Der Sommer der Partisanen

geschrieben von Ulrich Schneider

15. September 2014

Eine Erinnerung an den bewaffneten Kampf gegen die deutschen Okkupanten

Die sich deutlich abzeichnende militärische Niederlage des deutschen Faschismus und seiner Verbündeten, die nicht nur im Vormarsch der anglo-amerikanischen Truppen in Italien und durch die Eröffnung der Zweiten Front mit der Invasion in der Normandie im Juni 1944 sichtbar wurde, sondern insbesondere auch im Vormarsch der sowjetischen Truppen an der Ostfront, führte im Sommer 1944 zu einem enormen Aufschwung der Partisanentätigkeit in den verschiedenen vom Faschismus okkupierten Ländern. Die Besatzungsmächte, die Wehrmacht, die SS oder Einsatzgruppen reagierten auf diese Zunahme mit verschärftem Terror, der sich in den berüchtigten Massakern von Oradour in Frankreich, von Distomo in Griechenland oder St‘Anna in Italien zeigte. Und diese drei Orte stehen nur exemplarisch für zahllose Verbrechen an der Zivilbevölkerung in den besetzten Ländern. Doch trotz oder gerade wegen des brutalen Vorgehens wurde der Partisanenkampf zu einer Massenbewegung, die in koordinierter militärischer Aktion begann, die Okkupanten anzugreifen. Im August 1944 spielten sich in diesem Rahmen drei herausragende Ereignisse ab. Am 1. August 1944 begann in Polen unter der Leitung der Armia Krajova (AK = Heimatarmee) die Erhebung in Warschau. Militärisch gesehen war der Zeitpunkt recht ungünstig, da sich die Truppen der sowjetischen Armee noch deutlich auf der östlichen Weichsel-Seite befanden. Als die Kämpfer der AK losschlugen, befanden sich die vorgerückten Spitzen der Roten Armee in ihrer Arrondierungsphase, d.h. sie warteten darauf, dass das Hauptkontingent der Einheit sich wieder mit ihnen vereinigen konnte. Diese Zeit des Stillstandes nutzten die faschistischen Einheiten, einen militärischen Gürtel aus starken SS-Einheiten zwischen die aufständischen Kräfte in der Stadt und die Truppen der Roten Armee zu legen. Der Widerstand der AK gegen die militärische Übermacht der deutschen Einheiten war heroisch, letztlich jedoch nicht erfolgreich. Am 3. Oktober 1944 mussten die Einheiten der AK kapitulieren. Die Bilanz war erschreckend: Mindestens 15.000 Kämpfer der AK kamen ums Leben. Durch Granatenbeschuss, Bombardierung und Strafaktionen der deutschen Truppen nach der Kapitulation wurden über 100.000 Zivilisten ermordet, die Stadt selbst fast vollständig zerstört. Bekanntlich begann die AK den Aufstand, ohne sich mit der sowjetischen Seite abzusprechen. Ziel der Kämpfer der AK war es, die Stadt Warschau vor den heranrückenden Einheiten der Roten Armee zu übernehmen und daraus einen Machtanspruch für die zukünftige Gestaltung Polens abzuleiten. Da sie scheiterten, erlebte das Land bis Ende der 40er Jahre massive innenpolitische Kämpfe, die bis in die heutige Zeit zu ideologischen Auseinandersetzungen führen. Während in Warschau gekämpft wurde, folgte Mitte August 1944 der Aufstand in Paris. Auch hier waren die Rahmenbedingungen vom Vormarsch der militärischen Einheiten der Alliierten bestimmt. Vor den Kämpfen organisierte die französische Résistance einen Generalstreik, der die Versorgung – auch der Okkupationskräfte – massiv beeinflusste. Am 19. August begannen die Kämpfer mit dem offenen Aufstand. Da die Hauptkräfte der faschistischen Truppen die Stadt bereits verlassen hatten, konnten kleinere Einheiten der Résistance durch Barrikaden, durch Angriffe auf Einrichtungen der Besatzer und durch Sabotage an Militärfahrzeugen und Transportinfrastruktur erfolgreich die Handlungsfähigkeit der deutschen Truppen behindern. Sie hatten den nach Paris vorstoßenden alliierten Verbänden nichts mehr entgegenzusetzen. Der Widerstand – an dem sich auch deutsche Antifaschisten in den Reihen der Résistance beteiligten– überzeugte den Stadtkommandanten Dietrich von Cholditz, Paris am 25. August 1944 den Truppen des »Freien Frankreichs« unter Jaques Philippe Leclerc, einem kommunistischen Résistance-Kämpfer, kampflos zu übergeben. Der Einzug der weiteren alliierten Verbände in Paris gestaltete sich in den folgenden Tagen unter dem Jubel der Bevölkerung zu einem wahren Triumphzug. Die Erinnerung an dieses Datum wird alljährlich unter großer Anteilnahme zelebriert. Vier Tage nach der Befreiung von Paris begann wiederum im südöstlichen Frontabschnitt ein weiterer Versuch, die eigene Heimat von der faschistischen Besatzungsmacht zu befreien, der Slowakische Nationalaufstand (SNP), über den bereits in der letzten Ausgabe der antifa berichtet wurde. Die Taten der Partisanen sind tief im kollektiven Gedächtnis der Völker verankert- als nationaler Beitrag zur Befreiung der eigenen Heimat vom Faschismus. Dass dies – wie das Beispiel des Warschauer Aufstandes zeigt – auch in Abgrenzung zur Hauptmacht der Anti-Hitler-Koalition geschehen konnte, schmälert nicht deren Bedeutung aus der Perspektive des europäischen Widerstandskampfes.