Verfolgt und nicht vergessen

geschrieben von Gerald Netzl

3. November 2015

Eine CD-Edition mit Aufnahmen »entarteter« Musik

 

Mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 begann in Deutschland ein in der europäischen Kulturgeschichte einmaliger Versuch der Vernichtung künstlerischer und moralischer Werte in bis dahin unvorstellbarem Maße. Literatur, Wissenschaft, bildende Kunst und Musik in all ihren Ausprägungen fielen dem Rassenwahn vom einzig wertvollen »Ariertum« zum Opfer. »Schmutz und Schund« nannte Propagandaminister Goebbels die nun verbotenen Werke verfemter AutorInnen. Viele Namen sind deshalb der jüngeren Generation fremd oder werden nicht in Verbindung mit nationalsozialistischer Verfolgung gebracht. Bereits 1928 hatten Nazis und Nationalkonservative einen »Kampfbund für deutsche Kultur« geschaffen. Im November 1933 wurde die Reichskulturkammer mit ihren Einzelkammern für Literatur, Radio, Theater, Musik und Film gegründet. Die Mitgliedschaft war Pflicht für alle Berufsgruppen. Der Ausschluss oder die Verweigerung der Aufnahme (aus rassistischen oder politischen Gründen) kamen einem Berufsverbot für die KünstlerInnen gleich.

Forbidden but Not Forgotten / Verboten, Verfolgt, Aber Nicht Vergessen! CD-Box-Set, 10 CDs, 23,99 Euro

Forbidden but Not Forgotten / Verboten, Verfolgt, Aber Nicht Vergessen! CD-Box-Set, 10 CDs, 23,99 Euro

2015 erschien die CD-Box »Forbidden but not forgotten« mit insgesamt 175 Musikaufnahmen auf 10 CDs. Ein umfangreiches Booklet enthält kurze biographische und diskographische Angaben. Diese 10-CD-Box mit originalen »entarteten« Musikbeispielen vor und noch aus der Nazi-Zeit gliedert sich sehr übersichtlich in einzelne Sparten, was das Hören erleichtert, was in den einzelnen Bezeichnungen der Rubriken auch mal Stirnrunzeln hervorruft, weil man da die Anführungsstriche auch vermisst (Kulturbolschewismus, gefolgt von Kabarett/Chanson, Lockere Sitten, Die große Freiheit, Schlager und Film, (viel) Operette, Oper, Konzert).

Diese 10 CDs sind ein deprimierendes Kompendium an Namen und Persönlichkeiten, die im Dritten Reich nicht gelitten waren, umgebracht wurden oder doch noch gerade entkommen konnten. Weigert und Busch, Elisabeth Schumann und Lotte Lehmann, Tauber und Spoliansky, Strawinsky und Schulhoff, Schönberg und Mahler, Delia oder Max Reinhardt, Kipnis und Schorr, Jansen und Scheidl, Armbrust und Mira, Dietrich und Ebinger – eine Legion, deren Vernichtung (eben auch im öffentlichen Nachkriegsbewusstsein) ein akutes Ausbluten des deutschen und österreichischen Geistes- und Kunstlebens bedeutete.

Deshalb ist dieses 10-CD-Kompendium umso empfehlenswerter, weil es uns kursorisch an unsere reiche musikalische Vergangenheit erinnert und uns diese – gut aufgefächert – hörbar nahebringt. Für wohlfeile € 23,99 erhältlich.