Keine »soziale Heimatpartei«

geschrieben von Gerald Netzl, Wien

27. November 2016

Ein kritischer Blick in das Programm der FPÖ für Österreich

Der Aufstieg der FPÖ begann 1986 mit der Wahl Jörg Haiders zum Bundesparteiobmann, seither durchlebten die Freiheitlichen Höhen und Tiefen. Aktuell sehen Umfragen sie bundesweit klar auf Platz 1. Grund genug, ihr Programm genauer anzusehen.
Die FPÖ möchte den Faktor Arbeit über eine Senkung der Lohnnebenkosten entlasten. Welche Lohnnebenkosten sie damit genau meint, lässt sie offen. Es darf spekuliert werden, ob damit der Dienstgeberanteil zur Sozialversicherung (Arbeiter 21,7 % und Angestellte 21,83 % vom Bruttobezug) – dazu zählen die Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung – oder der IESG-Zuschlag (Zuschlag zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz), die Arbeiterkammerumlage und der Wohnbauförderungsbeitrag, die Kommunalsteuer (Gemeindeabgabe in Höhe von 3 % vom Bruttobezug), der Beitrag zur Mitarbeitervorsorgekasse (1,53 % vom Bruttobezug), der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds (kurz DB genannt: 4,5 % vom Bruttobezug) oder der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (kurz DZ genannt: je nach Bundesland zwischen 0,36 % und 0,44 %) gemeint ist. Egal um welche Kosten es der FPÖ genau geht, wer Lohnnebenkosten für den Dienstgeber kürzt, streicht damit Sozialleistungen für Beschäftigte.
Die FPÖ lehnt die Mindestsicherung (Grundsicherung) klar ab, weil diese ihrer Meinung nach eine grob ungerechte Form der Umverteilung darstelle und Zuwanderung von ausschließlich an unseren Sozialleistungen interessierten Personen provoziere. Sozialminister Alois Stöger stellte für die SPÖ klar: »Jeder, der einen rechtmäßigen Aufenthalt hat, muss sozial abgesichert werden.«
Die FPÖ tritt für eine eigene Sozialversicherung für AusländerInnen ein. Diese Forderung ist nicht nur unsozial sondern auch unökonomisch. Denn MigrantInnen sind sogenannte NettozahlerInnen in der Sozialversicherung. Sie zahlen schon alleine aufgrund ihrer Altersstruktur mehr ein, als sie an Leistungen in Anspruch nehmen. Sie bleiben unterdurchschnittlich lang arbeitslos und nehmen auch die Mindestsicherung seltener in Anspruch als ÖsterreicherInnen. Die eigene »Ausländersozialversicherung« ist daher aus ökonomischer Sicht unsinnig und würde lediglich unnötige Verwaltungskosten produzieren. Es ist naheliegend, dass es der FPÖ bei dieser Forderung nicht um Kosten geht, sondern darum, Sozialleistungen für AusländerInnen einzuschränken also um eine Art Apartheidsystem in der Sozialversicherung.
Die FPÖ fordert eine Anhebung der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze auf 1.000 Euro. Die Umsetzung dieser Forderung würde bedeuten, dass Teilzeitbeschäftigte, die weniger als 1.000 Euro verdienen, nicht mehr sozialversichert sind. Zu den sozialen Problemen, die das verursachen würde, gingen dadurch auch der Sozialversicherung wichtige Einnahmen verloren.
Die FPÖ fordert eine Ausweitung der Nichtbesteuerung von Überstundenzuschlägen, weil sie die »Fleißigen und Tüchtigen« fördern wolle. In Zeiten steigender Arbeitslosigkeit neue Anreize für mehr Überstunden zu schaffen, ist kontraproduktiv.
Die FPÖ möchte neben Kinderbetreuung auch sonstige haushaltsnahe Dienstleistungen bis zu einer Obergrenze von 3.000 Euro steuerlich absetzbar machen. Schon jetzt nutzt die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten nur Gutverdienenden. Was daran sozial sein soll, wenn Gutverdiener in Zukunft nicht nur die Leihoma, sondern auch die Putzfrau von der Steuer absetzen können, ist nicht erklärbar. Es ist weitaus sinnvoller die Mittel, die das kosten würde, in den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen zu investieren.
Die FPÖ bekennt sich zum Familiensplitting bei der Einkommenssteuer. Was sie nicht dazu sagt ist, wie sie den dadurch entstandenen Einnahmenausfall bei der Einkommenssteuer kompensieren möchte. Aus sozialen Gesichtspunkten betrachtet ist ein Familiensplitting auch deshalb problematisch, weil es besonders wohlhabenden Haushalten nutzen würde, in denen nur einer (i. d. R. der Mann) verdient. Familiensplitting setzt zudem negative Anreize für Frauenerwerbsarbeit.
Die FPÖ ist gegen eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-jährigen. Warum eine Partei, die sich damit brüstet, sich für die »kleinen Leute« einzusetzen, gleichzeitig verhindert, dass deren Kinder bessere Bildungschancen bekommen, lässt sich schwer erklären.
AusländerInnen die arbeitslos werden, sollen ihre Aufenthaltserlaubnis und Beschäftigungsbewilligung verlieren. Das würde sie für den Arbeitgeber völlig erpressbar machen und Lohndumping Tür und Tor öffnen.
Außerdem ist die FPÖ für eine »Diskussion über einen Austritt aus der EU« und eine Volksabstimmung darüber, für eine Erhöhung des Budgetanteils für das Bundesheer auf 1 % des BIP, gegen die Fristenlösung und gegen die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften.