Geheim für hundert Jahre?

geschrieben von Peter C. Walther

12. August 2017

Es ist nichts Neues, dass der Inlandgeheimdienst Verfassungsschutz kräftig bemüht ist, vieles von dem, was im Zusammenhang mit der Terrorgruppe NSU, ihrem Hintergrund und Umfeld geschehen – und nicht geschehen ist, nicht bekannt werden zu lassen. Wohl aus diesem Grund wurde sofort nach der Aufdeckung des NSU mit dem Schreddern von Akten und Unterlagen begonnen. Alles Weitere wird seitdem weitgehend geheim gehalten.

Dem nicht nachlassenden Bohren durch Mitglieder der NSU-Untersuchungsausschüsse ist es zu verdanken, dass doch hin und wieder etwas ans Tageslicht kommt. So zum Beispiel vor kurzem dies in Hessen: Aus einem als streng geheim eingestuften internen Bericht geht hervor, dass mindestens zwei Verfassungsschutzämtern bereits im August 1999 ein Hinweis auf »National Sozialistische Untergrundkämpfer« vorlag – also noch vor Beginn der Mordtaten, zu denen es womöglich nicht gekommen wäre, wenn dem Hinweis nachgegangen worden wäre.

Es bleibt geheim, wie es zu dem Hinweis gekommen ist, wer die Beteiligten waren, warum dem Hinweis nicht nachgegangen wurde, wo er verblieben ist und was sonst noch aufzuklären wäre. Denn der Bericht unterliegt weiterhin der Geheimhaltung – angeordnet bis zum Jahre 2134; also wenn es danach geht, für mehr als hundert Jahre. Seit der Reichsgründung von 1871 hat kein einziges Staatswesen auf deutschem Boden auch nur annähernd so lange existiert. Die Gründe, diese Dinge im Dunkeln lassen zu wollen, müssen also gewaltig sein!

Darüber hinaus ist klar, dass unverblümt gelogen wurde. Immer wieder war erklärt worden, dass dem Verfassungsschutz über den NSU nichts bekannt gewesen sei. Schon angesichts der Tatsache, dass sich rund 40 V-Leute im Umfeld des NSU befanden, wirkte diese Behauptung unglaubwürdig. Der jetzt bekannt gewordene Hinweis bestätigt die Verlogenheit.

Geheimhaltung ist ein ebenso beliebtes wie probates Mittel, unliebsame Dinge unter Verschluss zu halten. Zu akzeptieren ist das allerdings nicht und in Zeiten von Whistleblowing auch kaum mehr durchzuhalten, schon gar nicht hundert Jahre.