Der Pfad des Rückschritts

geschrieben von Zan Debevec

4. Mai 2016

Eine kurze Darstellung der internationalen »eurasischen Bewegung«

In Zeiten, da der alte Kontinent einen signifikanten Aufstieg von rechtsgerichteten Parteien mit ihrer Anti-Flüchtlings-Rhetorik erfährt, die derjenigen faschistischer Parteien recht nahe kommt, gibt es eine selbsternannte antikapitalistische Stimme aus Moskau namens Alexander Dugin, die Parteien wie den Front National, Jobbik oder die AfD unterstützt. Dugin wurde von Foreign Affairs, dem führenden US-amerikanischen Magazin für außenpolitische Analysen, als »Putins Gehirn« tituliert und vom VICE-Magazin als »Zizeks böser Bruder«.

 Dugin und der Eurasismus

Dugin ist 54 Jahre alt, politisch engagiert und ein soziologischer und geopolitischer Denker. Eingebunden in nationalistische (Pamjat), faschistische (Nationalbolschewistische Partei), kommunistische (Kommunistische Partei) und esoterische Zirkel, welche er einen nach dem anderen wieder verließ, begann er Mitte der 90er Jahre seine Tätigkeit in der Duma. Er neigt nach eigener Aussage weder Faschismus noch Nazismus noch Traditionalismus zu und sieht sich selbst als jenseits von rechts und links stehend. Sein 2009 veröffentlichtes Werk »Die vierte politische Theorie« ist der Versuch, Raum für eine neue konservativ-revolutionäre Politik und Praxis zu schaffen.

Nach einer erfolglosen Kandidatur für die Duma 2002 wandelte er die Eurasische Partei in eine NGO namens Internationale Eurasische Bewegung (MED) um. Während die Partei hauptsächlich aus zivilgesellschaftlichen Akteuren bestand, verfügt die NGO über eindeutige Verbindungen zu Parlament und Regierung.

Dugin versteht die eurasische Bewegung als antikapitalistisch und gegen die Globalisierung gerichtet, aber ich kann in keiner Weise behaupten, dass er ein fortschrittlicher Denker sei. Er würde auch behaupten, seine Gedanken seien antirassistisch, aber statt von Multikulturalismus spricht er von Multipolarität, einer Idee, die mit dem rechtsextremen Autor Carl Schnitt verbunden ist. Dessen 1954 erschienenes Buch »Land und Meer« erklärt die Weltgeschichte als eine ewige Schlacht zwischen den Mächten des Meeres und des Festlands.

Dugins Pfad, so sehr er sich auch bemüht, nicht als Traditionalist gesehen zu werden, ist der Pfad des Rückschritts. Der gegenwärtige Zustand der Dinge funktioniere nicht, und es ist sein Plan, zu einem »organischen Zustand der Nationen« zurückzufinden, z.B. zu Nazi-Deutschland, zum faschistischen Italien, zum indischen Kastensystem oder zu Russland unter Stalin. Jegliche Gedanken, die von den lokalen Traditionen abweichen (wie z.B. Frauenrechte oder Homosexuellenrechte), werden als Perversion oder als »atlantizistische Ideologie« gesehen. Seine ultimative Vision sieht die Welt unterteilt in übernationale »Zivilisationen« (er zählt zwölf relevante), welche jede ihre traditionellen Werte verteidigt. Aber es gibt eine Ausnahme.

 Der ewige Feind

Diese Ausnahme wird als »atlantizistische Zivilisation« bezeichnet, der liberale Westen oder die USA, die nach weltweiter Hegemonie streben und ihre liberalen Werte und kapitalistische Ordnung dem Rest der Welt aufzwingen wollen. In seinem Werk kommt Dugin immer wieder darauf zurück und gibt dem Liberalismus die Schuld für jedes Problem einer jeden Gruppe. »Der Amerikaner« verkörpert buchstäblich den Feind in gleicher Weise, wie »der Jude« als Bedrohung in Nazi-Deutschland dargestellt wurde oder »der Flüchtling« im heutigen Europa. Den Amerikanern wird eine Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft unterstellt; sie seien verantwortlich für die Zerstörung unseres (kulturellen) Erbes und den allgemeinen kulturellen Verfall.

Dugins ideale Welt bestünde aus zwölf verschiedenen Zivilisationen, von denen sich elf zu einer Allianz zusammenschließen – in einem apokalyptischen und nie endenden Kampf gegen den liberalen Westen. Diese Zivilisationen sollten einen streng hierarchischen Großraum bilden, welcher über alle strategische Ressourcen, über Moral und Ethik verfügt, während die individuelle Freiheit in nicht-strategischen Bereichen gewahrt bleibt.

In seinem Buch »Putin vs. Putin« von 2014 verherrlicht Dugin die »autoritären Tendenzen« des russischen Präsidenten, die »Einschränkung der Redefreiheit« und andere Maßnahmen, mit denen Putin Gegner bekämpft. Im eurasischen Manifest liest sich das so: »Wir werden für den Präsidenten sein, inbrünstig, radikal, bis zum Ende, kleinen Ungenauigkeiten keine Beachtung schenken und alle Härten und Schwierigkeiten akzeptieren.«

Die Anziehungskraft von Dugins »Faschismus ohne Rassismus« und die Tatsache, dass er zu Kampf gegen den Kapitalismus bereit ist, stellt eine Gefahr für linke Aktivisten dar. Es gibt einen großen Unterschied zwischen einer Distanzierung von den USA aufgrund ihrer neokolonialen Aktivitäten etc. und einer vollständigen Abwendung von, bzw. einer Kriegserklärung an das »böse Amerika«. Mein Rat ist, Dugins Werk sorgfältig zu lesen, bevor man es sich zu eigen macht. Es ist nicht nur problematisch, sondern auch unglaublich widersprüchlich und vage.