Fernduell Petry und Höcke

geschrieben von Thomas Willms

16. April 2017

Eine Massenmanifestation extremer Rechter in Koblenz

Die tausendköpfige Menge war begeistert von der Mischung aus vagem Fußball-Triumph- und NPD-Fahneneinmarsch. »Sympathisch, natürlich, bodenständig und von messerscharfer Intelligenz«, so wurde Frauke Petry als letzte Rednerin der großangelegten Konferenz der EU-Parlamentsfraktion »Europa der Nationen und der Freiheit« am 21. Januar in der Koblenzer »Rhein-Mosel-Halle« angekündigt. Für AfD-Verhältnisse sind das zurückhaltende Selbstgratulationen, die mit den einleitenden Worten Petrys, dem nahezu demütigen Dank an die angereisten nationalistischen Spitzenfunktionäre aus Österreich, Italien, den Niederlanden und vor allem Marine Le Pen aus Frankreich ihre Fortsetzung fanden. Und dabei diente das ganze Brimborium, organisiert von Petrys Ehemann und Taschenträger Markus Pretzell, tatsächlich im Wesentlichen der Inthronisation Petrys als oberste deutsche Merkel-Gegnerin in Form der nicht mehr zu hinterfragenden AfD-Spitzenkandidatin. (Dass Europas extreme Rechte in Deutschland direkt auf den deutschen Wahlkampf einwirkten, fiel den Medien übrigens weniger als problematisch auf als die Tatsache, dass später Erdoğans Emissär in Deutschland Wahlkampf für eine türkische Volksabstimmung betrieb.)
Man kann zusammenfassend sagen, dass dieses Vorhaben schief gegangen ist. Zum einen hatte der Oberintrigant Höcke vier Tage zuvor mit seiner »Denkmal-der-Schande«-Rede in Dresden nicht nur das Interesse der Öffentlichkeit erfolgreich auf sich gelenkt, sondern ganz offensichtlich den richtigen Ton bei denjenigen getroffen, die bei anstehenden Parteitagen letztlich die Entscheidungen treffen: dem Parteiaktiv der AfD. Petry war nun in der Pflicht, »zu liefern«, konnte dies aber aus gleich zwei Gründen nicht. Ihre Rhetorik fiel hörbar insbesondere hinter Le Pen zurück. Diese sprach auf Französisch (was anderes kann sie voller Stolz auch nicht) und distanzierte sich dergestalt einerseits von Emmanuel Macron, der zuvor in fließendem Englisch und von Premierminister Jean-Marc Ayrault, der in fließendem Deutsch in Berlin gesprochen hatte.
Und was für eine Rede Le Pen hielt! Jeder Halbsatz gesättigt mit ideologischen Fettsäuren. Mit grausiger Faszination verfolgt man dieses Amalgam aus Pseudo-Maoismus und Nationalismus. Ganz bewusst werden »le peuple« und »les peuples«, das Volk und die Völker verquirlt, so dass Le Pen mit strahlendem Lächeln verkünden kann, »dass das Volk und die Völker um ihre Freiheit ringen!« Wer hier nicht mit aller geistigen Schärfe gegenhält – und wer tut das in Frankreich? – ist verloren.
Verloren war aber auch anschließend Petry. Sie konnte nicht öffentlich sagen, dass Le Pen zwar Frau Merkel um jeden Preis vom Pult weghaben will, darüber hinaus aber eine Politik betreiben will, die ihrem eigenen Deutsch-Nationalismus notwendigerweise diametral entgegengesetzt ist. »Frankreich zuerst!« verlangt nach einem Deutschland, das maximal Zweiter ist, aus FN-Sicht aber eher noch Dritter hinter den Brexit-Briten.
Vor allem aber kam ihr der Pseudo-Sozialismus Le Pens nicht über die Lippen. Der Sozialismus bleibt für sie »der Parasit der Völker« – so ihre einzige nazitaugliche Vokabel – und darf nicht einmal in demagogischer Weise verwendet werden. Petry bleibt im Kern eine wirtschaftsliberalistische Ideologin, die die Hälfte ihrer Rede denn auch der Feier von Europa als Wiege des Individuums und des Individualismus widmete. Wie soll man von dort aus die Kurve zum Völkischen hinbekommen, fragt man sich als Zuhörer? Sie schaffte es nicht. Unverbunden folgten Bekenntnisse zu Volk, Heimat, Kultur und Familie. All das goutierte das Publikum mit nur höflichem Applaus. Stimmung kam erst auf, als sie zu einer rhetorisch verschwurbelten Attacke z.B. auf Klimaschützer anhob. Die Freiheit, die Frau Petry meint, ist nämlich die Freiheit zur Dummheit und zur Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Fakten.
Aufhorchen ließ nur noch der bündnispolitisch bedeutsame Schluss, der aus lobenden Worten gegenüber Helmut Kohl und der »geistig-moralischen Wende« bestand, die es jetzt zu vollenden gelte. Man darf gespannt auf die Fortsetzung des weiteren Rechtsschwenks in der AfD sein.

Mehrere tausend Gegendemonstranten begleiteten die ENF-Konferenz. Zu der Kundgebung hatte ein Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und Verbänden unter dem Motto »Koblenz bleibt bunt« aufgerufen. »Es ist eine Demonstration für die Freiheit, für den Zusammenhalt in unserem Land, für Weltoffenheit, für Toleranz«, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei der Demonstration.