»Betrachten Sie sich als ausgeladen!«

geschrieben von Uwe Hiksch

8. Februar 2018

Neurechten Bündnisstrategien offensiv entgegentreten

Seitdem ein Teil der Neuen Rechten die Friedensbewegung als Aktionsfeld entdeckt hat, gibt es innerhalb fast aller Organisationen der Friedensbewegung einen intensiven Diskussionsprozess über die Frage, inwieweit eine soziale Bewegung auch mit Aktiven aus dem Umfeld der Neuen Rechten zusammenarbeiten solle. Dabei geht es um strategische Einschätzungen, ob die Friedensbewegung mit allen Kräften, die sich gegen den Krieg aussprechen, zusammenarbeiten müsse, um politisch stärker zu werden und ihre Forderungen besser umsetzen zu können.

Intensiviert hat sich diese Diskussion mit dem Aufkommen der sogenannten Montagsmahnwachen. Die Montagsmahnwachen wurden in vielen Städten von politisch aktiven Kräften aus dem Umfeld der Wissensmanufaktur, verschwörungstheoretischer Zusammenhänge der sogenannten Thruther-Bewegung (Wahrheitsbewegung) bis hin zu antisemitischen Gruppen unterstützt und zum Teil auch dominiert. Für die Friedensbewegung ergab sich daraus eine große Herausforderung, da sie für sich klären muss, ob sie sich als Teil der emanzipatorischen Bewegungen, die jede Form von Nationalismus, Antisemitismus und völkischen Ansätzen klar zurückweist, versteht oder ob sie für den vermeintlichen Erfolg von zusätzlichen Mitstreitern und -streiterinnen auch Kräfte aus dem Umfeld der Neuen Rechten als Mitarbeitende akzeptiert. Seit vielen Jahren ist feststellbar, dass die bisher gefühlte Hegemonie eines ›liberalen‹ Grundkonsenses in gesellschaftlichen Fragen wie internationale Ausrichtung der Politik zur Überwindung nationalstaatlicher und rechtpopulistischen Tendenzen in der Gesellschaft, der Einsatz für eine Willkommenskultur gegen die völkischen und nationalistischen Tendenzen eines Teils der Gesellschaft, kulturelle Offenheit für unterschiedliche Lebensstile und sexuelle Orientierungen und eine offene Zurückweisung von Homophobie, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und gruppenspezifischen Rassismus, in einem wachsenden Teil der Gesellschaft zurückgedrängt wird. Mit dem Aufkommen neuer Bewegungen von Rechts, die sich mit Pegida oder der Partei »Alternative für Deutschland« auch organisatorisch zeigten und wirkungsmächtig ihre Positionen verbreiten konnten, bedeutet eine Zusammenarbeit mit Kräften aus dem Umfeld solcher Organisationen und Parteien, einen Beitrag zur weiteren Verankerung dieser Kräfte in der gesellschaftlichen Mitte zu leisten.

Zwischenzeitlich gibt es nahezu keine Bewegung mehr, die nicht mit einer neuen Generation rechter und völkischer Theorien und deren Aktivisten und Aktivistinnen konfrontiert ist. Im Umfeld der globalisierungskritischen Bewegung und der großen Demonstrationen gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA versuchten völkische und rechte Bewegungen und Parteien an die Aktionen offen anzudocken. Im Vorfeld der Großdemonstration »STOP TTIP, CETA«, an denen 250 000 Menschen teilnahmen, wurde dem Bündnis ein Brief der AfD zugestellt, der von Frau von Storch und Herrn Pazderski unterschrieben wurde, in dem diese Partei wie selbstverständlich mitteilte, dass sie sich die AfD »mit einer Gruppe von AfD-Vertretern in die Demonstration am 17. September 2016 einreihen und damit bekunden [wolle], wie breit die Ablehnung dieser angeblichen Freihandelsabkommen ist«. Weiter in dem Brief: »Bitte teilen Sie uns […] mit, wie wir uns am besten in die Demonstration eingliedern und die Ablehnung von CETA und TTIP durch die AfD deutlich machen können«. Dieser Brief war so verfasst, dass die AfD-Funktionäre gar nicht mehr anfragten, ob sie denn teilnehmen dürften, sondern – wie selbstverständlich – sich als Teil der Bewegung definierten. Das Bündnis reagierte sehr klar und teilte den Briefschreibenden mit: »In Bezugnahme auf Ihren Brief vom 9.8., in dem Sie mich um Auskunft bitten, wie sich Vertreter/innen der ›Alternative für Deutschland‹ in unsere Berliner Demonstration ›CETA und TTIP stoppen! – Für einen gerechten Welthandel‹ eingliedern können, teile ich Ihnen als Koordinator des bundesweiten Trägerkreises hiermit unmissverständlich mit: Gar nicht. Betrachten Sie sich explizit als ausgeladen. Wir fordern Sie dazu auf, dies auch Ihren weiteren Landes-, Bezirks-, Kreisverbänden, Ihrem Bundesvorstand und nicht zuletzt Ihren Anhänger/innen mitzuteilen: Wir wünschen weder die Teilnahme von Vertreter/innen der AfD, noch anderer Parteien und Gruppierungen mit rechtspopulistischer und rassistischer Agenda auf unseren bundesweit sieben Demonstrationen am 17. September. Ihnen dürfte bekannt sein, dass wir auf unserer Website www.ttip-demo.de und auf unseren Flugblättern an prominenter Stelle auf folgenden Passus verweisen: ›Wir treten ein für eine solidarische Welt, in der Vielfalt eine Stärke ist. Auf unseren Demonstrationen gibt es keinen Platz für Rassismus, Rechtspopulismus und Antiamerikanismus.‹«

Ähnliche Versuche aus dem Umfeld der neuen und alten Rechten gab es auch bei den Demonstrationen von »Wir haben es satt«, globalisierungskritischen Aktionen und aktiv auch in der Friedensbewegung. Für die globalisierungskritische Bewegung, die Anti-TTIP-Bewegung und bei den von breiten Bündnissen organisierten Aktionen war völlig klar, dass alle Versuche von rechtspopulistischen Strömungen und Parteien, in diesen Bewegungen Fuß zu fassen, deutlich zurückgewiesen wurden.

 

Warum sehen Rechte Anschlussfähigkeit zu fortschrittlichen Bewegungen?

Bei Aktionen gegen TTIP und CETA sind es vor allem völkische Positionierungen gegen die USA, der vermeintlich weltweite Einfluss der zentralen Notenbank FED oder der Einfluss der Europäischen Union, die globalisierungskrische Positionen und Aktionen gegen neoliberale Freihandelsabkommen aus Sicht der völkischen Aktivistinnen interessant machen. Wer sich beispielsweise das »Programm für Deutschland« der AfD näher anschaut, stellt fest, dass diese Partei sich für »freien Wettbewerb« ausspricht und sogar argumentiert: »Durch marktwirtschaftlichen Wettbewerb ergeben sich die besten ökonomischen Ergebnisse. Das unsubventionierte Angebot, von dem sich die Marktteilnehmer den größten Vorteil versprechen, setzt sich durch«. TTIP und CETA werden von dieser Partei nicht abgelehnt, weil sie neoliberale Freihandelsabkommen verhindern wollen, sondern weit sie ähnlich wie der US-amerikanische Präsident Trump vor allem »Germany first« durchsetzen wollen. Hinter ihrer Positionierung steht nicht die politische Vorstellung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung, in der die Staaten des globalen Südens einen fairen und gleichberechtigten Platz in der internationalen Ökonomie erhalten, sondern die Förderung imperialer Hegemonievorstellungen und noch mehr Einfluss für deutsche Interessen.

Völkische Theoretiker benennen klar ihre Vorstellungen eines »echten Konservativismus«. So schreibt der neurechte Theoretiker Andreas Kinneging in einem Artikel in der »CATO«, dass »der Konservatismus also zugleich ein Gegner der Aufklärung« sei. Mit den USA werden in diesen völkischen Kreisen »westliche Werte«, internationalistische Ausrichtung und eine interkulturelle Gesellschaft ohne Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, sexuellen Orientierung oder Lebensweisen verbunden. Deshalb sind für sie Kampagnen, die sich vermeintlich gegen die USA richten, Möglichkeiten, ihre antiwestliche Haltung wahrnehmbar darzustellen.

Schon der ›jungkonservative‹ Arthur Moeller van der Bruck, der in seinem Werk »Das Dritte Reich« im Jahr 1923 seine Vorstellung von einem zukünftigen autoritären starken deutschen Staat, in dem eine Verbindung aus Nationalismus und Sozialismus durchgesetzt sein sollte, aufzeigte, forderte in der 1920er Jahren eine Hinwendung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zur Sowjetunion, da er sie als Verbündeten gegen die USA und ihre vermeintlichen ›westlichen Werte‹ ansah. Auch die Publikationen des sogenannten »Tat-Kreis«, die ihre antidemokratischen Vorstellungen vom »nationalen Sozialismus« mit Konzepten der ›Volksgemeinschaft‹ und der Überwindung von politischen Einordnungen wie »links« oder »rechts« das Wort redeten, gingen in eine ähnliche Richtung. Für sie gab es keine »Linken« oder »Rechten« mehr, sondern nur noch »deutsche Volksgenossen«. In diesem Umfeld wurde eine verkürzte Kapitalismuskritik mit völkischen Forderungen verbunden.

Ganz im Sinne dieser Tradition ist es deshalb nicht verwunderlich, dass sich im Grundsatzprogramm der AfD Aussagen wie »Die AfD setzt sich für den Abzug aller auf deutschem Boden stationierten alliierten Truppen und insbesondere ihrer Atomwaffen ein«, »Gemeinsame europäische Streitkräfte lehnt die AfD ab und hält an eier umfassend befähigten Bundeswehr als Eckpfeiler deutscher Souveränität fest« oder »Die AfD vertritt eine Außenpolitik, die darauf verpflichtet ist, die außen -und sicherheitspolitischen, die wirtschaftlichen und kulturellen Interessen Deutschlands zu wahren«. Ziel dieser politischen Partei und ihrer völkischen Grundausrichtung ist nicht die Durchsetzung einer offensiven Abrüstung und eines politischen Kampfes gegen die imperiale Aufrüstung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, sondern die Unterstützung einer deutschen Hegemonie in Europa und einer möglichst starken imperialen Durchsetzungsfähigkeit deutscher Interessen.

Mit ihren vermeintlichen Wahrheiten, wie »es gibt kein links und kein rechts, sondern nur richtig oder falsch« versucht ihr politisches völkisches Umfeld, eine neurechte Bündnisstrategie durchzusetzen, die versucht, vermeintlich gemeinsame politische Forderungen zu konstruieren. Für emanzipatorische Bewegungen müssen solche Versuche dazu führen, diese ausdrücklich zurückzuweisen und eine Zusammenarbeit mit neurechten Kräften abzulehnen. In den nächsten Jahren wird gerade in der Friedensbewegung ein Klärungsprozess notwendig, der in anderen sozialen Bewegungen bereits klar formuliert wurde. Emanzipatorische Bewegungen – und hierzu zähle ich ausdrücklich die Friedensbewegung – müssen eine klare Abgrenzung gegen völkische und rechtspopulistische Theorien und Aktivistinnen finden. Gelingt dies nicht, werden sich solche Bewegungen für aktive, internationalistisch ausgerichtete Menschen erledigen.

 

Uwe Hiksch ist Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands