Die Anti-AfD-Kampagne

7. Mai 2016

Ein Gespräch mit VVN-BdA-Bundesgeschäftsführer Thomas Willms

 

antifa: Im Februar hat der Bundesausschuss der VVN-BdA beschlossen, sich an der Anti-AfD-Kampagne »Aufstehen gegen Rassismus« zu beteiligen, die verschiedene Organisationen gemeinsam organisieren. Welche Gründe sprachen dafür?

Thomas Willms: Unmittelbarer Anlass war die Befürchtung, dass die AfD bei den Landtagswahlen im März große Erfolge erzielen würde, die sich noch stärker bewahrheiten sollte, als ohnehin schon angenommen. Der tiefere Grund ist aber, dass wir in diesen Monaten eine Zäsur erleben, wie es sie in der Nachkriegsgeschichte noch nicht viele gab. Das uns seit langem bekannte Potential von 15 bis 20 Prozent Wählerinnen und Wählern mit einem extrem rechten Weltbild handelt nun zum ersten Mal flächendeckend entsprechend ihrer Einstellung. Es geht dabei um das Wahlverhalten, aber auch um das Hinterherlaufen bei Pegida, das aggressive Auftreten in den sozialen Medien und überhaupt in der Öffentlichkeit. Das ist ein echter Dammbruch. Wir müssen wenigstens versuchen, die AfD wieder hinter die »rote Linie« zurückzudrängen, wohin sie zusammen mit der NPD und anderen Neonazis gehört.

Kreativ gegen die AfD. Hier in Berlin gegen einen Landesparteitag.

Kreativ gegen die AfD. Hier in Berlin gegen einen Landesparteitag.

antifa: Am 16. März trat das Bündnis mit seinem Aufruf an die Öffentlichkeit, seitdem arbeitest du für die VVN im Kampagnenstab mit. Wer sind dort deine Partner und wie muss man sich die Arbeit in einem solchen Gremium vorstellen?

Thomas Willms: Es gibt ein politisches Gremium (Ko-Kreis) und die sogenannten Kampagnengruppe, in der ich mitarbeite. Diese besteht im Kern aus Aktivisten von politischen Jugendverbänden, aber auch jüngeren Leuten aus allen möglichen Initiativen, die sich für die eine oder andere Aufgabe engagieren. Ich bin im Schnitt wahrhaftig 20 Jahre älter als alle anderen. Die Leute sind hochgradig engagiert, kreativ und dauernd damit beschäftigt, noch mehr Kohlen in die Glut zu werfen. Es werden in hohem Maße die technischen Möglichkeiten von Datenbanken usw. genutzt. Es wird sehr viel und schnell kommuniziert, wodurch viele Probleme in rasender Eile – »unter rollendem Rad« – gelöst werden. Das war mir, ehrlich gesagt, anfangs ein bisschen unheimlich. Es hat sich aber gezeigt, dass bislang alles auch funktioniert hat, was man sich vorgenommen hatte. Persönlich gefällt mir am meisten, dass ich ganz tolle Leute kennenlerne, mit denen man problemlos zusammenarbeiten kann. Bei allem Stress macht das auch viel Spaß.

 antifa: Die Kampagne heißt »Aufstehen gegen Rassismus«, aber die AfD vertritt ja nicht nur rassistische sondern auch demokratiefeindliche und extrem neoliberale Positionen. Warum diese Einengung?

Thomas Willms: Die Kampagne ist ja ein Bündnisprojekt, in das wir erst eingestiegen sind, als gewisse Grundlagen schon feststanden. Es ist nicht verwunderlich, dass es auch unterschiedliche Sichtweisen darauf gibt, was eigentlich das Problem an der AfD ist. Ich selbst nehme Ernst , was im Parteiprogrammentwurf der AfD nachzulesen ist. Demnach will die Partei im Grunde eine andere Republik: rechtsautoritär im Inneren und nationalistisch-militaristisch nach außen. Man wird genau beobachten müssen, ob sich die AfD als Hybridpartei mit ihren verschiedenen Strömungen und Schattierungen noch weiter nach Rechts orientieren wird.

Pressefoto von der Kampagnenvorstellung

Pressefoto von der Kampagnenvorstellung

antifa: Die VVN-BdA hat mit ihren nonpd-Kampagnen viele Erfahrungen gesammelt. Lassen sich die für die neue Kampagne nutzen?

Thomas Willms: Durch »nonpd« haben wir ein geschärftes Bewusstsein dafür, was eigentlich eine Kampagne ist. Man braucht konkrete Zielstellungen, eine inhaltliche Zuspitzung, Offenheit für Partner, aber auch die Bereitschaft zur harten politischen Auseinandersetzung mit dem Gegner. Das sind für mich ganz wichtige Erfahrungen, die ich in unsere Diskussionen einfließen lasse. Man sollte auch nicht vergessen, dass überhaupt »bundesweit« zu denken nicht selbstverständlich ist.

antifa: Was hat die VVN-BdA denn bislang konkret beigetragen?

Thomas Willms: In dieser Anfangsphase haben wir die Ressourcen unseres Berliner Büros voll eingesetzt, also Arbeitszeit, Lagerraum, Kontakte vermitteln usw.. Als juristische Person haben wir für die Homepage und das Massenmaterial die Verantwortung übernommen. Unsere Berliner Mitglieder haben den postalischen Massenversand für die Aktionskonferenz durchgeführt (140.000 Flyer und 5.000 Plakate) und unsere Frankfurter engagieren sich bei der Konferenz selbst in vielfältiger Weise. Nicht zuletzt haben wir 2.000 Euro in den Vertrieb gesteckt. Wir haben also einiges von dem geleistet was zu einer Kampagne dazu gehört.

Was mich am meisten beeindruckt hat, war eine Telefonaktion, die Ehrenamtliche für die Kampagne durchgeführt haben. Das ist im Grunde eine Art Call-Center, aber für eine gute Sache. Wir rufen dann eben die 2.000 Leute an, hieß es. Ganz so viele sind es dann doch nicht geworden, aber das ist sicher eine Arbeit, bei der noch viele von uns mitmachen können.

antifa: Plant das Bündnis zentrale Aktionen oder geht es auch um die Unterstützung bereits vorhandener Bündnisse vor Ort?

Thomas Willms: Es geht um beides. Die AfD ist ja ein bundesweites Problem, weshalb auch auf dieser Ebene etwas geschehen muss. Diskutiert wird zur Zeit ein Aktionswochenende in Berlin um den 3. September herum, also zwei Wochen vor den Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Andererseits wollen wir lokale Initiativen unterstützen oder die Gründung solcher ermöglichen.

antifa: Welche konkreten Beiträge kann die VVN-BdA mit ihren Mitgliedern in den Orts- und Kreisvereinigungen in die Kampagne einbringen? Sind Vernetzungen mit anderen an dem Bündnis beteiligten Organisationen auch vor Ort geplant?

Thomas Willms: Es wird mehrere Kampagnenbausteine geben. Das schon erwähnte Großevent, die Stammtischkämpfer_innen-Ausbildung, die Recherche über das Personal der AfD mit anschließender politischer Verwertung und die Vernetzungsstruktur »von der lokalen Initiative zur bundesweiten Kampagne«. In all das können und sollten sich unsere Kreisvereinigungen und Mitglieder nach ihren Möglichkeiten einbringen. Ich hoffe darauf, dass sich in diesem Zuge politische Beziehungen vor Ort revitalisieren lassen und sich insbesondere von der AfD akut Abgenervte einbinden lassen. Wer Erfahrungen in der Erwachsenenbildung hat oder sich für das Thema besonders interessiert, sollte sich bereit halten, im Sommer an einer Teamer-Ausbildung teilzunehmen und fortan »Stammtischkämpfer« auszubilden. Unseren Kreisvereinigungen und Aktivisten steht es gut an, die Initiative zur Gründung lokaler Aktionsgruppen »Aufstehen gegen Rechts« zu ergreifen oder bei diesen mitzumachen.

antifa: Auf der Aktionskonferenz am 24. April wirst du den Arbeitskreis »Ausbildung von Stammtischkämpferinnen gegen die AfD« leiten. Worum geht es da?

Thomas Willms: Es heißt immer, dass dies das Herz der Kampagne sei. Unsere Gesellschaft hat sich ja in den letzten Monaten unerhört polarisiert. Das geht quer durch die Belegschaften, Familien und Freundeskreise. Wir haben ein Konzept zur Schulung von sogenannten »Stammtischkämpfern« entwickelt, das auf bereits bewährten Vorgehensweisen aufbaut. Der Unterschied ist, dass wir das in großem Maßstab aufziehen wollen – 10.000 Personen innerhalb eines Jahres – und dass wir es in eine Kampagne einbinden wollen. Man soll nicht nur für sich selbst etwas lernen, sondern auch mit anderen Verabredungen treffen können. Aus dem quantitativen Unterschied soll also ein qualitativer werden. Das muss aber alles erstmal organisiert werden. Dass die Organisation von all dem noch nicht zu Ende durchdacht ist, versuche ich gelassen zu nehmen. Wir werden das schon schaffen, wie alles andere auch.

antifa: Wer ist mein Ansprechpartner, wenn ich mich als VVN-Mitglied an der Kampagne beteiligen möchte?

Thomas Willms: Man sollte sich zunächst auf der Kampagnenseite www.aufstehen-gegen-rassismus.de registrieren und angeben, dass man vor Ort aktiv werden möchte. Damit kommt man in die berühmte Kampagnen-Datenbank und kann damit rechnen, angeschrieben oder angerufen zu werden. Ansonsten bitte Augen und Ohren aufhalten, sobald das Stichwort »Aufstehen gegen Rassismus« fällt.

Das Gespräch führte Regina Girod.