Bündnis mit dem »Feind«

geschrieben von Heinrich Fink

7. September 2016

Ausstellung über die weltweite Bewegung »Freies Deutschland«

Unter dem Titel »Deutschland muss leben, deshalb muss Hitler fallen« findet in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand noch bis zum 31. Juli eine Ausstellung zur weltweiten Bewegung »Freies Deutschland« statt. Sie wurde gemeinsam von der VVN-BdA und der Gedenkstätte erarbeitet.
Es ist dem Gedenkstättenleiter, Prof. Dr. Johannes Tuchel, zu danken, dass er die bereits 1995 von der DRAFD erarbeitete Ausstellung noch einmal präsentiert, nun überarbeitet und in einem neuen Design.Die Ausstellung stellt ausgewählte Biographien und Aktivitäten des »Nationalkomitees Freies Deutschland« (NKFD) vor, das am 12./13. Juli 1943 in Sagorsk bei Moskau in der Sowjetunion gegründet wurde. Es folgten Bewegungen »Freies Deutschland« in europäischen Ländern wie Schweden, Griechenland, Schweiz und Frankreich. Bereits 1942, also noch vor der Gründung des NKFD in der Sowjetunion, entstand in Mexiko eine solche Bewegung.
Auf einzelnen Tafeln sind die Aktivitäten in diesen Ländern und die Biographien der Aktivisten sowie die Zusammenarbeit mit den Widerstandskämpfern in den jeweiligen Ländern beschrieben. In seiner Begrüßung deutete Tuchel die Probleme an, die es um die Präsentation der Ausstellung in »Westberlin« gab. Dabei spielten die Gründung in Moskau, die Unterstützung durch die KPD und die Zusammenarbeit mit der Roten Armee eine Rolle. Da die Ausstellung jedoch eine gute und auf exakter historischer Forschung über das Nationalkomitee erarbeitete ist, sind die Einwände heute ausgeräumt.
Interessant sind die Aktivitäten des Komitees und der Bewegung auf den Punkt gebracht. Die Herausgabe einer Wochenzeitung »Freies Deutschland«, einer Illustrierten und der wohl bekannteste Radiosender »Freies Deutschland« mit gegen den Krieg gerichteten Beiträgen wirkten aufklärend, denn deutsche Emigranten informierten rund um die Uhr in deutscher Sprache über die deutsche Armee und den Verlauf des Krieges. Es wurde auch zum Überlaufen ermutigt. Ein großer Erfolg war, dass sich Generalleutnant Vincent Müller am 18. Juli 1944 freiwillig in Gefangenschaft begab und ihm am 22. Juli 1944 siebzehn Generäle folgten. Am 18. August 1944 gab der Oberbefehlshaber der Stalingrader Armee, Feldmarschall Paulus, seinen Kampf mit dem Überlaufen zur Roten Armee auf und trat dem NKFD bei.
Die deutschen Antifaschisten sahen dies als Erfolg ihrer Arbeit an. Sie saßen unter anderem Tag und Nacht in kleinen Fliegern und klärten die deutschen Soldaten über die Kriegslage auf. Viele Mitglieder der späteren DRAFD kämpften in der Roten Armee, z.B. Konrad Wolf, Stefan Doernberg, Hanna Podymachina-Bernstein und Moritz Mebel. Sie alle habe ihr ganzes Leben als Berichterstatter und Zeitzeugen über ihre Erfahrungen und Beweggründe berichtet, die VVN-BdA verdankt ihnen viel.
Einige der Tafeln geben auch einen kleinen Einblick in die Kulturarbeit des NKFD. Nach den einführenden Worten von Johannes Tuchel sprach André Lohmar, als Emigrantenkind in Frankreich geboren, über die Einflüsse und Wirkungen der Bewegung »Freies Deutschland, z.B. in Mexiko. Unter dem Einfluss von Anna Seghers, Walter Janka, Egon Erwin Kisch und Ludwig Renn entstand dort unter der Leitung von Janka ein Verlag, der 20 Bücher herausgab.
Für mich besonders wichtig ist die Tafel über die Arbeit der Bewegung Freies Deutschland in der Schweiz, z.B. die Hilfe des bekannten Theologen Karl Barth und seiner Mitarbeiterin Charlotte von Kirschbaum für die kommunistischen Emigranten in der Schweiz, über ihre ständigen Besuche in den Gefängnissen, ihren Einfluss und ihre Verbindung zur Bekennenden Kirche in Deutschland und ihre Vorbereitung auf ein neues Deutschland nach der Kapitulation. Ihre Überzeugung war, ein neues Deutschland muss eine große Koalition von Antifaschisten sein. Daran wird man erkennen, ob die Deutschen aus dem Krieg gelernt haben.
André Lohmar betonte in seinem Vortrag: »Nach wie vor, und das in wachsender Zahl, gibt es auch heute wieder in unserem Land Exilanten. Ursachen hierfür sind Kriege, Verfolgung Andersdenkender, Außerkraftsetzung demokratischer Grundsätze und große wirtschaftliche Notlagen in zahlreichen Regionen der Welt. Die kritische Befragung der Vergangenheit kann hilfreich sein, damit nicht Irrwege mit ihren tragischen Folgen erneut beschritten werden.
Deshalb ist es für unsere Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und für den Bund der Antifaschisten und Antifaschistinnen ein Gebot der Stunde, sich gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, gegen Verherrlichung von Gewalt und Brutalität, gegen Tolerierung nationalistischer Umtriebe und auch gegen großmachtchauvinistische Manifestationen zu wenden.«
Die Ausstellung ist eine gute Information aus der Vergangenheit für die Gegenwart. Ein Katalog ist in Arbeit.