Korrespondenzen mit Zeitgenossen
24. September 2017
Elfriede Brüning gibt Einblicke in die Verlags- und Literaturlandschaft der DDR
Zum 10. Mai 1953 lud die theologische Fakultät der Humboldt-Universität Elfriede Brüning als Zeitzeugin zu einer Veranstaltung zur Erinnerung an die Bücherverbrennung auf dem Opernplatz am 10. 5. 1933 ein.
Sie berichtete bewegend von dem Ereignis der Schande und von der geradezu Besessenheit der Studenten, die ihr damals Angst einjagte. In die Flammen wurde auch die Büste des Sexualforschers Magnus Hirschfeld geworfen und seine »Sittengeschichte des Weltkrieges«. Elfriede Brüning zitierte auch die Feuersprüche, die beim Hineinwerfen der Bücher von Siegmund Freud und Magnus Hirschfeld geschrieen wurden: »Gegen die seelenzerfetzende Überschätzung des Trieblebens verschlinge die Flamme diese Schriften…«
Sie sei erschüttert gewesen, dass unter dem Haufen der Johlenden sogar Professoren im akademischen Talar waren. Auch Goebbels war auf dem Platz und hielt eine Hetzrede. Sie schlich sich in ihrer Resignation und Angst aus der Menge. Es gab keinerlei Gegenbewegung.
Elfriede Brüning erklärte: »Das war kein Studenten-Ulk, sondern eine vorbereitete faschistische Demonstration.« Diese Ansammlung der Studenten, die die Bücher ihrer Lehrer ins Feuer warfen, erlebte sie aus ihrer antifaschistischen Überzeugung.
Sie war Mitglied der KPD und aktiv im »Bund der proletarisch-revolutionären Schriftsteller« (BdRS), der unter die erste Gruppe fiel, die wegen ihrer aktiver Arbeit gegen die Nazis verboten wurde. Elfriede Brüning wurde bereits 1935 verhaftet und saß dann in »Schutzhaft« im Berliner Frauengefängnis.
Zu der Veranstaltung in der Theologischen Fakultät war sie von Heinrich Vogel eingeladen worden, der der Bekennenden Kirche angehörte und Freund von Dietrich Bonhoeffer und Martin Niemöller war. Er bedauerte, dass es schade gewesen sei, dass sich die Gruppen, die gegen die Nazis kämpften, nicht gekannt und verbündet hatten. Elfriede Brüning warf ein, dass das nicht an den Kommunisten gelegen habe.
Der vorliegende Band des Briefwechsels mit Zeitgenossen wurde vom »Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt« herausgegeben. Elfriede Brüning hatte diesem Institut schon ihren Vorlass und auch ihren literarischen Nachlass übereignet, dazu eine Vielzahl an bislang unveröffentlichten Dokumenten, die einen umfassenden Einblick in die Verlags- und Literaturlandschaft der DDR geben.
Der Band umfaßt 398 Seiten mit 252 Briefen. Wer überzeugt ist, die Literatur von Elfriede Brüning zu kennen, täuscht sich und wird erstaunt sein, was der Briefwechsel an Zeitzeugnissen zutage fördert. Es sind die Überlieferungen der Korrespondenzen, die Kriterien für deren Auswahl sowie Korrespondenzen mit Schriftstellerkollegen. Damit wird das Buch auch zu einer Fundgrube der Literaturgeschichte beider deutschen Staaten. Der Leser legt das Buch sicherlich mit dem Bedauern zur Seite, dies alles bisher nicht gewußt zu haben.
Beim Lesen des Buches erfuhr ich viel Unbekanntes, abgesehen davon, dass sie immer sehr viel von Kollegen und Freunden wissen wollte und auch in der Auseinandersetzung mit Verlegern kein Blatt vor den Mund nahm.
Große Hochachtung gilt denen, die die Briefe abgeschrieben haben; denn in jener Zeit waren ja die meisten Briefe noch handschriftlich.
Denen, die die Fußnoten unter die Briefe setzten, ist ebenfalls großer Respekt zu zollen. Jeder Brief ist interessant und historisch aufschlußreich: Elfriede Brüning ist interessiert daran, wie sich ihre Kollegen mit ihren Lebensumständen auseinandersetzten und was sie zum Schreiben veranlaßte. Immer wieder sind ihr die politischen Zusammenhänge wichtig. Sie fragt z.B. Peter Weiss, was ihn dazu bewogen habe, die Geschichte der »Roten Kapelle« literarisch zu bearbeiten. Leider konnten diese Briefe nicht mehr beantwortet werden.
»Durch die Vielzahl der bislang unveröffentlichten Dokumente«, schreibt Eleonore Sent, »will der Band auch Material bereitstellen für Forschungsvorhaben, aber vor allem zum Beitrag der proletarisch-revolutionären Literaturtradition, für die Geschichte der Literatur des 20. Jahrhunderts sowie zur Literatur- und Verlagslandschaft der ›literarischen Öffentlichkeit der DDR‹, die das Werk Elfriede Brünings über vier Jahrzehnte entscheidend prägte.«
»Nicht zuletzt«, meint die Herausgeberin, »ist der Briefwechsel eine Würdigung des Lebenswerkes einer Schriftstellerin und sei ihr darum mit großem Respekt gewidmet.«
Die VVN verdankt der DDR-Bestseller-Autorin nicht nur viele Anregungen zu ihrer Arbeit, sondern jahrzehntelange solidarische Mitarbeit.
Unser besonderer Dank gilt denen, die Elfriede Brüning (8.11.1910-5.8.2014) in ihrem Lebensabend fürsorglich begleitet haben – Sabine Kebir und Hans Coppi. Heinrich Fink