Nazi-»Sturm auf Themar«

geschrieben von Janka Kluge

18. Oktober 2017

Wie kam es zum größten Nazirockkonzert der letzten Jahre?

Das kleine Städtchen Themar in Südthüringen hatte es bis zum Juli dieses Jahres noch nie in die Schlagzeilen der überregionalen Presse gebracht. Doch zu der Veranstaltung »Rock gegen Überfremdung« kamen am 15. Juli über 6000 Nazis aus dem In- und Ausland in den Ort. Das Grundstück, auf dem das Konzert stattfand, gehört dem ehemaligen CDU-Politiker Bodo Dressel. Eine neue politische Heimat fand der in der AfD. Bei der Gründung des Regionalverbands Hildburghausen wurde er prompt in den Vorstand gewählt. Immerhin konnte sich die AfD nun mit einem Bürgermeister schmücken, denn Dressel ist Bürgermeister der Gemeinde Grimmelshausen. Beruflich betreibt er in der benachbarten Gemeinde Kloster Veßra einen Handel mit gebrauchten Autos. Direkt gegenüber befindet sich die Wirtschaft »Goldener Löwe«. Sie wird von dem Neonazi und gelernten Koch Tommi Frenck betrieben. Beim nachbarschaftlichen Gespräch sind sich die beiden wohl näher gekommen. Bürgermeister Dressel stellte dem Neonazi Frenck schon mal Parkplätze auf dem Gelände seines Autohauses zur Verfügung, wenn im »Goldenen Löwen« wieder einmal großer Andrang herrschte, denn immer wieder fanden in dem Gasthof Konzerte statt.

Die meisten der dreihundert Bewohner von Kloster Veßra sind allerdings von dem neuen Wirt nicht so angetan. Der MDR berichtet darüber, dass sich unter ihnen Angst breit macht, wenn die Neonazis durch den Ort marschieren. Frenck versteht es, immer wieder in die Schlagzeilen zu kommen. Im April 2017 warb er mit einem besonderen Angebot. Am 20. April, Hitlers Geburtstag, servierte er seinen Gästen ein »Geburtstagsschnitzel« für 8,88 Euro. Für 14,88 Euro bekam man noch zwei Getränke und ein Dessert dazu. Hinter den Preisen verbirgt sich ein Zahlencode, mit dem sich Nazis seit Jahren tarnen. Die Zahlen stehen für den entsprechenden Buchstaben im Alphabet. Die 8 also für ein H. Beliebt bei Nazis ist auch die Zahl 18. Sie steht für den Namen von Hitler. Neben der Gaststätte betreibt Frenck noch einen Versandhandel im Internet. Auch er trägt seine politische Gesinnung schon im Namen »druck 18«. Für symbolische 18,88 können sich dort Frauen ein T-Shirt, das wie bei Nazis üblich T-Hemd heißt, mit dem Aufdruck »I love Htlr« kaufen. Dass »Htlr« für Hitler steht ergibt sich fast von selbst. Nur geringfügig teurer ist ein T-Shirt, auf dem Hitler Verehrer Frenck seine Schnitzel-Aktion feiert.

Neben Bettwäsche mit dem Reichsadler, Babystrampler mit der Aufschrift »Division Sachsen«, oder »Division Thüringen« verkauft Tommy Frenck auch CDs rechter Bands. Sie bilden mit fast 900 Artikeln den größten Teil seines Versandangebots. Für den tüchtigen Geschäftsmann, der es versteht, aus seiner Gesinnung Profit zu machen, liegt es nahe, Konzerte zu organisieren. Über seinen Internethandel hat er Kontakt zu den Käufern der CDs und den Bands.

Frenck hat sich zur Unterstützung des Konzerts im Juli Patrick Schröder geholt. Die beiden verbindet viel. Beide betreiben einen Internethandel für Nazikleider und CDs. Beide organisieren seit Jahren Konzerte mit Nazibands. Sie waren beide in der NPD organisiert. Frenck hat die Partei vor einiger Zeit verlassen, Schröder macht in ihr Karriere. Beide gelten als Vertreter einer neuen Generation von Neonazis. Nach außen smart und freundlich, ideologisch geschult und knallharte Nazis.

Um weniger Steuern zu zahlen zu müssen, haben die beiden das Konzert als Kundgebung angemeldet und den Eintrittspreis zur Spende erklärt.

Bei dem größten Konzert von Neonazis, das seit Jahren in Deutschland stattgefunden hat traten die Großen der Szene auf. So die »Lunikoff Verschwörung« von Michael Regner. Regner war der führende Kopf hinter der Gruppe »Landser«. Er saß wegen »Bildung einer kriminellen Vereinigung« mehr als drei Jahre im Gefängnis. Weil er sich nie von der Musik und den Texten von »Landser« distanziert hat, wird er von vielen Neonazis verehrt. Kultstatus besitzen aber auch andere Bands, die in Themar aufgetreten sind.

»Stahlgewitter« und »Sleipnir« sind Bands, die im Umfeld der im Jahr 2000 in der BRD verbotenen Organisation Blood & Honour entstanden. Ursprünglich von Ian Stewart Donaldson in London gegründet, gibt es in vielen europäischen Ländern, in den USA und in Kanada Ableger von Blood & Honour. Nach dem Verbot in Deutschland fanden viele Konzerte im europäischen Ausland statt. Der Unterstützerkreis für das Kerntrio des NSU bestand fast ausschließlich aus Mitgliedern von Blood & Honour. In Deutschland stieß mit den »Hammerskins« eine neue Gruppe in die entstandene Lücke. Die Hammerskins kamen aus den USA und vertreten einen elitären Nationalsozialismus.

Wie lukrativ das Geschäft mit der rechten Ideologie ist, zeigt Tommy Frenck gern vor. Vor dem »Goldenen Löwen« steht sein Hummer. Ein Auto, das leicht 30 Liter auf 100 Kilometern verbraucht und noch gebraucht zwischen siebzig- und hunderttausend Euro kostet.

Bodo Dressel hätte all das wissen können. Dann wäre er nicht so überrascht gewesen, dass seine Kontakte zu militanten Nazis selbst der Thüringer AfD zu viel sind. Er ist inzwischen aus der AfD ausgetreten.