Er schrieb Zeitgeschichte
18. Juni 2018
Bundesverdienstkreuz für den antifaschistischen Publizisten Kurt Nelhiebel
Der Bremer Publizist Kurt Nelhiebel erhielt am 18. April aus der Hand des Bremer Regierungschefs, Bürgermeister Dr. Carsten Sieling, das ihm von Bundespräsident Steinmeier verliehene Bundesverdienstkreuz. Damit wurde zugleich ein Autor unserer Zeitschrift ausgezeichnet, der unter seinem Autorennamen Conrad Taler schon mehrfach Beiträge für die »antifa« verfasst hat.
In den mehr als sieben Jahrzehnten seiner journalistischen und publizistischen Tätigkeit hat sich Kurt Nelhiebel, nicht zuletzt verursacht durch eigenes Erleben, vornehmlich mit Ursachen, Erscheinungen und Folgen der Naziherrschaft sowie mit ihren Folgeerscheinungen im Nachkriegsdeutschland bis in die jüngste Gegenwart hinein befasst und auseinandergesetzt.
Bürgermeister Sieling beschrieb ihn in seiner Laudatio als eine »Person der Zeitgeschichte«, die immer »geradestand«. Mit »tiefem antifaschistischen Antrieb« habe er unermüdlich für die Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes, für Völkerverständigung, gegen Rassismus und Nationalismus gearbeitet. Die Bedeutung eines solchen Engagements sei »hochaktuell und besonders bedeutsam«, schlug Sieling den Bogen zur Gegenwart.
Für die Auszeichnung vorgeschlagen worden war Kurt Nelhiebel, wie Bürgermeister Sieling ausdrücklich erwähnte, vom ehemaligen Bundessprecher der VVN-BdA, Peter Christian Walther, und vom Bremer Rundfunk-Journalisten Klaus-Jürgen Schmidt. Zu den Unterstützern des Vorschlags gehörten weitere Persönlichkeiten, darunter in- und ausländische Historiker, Ludwig Baumann (Bundesvereinigung Opfer der NS- Militärjustiz) und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters.
Kurt Nelhiebel wurde 1927 als Sohn eines deutschen Antifaschisten im tschechischen Nordböhmen geboren. Nach der Besetzung und Einverleibung des Landes durch die Nazis und dem Beginn des durch Nazideutschland ausgelösten zweiten Weltkrieges erlebte Kurt Nelhiebel am eigenen Leibe die Schrecken und Folgen der Naziherrschaft – schließlich bis hin zur Vertreibung aus seiner bisherigen Heimat, deren Ursache er stets deutlich benannte.
Kurt Nelhiebel arbeitete in den fünfziger und sechziger Jahren vornehmlich für linke Zeitungen und Zeitschriften, darunter auch die VVN-Zeitung »die tat«. Für eine jüdische Zeitschrift in Wien berichtete er über den Frankfurter Auschwitzprozess. Von dem Prozess handelt auch eines seiner Bücher.
Kurt Nelhiebel setzte und setzt sich vehement für Demokratie, Frieden, Freiheit, Völkerverständigung und Menschlichkeit ein – und dafür, das dazu Erforderliche zu tun und Gegensätzlichem jederzeit entgegenzutreten.
Mit seiner journalistischen Arbeit trug er dazu bei, dass Theodor Oberländer, Bundesminister einer Adenauer-Regierung, 1960 nach Aufdeckung seiner Nazi-Vergangenheit zurücktreten musste, und dass Heinrich Bütefisch, Vorstandsmitglied der IG Farben und in Nürnberg wegen der Ausbeutung von Zwangsarbeitern verurteilter Kriegsverbrecher, das ihm von Bundespräsident Lübke verliehene Bundesverdienstkreuz zurückgeben musste.
1965 kam Kurt Nelhiebel zu Radio Bremen, wo er dann Nachrichtenchef wurde. Auch nachdem er in Rente gegangen war, blieb er publizistisch aktiv. Neben zahlreichen Artikeln und Kommentaren verfasste er mehrere Bücher.
In seiner Dankesrede im Bremer Rathaus erklärte Kurt Nelhiebel, dass es für einen Journalisten durchaus eine zweischneidige Angelegenheit sei, wenn er eine staatliche Auszeichnung erhalte. In seinem Fall betrachte er die Auszeichnung in erster Linie als Würdigung und Anerkennung der Dinge, die ihr zugrunde liegen: der Kampf gegen den Nazi-Ungeist in jeder Form und die Erinnerung an den Widerstand gegen den Naziterror und deren Opfer.
Über das Politische hinaus erfuhren die Anwesenden im Bremer Rathaus noch einiges mehr oder minder Privates über Kurt Nelhiebel, als ein langjähriger Nachbar, Herr Detlef Kniemeyer, das Wort zu einer zweiten, sehr persönlichen Laudatio ergriff. Darin schilderte er Eigenschaften des Ausgezeichneten, die nicht jedem bekannt sind: Dass Kurt Nelhiebel nämlich auch eine lyrische Ader hat. Bereits von seiner Kindheit an schrieb er Gedichte »voller Poesie«, wie Kniemeyer bemerkte. Ein Bändchen davon ist bereits vor einiger Zeit erschienen, und auch seine Dankesrede im Bremer Rathaus schloss Nelhiebel mit einem Gedicht.
Der Familienmensch Kurt Nelhiebel, der Frau und Sohn durch Todesfälle verloren hat, ist nach Einschätzung seines Nachbarn ein geschätzter Gesprächspartner, ein guter Fotograf, vor allem aber ein leidenschaftlicher Modellflugzeugbauer. Im Keller seines Hauses befindet sich eine Werkstatt, in der nicht nur ferngesteuerte Segelflugzeug-Modelle entstehen, sondern auch solche hängen.
Kurt Nelhiebel ist überdies ein begnadeter Zeichner, insbesondere von Karikaturen. Der Sohn des Verfassers dieses Berichts hat bereits in jungen Jahren einen Band von Conrad Talers Adenauer-Karikaturen bewundert und bis heute im Gedächtnis behalten.