der kleinen Widerstandsgruppe vervielfältigt und noch in der gleichen Nacht in die Briefkästen verteilt.

Am 11. Januar 1934 wurde Emil Carlebach wegen der Herstellung und Verbreitung antifaschistischer Zeitungen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Nach der Haft wurde er 1937 in das Konzentrationslager Dachau verbracht und war ab 1938 bis zur Selbstbefreiung des KZ in Buchenwald inhaftiert. Unter den Bedingungen der Haft setzte er den Widerstand fort und war »Blockältester« in einer Baracke mit jüdischen Häftlingen. In der illegalen internationalen Widerstandsorganisation des Konzentrationslagers arbeitete er in verantwortlichen Positionen. Er gehörte zu den Häftlingen, die das Signal zum Aufstand am 4./5. April 1945 gaben und das Lager mit den befreiten Gefangenen und festgenommenen SS-Wachleuten am 11. April 1945 den heran rückenden amerikanischen Einheiten übergaben.

Emil Carlebach blieb mit der Erfahrung von elf Jahren faschistischer Haft überzeugter Antifaschist. Als solcher wurde er zum 1. August 1945 von den alliierten Behörden in der US-amerikanischen Besatzungszone zu einem der sieben Lizenzträger und zu einem der Chefredakteure der neu gegründeten Frankfurter Rundschau berufen. Er war Stadtverordneter der KPD in Frankfurt sowie Abgeordneter des hessischen Landtages.

Mit Beginn des Kalten Krieges wurde Emil Carlebach – wiederum auf Weisung der US-Behörden – bereits 1947 aus der Leitung der FR entfernt. Er war Mitbegründer der VVN und viele Jahre lang Vizepräsident des Internationalen Buchenwaldkomitees. Er verfasste acht Bücher, die sich vor allem mit den Wurzeln und den historisch wirksamen Auswirkungen des deutschen Faschismus beschäftigten. Er war darüber hinaus vielfach publizistisch aktiv, unter anderem als Chefredakteur der VVN-Wochenzeitung »die tat«.

Nach dem Verbot der KPD (1956) lebte Emil Carlebach mehr als zehn Jahre in der DDR um der drohenden Verfolgung und erneuten Inhaftierung in der BRD zu entgehen. 1969 kehrte er nach Frankfurt am Main zurück und war in verschiedenen Funktionen in der VVN-BdA, der DKP und der Deutschen Journalisten-Union (dju) tätig. Als Zeitzeuge und Buchautor besuchte er, so lange seine Kräfte es erlaubten, Veranstaltungen, las aus seinen Büchern und berichtete in Antifa-, Jugend- und Gewerkschaftsgruppen von der Kraft der Solidarität im Widerstandskampf.

Der Schwur der befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald blieb für den unbeugsamen Kommunisten Lebensmaxime. In einer kämpferischen Rede am 50. Jahrestag der Befreiung erinnerte er am 9. April 1995 auf dem Buchenwalder Appellplatz an diesen Schwur. An die anwesenden Überlebenden des KZ’s und die Teilnehmer der Kundgebung gewandt, forderte er: » … aber lasst nicht nach in Eurer Wachsamkeit. Lasst Euch durch schöne Worte nicht beruhigen. Unser Schwur gilt heute wie vor 50 Jahren: ›Für eine Welt des Friedens und der Freiheit‹. Zu Frieden und Freiheit aber gehört die Tradition des Kampfes gegen den Faschismus, gegen Antisemitismus, Rassenhass, Militarismus und Herrenmenschentum. In diesem Kampfe waren wir vereint, in diesem Kampfe bleiben wir vereint.«

Emil Carlebach starb am 9. April 2001 in Frankfurt am Main.