Da bleibt noch viel zu tun

geschrieben von Jakob Knab

15. August 2017

Traditionspflege in der Bundeswehr

In der Bundeswehr gärt und brodelt es. Nach ihrem Besuch vom 3. Mai 2017 in der Kaserne von Illkirch tat Bundesministerin von der Leyen kund: »Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr. Einzige Ausnahme sind einige herausragende Einzeltaten im Widerstand. Aber sonst hat die Wehrmacht nichts mit der Bundeswehr gemein.«

Hier nun ein Blick in die deutsche Geschichte und in die real existierende Traditionspflege: Als am 1. September 1939 die Wehrmacht Polen überfiel, war dies der Auftakt zum Vernichtungskrieg. Vor dem Angriff auf Krakau machte Leutnant Lent klar: »Jeder von uns weiß, dass heute ein schicksalsschwerer Abschnitt Weltgeschichte beginnt, der nicht mit Worten und auf Papier, sondern mit Blut geschrieben wird. Jeder von uns ist sich seiner Verantwortung bewußt, dass er mit dazu beizutragen hat, dass das deutsche Volk vor der Geschichte bestehen kann, dass Deutscher Fliegergeist im neuen Glanze erstrahlt, dass des Führers Hoffnung auf seine Luftwaffe nicht enttäuscht wird.« Lent enttäuschte seinen »Führer« nicht. Am 22. Juni 1944, am dritten Jahrestag des Angriffs auf die Sowjetunion, sprach Lent vom Endsieg: »Wir sind in der entscheidenden Phase dieses Krieges angelangt. Durch den Einsatz unserer neuen Waffen ist das Vertrauen nicht nur des deutschen Menschen in der Heimat, sondern auch des deutschen Soldaten an der Front zur Führung und vor allem auch zum Endsieg unerhört gewachsen. Ich bin gewiss, dass der Endsieg nicht mehr fern ist.« Mehrfach rief Lent seine Männer dazu auf, »in leidenschaftlicher und fanatischer Weise bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen«.

In seiner kriegerischen Tüchtigkeit war der hochdekorierte Lent unübertroffen. Beim Staatsakt für den tödlich verunglückten Lent sprach Reichsmarschall Göring von dessen »unvergänglichem Heldentum«. Auf Initiative von General Josef Kammhuber wurde im Juli 1964 die Liegenschaft im niedersächsischen Rotenburg nach Oberst Lent benannt. Es war jener Kammhuber, der sich zusammen mit seinem Kameraden Dietl beim Hitler-Putsch im November 1923 geweigert hatte, die junge Republik zu verteidigen. Die Dietl-Kaserne Füssen wurde im November 1995 umbenannt, die Kammhuber-Kaserne Karlsruhe wurde im Juli 2011 aufgegeben. Die Lent-Kaserne in Rotenburg heißt bis heute so.

Krieg war eine zentrale Kategorie der NS-Gewaltherrschaft. Der Krieg füllte nicht nur die Hälfte der NS-Herrschaftsperiode aus, sondern der Nationalsozialismus kam aus dem Kriege, fand im Krieg seine eigentliche Bestimmung und ging schließlich im Krieg unter. Heldenkult und Traditionspflege sind heroisierende Darstellungen von Geschichte. Der Held muss die Todesangst ebenso wie die Tötungshemmung überwinden.

Deutschlands weltweit verehrter Kriegsheld ist Rommel. Er ist die Symbolgestalt der Panzertruppe. Bei der Bundeswehr gibt es ebenfalls bis heute Rommel-Kasernen in Augustdorf und in Dornstadt.

Nach dem Einmarsch in Polen schrieb Rommel über den »Führer«: »Von ihm geht eine magnetische, vielleicht hypnotische Kraft aus, die ihren tiefsten Ursprung in dem Glauben hat, er sei von Gott oder der Vorsehung berufen, das deutsche Volk ‘zur Sonne empor’ zu führen.« Für Rommel war die Wehrmacht »das Schwert der neuen Weltanschauung.« Am 21. Juni 1942 fiel nach schweren Kämpfen die Festung Tobruk. Tagesbefehl Rommels an seine tapferen Krieger: »Soldaten der Panzerarmee Afrika! Jetzt gilt es, den Gegner vollends zu vernichten.« Rommels Propagandarede »Entscheidungsschlacht im Westen« für die Wochenschau Mitte Mai 1944 markierte ein letztes Aufbäumen: »Der angreifende Gegner muß in ein tödliches Staunen fallen!« Doch in einer Lagebetrachtung vom 15. Juli 1944 übte Rommel entschiedene Kritik an Hitlers Kriegsführung. Rommel wusste auch um die Pläne der Verschwörer. Als Rommel jedoch auf dem Krankenlager von Stauffenbergs missglückter Tat erfuhr, schrieb er an seine Frau: »Zu meinem Unfall hat mich das Attentat auf den Führer besonders stark erschüttert. Man kann Gott danken, dass es so gut abgegangen ist.« Am 14. Oktober 1944 wurde Rommel vor die Wahl gestellt, eine Giftkapsel zu schlucken oder wegen Hochverrats vor den Volksgerichtshof gestellt zu werden. Rommel wählte den Freitod.

Mit seinem Tagesbefehl förderte Hitler den Heldenkult: »Mit ihm ist einer unserer besten Heerführer dahingegangen. Sein Name ist im gegenwärtigen Schicksalskampf des deutschen Volkes der Inbegriff für hervorragende Tapferkeit und unerschrockenes Draufgängertum. Das Heer senkt vor diesem großen Soldaten in stolzer Trauer die Reichskriegsflagge. Sein Name ist in die Geschichte des deutschen Volkes eingegangen.« Beim Staatsakt für Rommel sprach Generalfeldmarschall von Runstedt diesen markigen und zynischen Worte: »Der unermüdliche Kämpfer war erfüllt von nationalsozialistischen Geist, der die Kraftquelle und Grundlage seines Handelns bildete. Sein Herz gehörte dem Führer.«

Jakob Knab ist Gründer und Sprecher der »Initiative gegen falsche Glorie«.