Erfolg auch der VVN-BdA

geschrieben von Ulrich Sander

1. September 2015

Vor 15 Jahren: Deutsche Zahlungen an Zwangsarbeiter werden beschlossen

 

Unser unvergessener Alfred Hausser, Gründer der Interessengemeinschaft ehemaliger Zwangsarbeiter unter dem NS-Regime und Ehrenpräsident der VVN-BdA, hatte sich schon seit Anfang der 80er Jahre unermüdlich des Problems der Entschädigung von Zwangsarbeitern angenommen. Er war selbst bei Bosch Zwangsarbeiter und hat am antifaschistischen Widerstand teilgenommen. Im August 2000 erhielt ich einen Anruf von ihm. Die von ihm vorgeschlagene Präambel wurde angenommen und soll das Gesetz zur Zwangsarbeiterentschädigung zieren. In der Präambel heißt es: »In Anerkennung, dass der nationalsozialistische Staat Sklaven- und Zwangsarbeitern durch Deportation, Inhaftierung, Ausbeutung bis hin zur Vernichtung durch Arbeit und durch eine Vielzahl weiterer Menschenrechtsverletzungen schweres Unrecht zugefügt hat, deutsche Unternehmen, die an dem nationalsozialistischen Unrecht beteiligt waren, historische Verantwortung tragen und ihr gerecht werden müssen«, bekenne sich der Deutsche Bundestag »zur politischen und moralischen Verantwortung für die Opfer des Nationalsozialismus.« Nach Anhörungen des Bundestages – erstmals wurden auch die Interessengemeinschaft ehemaliger Zwangsarbeiter und die VVN-BdA, vertreten durch Christoph Jetter, vom Bundestag angehört – kam es zur Beschlussfassung und auch die »Rechtssicherheit« wurde in den USA vereinbart.

Das Gesetz zur Schaffung der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« (EVZStiftG) sah vor: Je zur Hälfte finanziert von der Bundesrepublik Deutschland und einer Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen wird die Stiftung EVZ im Jahr 2000 mit einer Kapitalausstattung von zehn Milliarden DM (5,1 Mrd. Euro) gegründet. Sie begann jedoch erst ein Jahr später – die Unternehmer bekamen ihren Anteil nicht zusammen und zahlten erst, als der Staat ihnen die Steuern für ihren Anteil erließ – mit der Zahlung. Sie erfolgte in Zusammenarbeit mit sieben internationalen Partnerorganisationen mit individuellen Auszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und beendete diesen Teil ihrer Arbeit im Jahr 2007. Über 1,7 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter und andere NS-Opfer in 98 Ländern erhielten pauschalierte individuelle Einmalzahlungen bzw. wurden innerhalb zusätzlicher humanitär-medizinischer Programme berücksichtigt.

Nach 55 Jahren kam jedoch die ganze Anstrengung für viele, die zwischenzeitlich verstorben waren, zu spät. Ganze Gruppen ehemaliger Zwangsarbeiter, wie italienische Militärinternierte, sowjetische Kriegsgefangene, westeuropäische Zwangsarbeiter und solche, die nicht deportiert worden waren, blieben weitgehend ausgeschlossen. Derzeit befasst sich EVZ mit der Aufgabe, das restliche Geld für Aufklärungsprogramme und Jugendarbeit aufzuwenden.

Der Blick zurück zeigt ein Projekt, an dem die VVN-BdA einen guten Anteil hat, auch wenn sie nicht in Gremien der EVZ gewählt wurde und die offizielle EVZ-Geschichtsschreibung den Erfolgsanteil der VVN-BdA schmälert. Das größte Verdienst am Gelingen hatten allerdings jüdische Organisationen in den USA. Sie starteten Sammelklagen gegen die deutsche Industrie und ließen sich dabei von finanzkräftigen Unternehmen in den USA unterstützen, die eine Chance sahen, die deutsche Industrie vom US-Markt zu verdrängen. Man sagte: Die Deutschen haben Marktvorteile durch die Zwangsarbeit gehabt, die US-Amerikaner nicht. Das rief den Bundeskanzler Gerhard Schröder und den US-Präsidenten Bill Clinton auf den Plan. Clinton untersagte die Sammelklagen in den USA, aber er verpflichtete den Kanzler, für eine Lösung der Entschädigungsfrage in Deutschland zu sorgen.

Diese Lösung war die EVZ-Stiftung, und sie war natürlich keine Entschädigung. Die VVN-BdA hatte immer verlangt, dass eine Lohnnachzahlung an die Opfer und an die Familien der schon Verstorbenen erfolgt. Diese Lohnnachzahlung hätte weit über 180 Milliarden DM erfordert. Das errechnete Prof. Thomas Kusczynski aus Berlin in einem aufsehenerregenden Gutachten. Da aber keine große Solidaritätsbewegung in der deutschen Bevölkerung für ihre ehemaligen Kollegen geschaffen werden konnte, blieb der Druck zur Lohnnachzahlung aus.

Dass es überhaupt die nicht ausreichende Lösung gab, immerhin erst 55 Jahre zu spät, das lag auch daran, dass man das Zwei-plus-Vier-Abkommen von 1990 als Friedensvertrag mit Deutschland ansah. Auf der Londoner Schuldenkonferenz von 1953 war entschieden worden, dass Deutschland seine Schulden an die Sklavenarbeiter erst nach Abschluss eines solchen Vertrages zahlen muss.