Österreich hat gewählt

geschrieben von Gerald Netzl, Wien

10. Dezember 2017

Und die Rechte wurde gestärkt

Das Ergebnis der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 brachte einen Gewinn der politischen Rechten und einen Verlust der politischen Linken. Die ÖVP ging mit einem Wahlprogramm in den Kampf, das kaum noch an den ursprünglichen katholischen Grundwerten dieser Partei orientiert war, dafür umso stärker an das Programm der rechtspopulistischen FPÖ erinnerte. Das war gut kalkuliert: 38 % der ÖsterreicherInnen halten den Komplex »Zuwanderung, Asyl und Migration« für das relevanteste Thema, um das sich die nächste Regierung kümmern müsse (abgeschlagen auf Platz 2 mit 18 % die Bildung). Man darf unter »kümmern müssen« eine restriktive Handhabung verstehen. ÖVP-Spitzenkandidat, der 31-jährige Außenminister Sebastian Kurz, hatte die besten Umfragewerte aller Regierungsmitglieder. Ähnlich Emmanuel Macron hat sich Kurz sonst inhaltlich kaum positioniert und präsentierte sich als »über den Dingen schwebend«. Noch Mitte 2016 lag die Volkspartei in Umfragen bei 20 %, die FPÖ hingegen bei bis zu 34 (!) %. Kurz darf sich berechtigt als persönlichen Sieger sehen dem es gelang, die Mitbewerber mit deutlichem Abstand auf die Plätze zu verweisen.

Der Österreicher ist ein zwiespältiges Wesen: Er hat den Wunsch nach neuen Gesichtern, nach neuer Politik, nach Veränderungen. Jedoch soll sich bei ihm selbst möglichst wenig ändern, dafür halt bei den anderen…

Der SPÖ-Wahlkampf wird mit »Pleiten, Pech und Pannen« am besten beschrieben (nachzulesen als »Affäre Silberstein«), sodass das Halten des Ergebnisses von 2013 und das Erreichen des 2. Platzes fast wie ein Wunder erscheint. Kanzler Christian Kern war (ebenfalls!) ein attraktiver Spitzenkandidat. Die SPÖ hat laut Wählerstromanalysen wieder kräftig an die FPÖ verloren, aber in gleich hohem Ausmaß von den Grünen gewonnen. Zu Recht wird die Sozialdemokratie als Bewahrerin des Wohlfahrtsstaates gesehen und wurde von vielen dafür und für ihre bisherige klare abgrenzende Haltung gegenüber der FPÖ gewählt. Wo, abgesehen von Großbritannien, hat eine sozialdemokratische Partei zuletzt NICHT verloren?

Die Grünen sind DER Verlierer der Wahl. Nach 31 Jahren im Nationalrat fliegen sie raus. Ermüdungs- und Abnutzungserscheinungen sowie massive interne Konflikte führten zum Antritt des Grünen-Abgeordneten Peter Pilz mit einer eigenen konkurrierenden Liste. Die Partei NEOS (= »Neues Österreich«, wobei »Neoliberale« ehrlicher wäre) hat ihr Ergebnis gehalten.

Es werden spannende Koalitionsverhandlungen – abseits der inhaltlichen Überschneidungen gibt es doch auch Wunden, die der schmutzige Wahlkampf geschlagen hat, sowie tiefsitzende Ressentiments unter den Entscheidungsträgern (hier bewusst nur die männliche Form). Unmittelbar nach der Wahl 2013 wünschten sich die WählerInnen laut Umfrage eine SPÖ-ÖVP-Koalition, 2017 eine ÖVP-FPÖ-Koalition – die wird wohl auch kommen.