Mehr als ein Gedenkort

geschrieben von Erika Schwarz und Simone Steppan

6. November 2014

Zur künstlerischen Gestaltung der Mahn-und Gedenkstätte Ravensbrück

 

Vor 55 Jahren wurde die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück eingeweiht. Sie ist noch heute ein Zeugnis für Geschichts- und Traditionsverständnis, für die politische Kultur in der SBZ/DDR und ihre Gestaltung. Die Entstehungsgeschichte der Stätte in den Jahren von der Befreiung des größten Frauen-Konzentrationslagers des Dritten Reiches am 30. April 1945 bis zu ihrer Eröffnung am 12. September 1959 weist drei Etappen auf. Die erste von 1945 bis 1948 war durch den fortschreitenden Verfall des nicht von sowjetischen Truppen besetzten kleinen Areals vor der Lagermauer, der einstigen Haftstätte am Ufer des Schwedtsees gekennzeichnet. Der größte Teil des Geländes und seiner Baulichkeiten diente jedoch von 1945 an bis 1993 der Roten Armee.

Die zweite Etappe begann 1948 mit der Errichtung einer einfachen Gedächtnisstätte. Pläne sahen vor, das geschaffene »Provisorium« zu einem würdigen Gedenkort umzugestalten. Charakteristisch für die dritte Etappe von 1953 bis 1959 war die Erarbeitung und Verwirklichung eines unter zentraler staatlicher Leitung entstandenen Konzepts. Im Unterschied zu den früh geschaffenen Gedenkstätten in der BRD, die vorwiegend aus Grabmalen bestanden und erst später zu Museen gestaltet und durch Baulichkeiten ergänzt wurden, entschloss man sich in Ravensbrück ebenso wie in Buchenwald und Sachsenhausen, deren Gedenkstätten 1958 bzw. 1961 eröffnet wurden, für eine dominierende künstlerische Prägung. Es sollte mehr entstehen als nur ein Platz der Totenehrung. Bereits die Benennung der Gedenkstätte bezog die Mahnung für die Überlebenden und Nachkommenden ein.

Das Wirken der Künstler, die vor 55 Jahren mit ihren Arbeiten dem Ort eine bleibende Gestalt gaben, ein Äußeres, das dominierend blieb auch als sich die Gedenkanlage so weit ausdehnte, dass sie heute nahezu das gesamte ehemalige KZ-Gelände umfasst, verdient an diesem Jahrestag eine Erinnerung. Das Gremium setzte sich aus jungen, engagierten Menschen zusammen, die erst wenige Jahre zuvor ihr Studium beendet hatten. Zu ihnen gehörten u. a. die Architekten Ludwig Deiters, zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alt, Horst Kutzat (30), Kurt Tausendschön (27) sowie die Landschaftsgestalter Hubert Matthes (29) und Hugo Namslauer (31). Sie begannen mit den Entwürfen für den Aufbau der Gedenkstätte auf dem Ettersberg. Während eines Treffens ehemaliger Häftlinge im April 1955 stellte dann das »Buchenwaldkollektiv«, so die Bezeichnung der Gruppe, in der Stadt Fürstenberg auch seine Entwürfe für Ravensbrück vor. Darauf folgte die Hinzuziehung weiterer Künstler. Zu ihnen gehörte die Schriftstellerin Anna Seghers. Von ihr stammen jene beiden Sätze, die 1949 in deutscher, französischer und russischer Sprache auf Tafeln an der Lagermauer von Ravensbrück zu lesen waren: »Sie sind unser aller Mütter und Schwestern. Ihr könntet heute weder frei lernen, noch spielen, ja, Ihr wäret vielleicht gar nicht geboren, wenn solche Frauen nicht ihre zarten schmächtigen Körper wie stählerne Schutzschilder durch die ganze Zeit des faschistischen Terrors vor Euch und Eure Zukunft gestellt hätten«. Auf Vorschlag des Buchenwaldkollektivs wurde der Spruch in eine Stele am Eingang des künftigen Gedenkortes gemeißelt. Verwendet wurde dafür das Schriftbild des international bekannten Kunstschmieds Fritz Kühn (1910-1967), das er vordem schon für die Namensnennung der 20 Nationen an der Lagermauer entworfen und hergestellt hatte. Seiner Werkstatt in Berlin-Grünau entstammten auch weitere Elemente der Ravensbrücker Anlage, so die kupferne Feuerschale mit Stahlbock, die Treppen- und Podiumsgitter sowie die Brüstungsgitter am und im Museum, das im Zellenbau, dem KZ-Gefängnis, eingerichtet werden sollte, sowie drei Tore für das ehemalige und erhalten gebliebene Krematorium.

An den künstlerischen Arbeiten war auch der Bildhauer Will Lammert beteiligt, der, von den Faschisten verfolgt und emigriert, erst Ende Dezember 1951 aus dem Exil zurückgekehrt war. Er beabsichtigte, in das Zentrum des künftigen Gedenkortes eine Figurengruppe zu stellen, aus der eine lebensgroße Frauengestalt herausragen sollte Doch hat er, der seine Entwürfe immer wieder mit ehemaligen Häftlingen besprach, deren Verwirklichung nicht erlebt. Nach seinem unerwarteten Tod am 30. Oktober 1957, er wurde 65 Jahre alt, verpflichtete das Ministerium für Kultur die Bildhauer Hans Kies und Gerhard Thieme unter Anleitung von Fritz Cremer (1906-1993), einem Schüler Lammerts, die Arbeiten des Verstorbenen zu beenden. Das Ergebnis ihrer Arbeit, die vier Meter hohe Plastik, »Die Tragende«, errichtet auf einer in den Schwedtsee hineingesetzten »Insel« gilt den Besuchern noch heute als Symbol von Ravensbrück und als ein unverwechselbarer Platz des Gedenkens.