Ein Name als Programm

geschrieben von Ulrich Schneider

4. Januar 2016

Der Aufbau – Verlag blickt auf 70 Jahre Verlagsgeschichte zurück

 

Am 16. August 2015 feierte der Berliner Aufbau-Verlag sein 70jähriges Bestehen. Dieser Verlag repräsentiert wie kein zweiter die antifaschistische Geschichte im deutschen Verlagswesen.

Auf Initiative von Johannes R. Becher, dem damaligen Präsidenten des »Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands«, gründeten vier Gesellschafter im August den Verlag, der im Herbst 1945 auch offiziell in das Eigentum des Kulturbundes überging. Anspruch war es, einerseits den Autorinnen und Autoren, die durch den Faschismus außer Landes getrieben worden waren, eine Möglichkeit der Veröffentlichung in Deutschland zu geben und andererseits mit der Herausgabe von demokratischer und fortschrittlicher Literatur zur antifaschistisch-demokratischen Erneuerung der Gesellschaft beizutragen.

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Kennzeichnend für das Programm waren unter den ersten Titeln Theodor Plieviers »Stalingrad«, Heinrich Heines »Deutschland – ein Wintermärchen« und Gedichte von Johannes R. Becher. Ende der 40er Jahre folgten Titel von antifaschistischen Autoren, die in Deutschland geblieben waren: Günther Weisenborn, Ernst Wiechert, Viktor Klemperer, Hans Fallada, Ernst Niekisch und Gerhard Hauptmann. Die Namen dieser Autoren machen deutlich, dass man sich von Anfang an bemühte, einen breiteren literarisch-antifaschistischen Ansatz zu präsentieren, auch wenn natürlich linke Autoren in der Mehrzahl waren. Der Aufbau Verlag bemühte sich auch um Westemigranten, wie Ernst Bloch, Wieland Herzfelde, Heinrich Mann, Ludwig Renn, Anna Seghers, später auch Bertolt Brecht. Ihnen, die oftmals im Westen einen »frostigen« Empfang erlebten, bot der Aufbau Verlag eine Möglichkeit, ihren Beitrag zum demokratischen Neuanfang zu leisten.

Die Verlagstätigkeit in den ersten Jahren war sehr schwer. Zuerst ging es um die Druckfreigabe der Besatzungsmacht, die jedoch dem Verlag schon bald viele Freiheiten gab. Dazu kamen politische Einflussnahmen durch die SED, wobei der Verlag – bei allen Eingriffen und Zensurmaßnahmen – immer versuchte, seine grundsätzliche Programmlinie, die dem politischen Anliegen des Kulturbundes verpflichtet war, beizubehalten. Und in den ersten Jahren kam noch die Ressourcen-Knappheit (Begrenzungen der Papiermengen) hinzu. Dennoch konnte der Verlag schon in den ersten Jahren Auflagen von über 50.000 Exemplaren auf den Markt bringen.

Die ideologischen Auseinandersetzungen in der DDR in den 50er und Anfang der 60er Jahre machten um den Aufbau Verlag keinen Bogen. Die Verhaftung und Verurteilung des damaligen Verlagsleiters Walter Janka, die Verdrängung von verdienten Mitarbeitern aus ihren Stellen, auch das Makulieren von bereits gedruckten Werken, schränkte die Tätigkeit des Verlages immer wieder ein. Hinzukam die Ost-West-Konfrontation, die den Umgang mit literarischen Rechten in nicht unerheblichem Maße beeinflusste. So war es bis Ende der 60er Jahre schwer, Lizenzrechte für amerikanische, englische oder französische Autoren zu bekommen, obwohl der Verlag schon in den 50er Jahren Halldór Laxness, Ernest Hemingway und Jean-Paul Sartre veröffentlichte. Umso umfangreicher erschloss der Verlag für das deutschsprachige Publikum russische bzw. sowjetische Literatur und setzte dabei Maßstäbe, wie mit der 20bändigen Dostojewski-Ausgabe oder dem großen Erfolg von Maxim Gorkis »Mutter«.

Carsten Wurm, GESTERN – HEUTE –AUFBAU, 70 Jahre Aufbau Verlag 1945 – 2015, 256 S., Berlin 2015

Carsten Wurm, GESTERN – HEUTE –AUFBAU, 70 Jahre Aufbau Verlag 1945 – 2015, 256 S., Berlin 2015

Der weitere Weg des Verlages ist mit Autoren wie Erwin Strittmatter, Irmtraud Morgner, Christa Wolf, Günter Kuhnert, Sarah Kirsch, Christoph Hein und Stephan Hermlin verbunden. Damit war klar, dass der Streit um die Ausbürgerung von Wolf Biermann nicht ohne Auswirkungen auf den Verlag bleiben konnte. Aber auch in diesem Fall gelang es, neben den politischen Vorgaben eine breitere Diskussion zu erhalten.

Die größte Herausforderung in seiner 70jährigen Geschichte wurde für den Verlag die Überführung in die kapitalistische Ordnung der BRD. Zum einen sahen verschiedene Konkurrenten die Möglichkeit, sich die Rechte an »Erfolgsautoren« zu sichern. Der Vertriebsweg und das literarische Interesse, das in der DDR staatlich gestützt war, mussten neu entwickelt werden und der Streit mit der Treuhand um die Eigentumsverhältnisse beschäftigte viele Jahre die Gerichte. All dies hat der Verlag – mit mancherlei Blessuren und Einschränkungen – überstanden und kann im 70. Jahr des Bestehens auf ein anspruchsvolles Programm, das seine historischen Wurzeln und politischen Grundpositionen aus dem Antifaschismus nicht leugnet, blicken.

Zum Jubiläum sprach man daher von einer guten Mischung aus Tradition und Aufbruch, wofür man dem Verlag und seinen Mitarbeitenden viel Erfolg wünschen kann.