Erst gespalten, dann zerschlagen

geschrieben von Janka Kluge

30. Juni 2018

Gewerkschaften und die faschistische Machtübernahme

Obwohl die Vernichtung des Marxismus erklärtes Ziel Hitlers war, glaubten viele Gewerkschafter noch Anfang 1933, dass er die Gewerkschaftsstrukturen nicht angehen würde. Bereits 1927 waren von dem Berliner Ernst Engel, der im gleichen Jahr Mitglied der NSDAP geworden war, Betriebszellen gegründet worden. Er selbst war ihr erstes Mitglied. Bereits ein Jahr später gab es neben dieser ersten Gruppe bei den Berliner Verkehrsbetrieben weitere Gruppen in anderen Berliner Betrieben. Von Anfang an war ihre Gründung der Versuch, Arbeiter zu organisieren, die Mitglieder der NSDAP waren, oder mit der Partei sympathisierten, also eine Art Gegengewerkschaft zu gründen.

Am 15. Januar 1931 wurden die Betriebszellen in die Reichsbetriebszellenabteilung der NSDAP überführt und standen von da ab unter zentraler Leitung der Partei. Unter dem Schlagwort »Hinein in die Betriebe« (Hib) versuchten sie, teilweise durch gewalttätige Überfälle auf Gewerkschaftsvertreter, ihre Stellung in den Betrieben auszubauen. Bis 1933 konnten sie jedoch nie die Bedeutung der Gewerkschaften in Frage stellen. Sie erreichten in ganz Deutschland gerade einmal 300 000 Mitglieder. Obwohl die Führung der NSDAP den Mitgliedern der Betriebszellen untersagte, aktiv Betriebsratspolitik zu machen, beteiligten sich einige der Zellen an Streiks für bessere Arbeitsbedingungen. Der berühmteste war der Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben 1932.

Franz von Papen, christlich konservativer Politiker, war von Juni bis Dezember 1932 Reichskanzler. Nur wenige Tage nachdem er Kanzler geworden war, hielt von Papen eine Rede vor dem Düsseldorfer Herrenclub, in der er den Plan vorstellte, dass die westlichen Länder gemeinsam die Sowjetunion angreifen sollten. Unter den Zuhörern waren viele Industrielle und Banker, die dann zu den Finanziers Hitlers wurden. Papen regierte mit Notverordnungen, weil sein »Kabinett der Barone« im Parlament keine Mehrheiten besaß. Eine dieser Notverordnungen legte eine Lohnkürzung fest, die über 20 Prozent ausgemacht hätte. In vielen Betrieben wurde daraufhin gestreikt. Bekannt wurde der Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben bei dem Mitglieder der kommunistischen Revolutionären Gewerkschaft Opposition (RGO) zusammen mit Vertretern der Betriebszellen die Streikleitung bildeten.

Viele Gewerkschaftsmitglieder hatten auch nach der Wahl vom Januar 1933 noch die Hoffnung, dass die Nazis sich nicht mit den Gewerkschaften anlegen würden. Sie vertrauten darauf, dass sie keine Kommunisten seien und deswegen in Ruhe gelassen würden. Die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung spiegelt die Zerrissenheit der Arbeiterbewegung insgesamt wieder. Bereits 1927 hatte die KPD dazu aufgerufen, innerhalb des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) eigene revolutionäre Gruppen zu bilden. Zuerst waren sie als Strömungen innerhalb der Gewerkschaft aktiv. Doch die Führung des von der SPD dominierten ADGB schloss immer mehr Mitglieder der Strömung aus der Gewerkschaft aus.

Auf Beschluss des Roten Gewerkschafts-Internationale und der Komintern kam es daraufhin auch in Deutschland zur Gründung von kommunistischen Gewerkschaften. Leider haben sich beide Seiten einen Bruderkampf geliefert, der die Spaltung der Arbeiterbewegung zementierte.

Als in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 der Reichstag brannte, begann die massenhafte Verfolgung von Kommunisten. Mit der am 28. Februar erlassenen »Verordnung zum Schutz von Volk und Staat« wurden alle Grundrechte abgeschafft. Viele Kommunisten und Antifaschisten wurden verhaftet und die Organisationen der kommunistischen Arbeiterbewegung verboten. Der Allgemeine Gewerkschaftsbund war zu diesem Zeitpunkt noch tätig.

Dass sich das schnell geändert hat, zeigt das Protokoll der Sitzung des Bundesauschusses des ADGB vom 11 April 1933. Darin wird beklagt, dass in zahlreichen Fällen Eigentum und Einrichtungen der Gewerkschaften angegriffen und die Tätigkeit ihre Funktionäre behindert werde. Wörtlich heißt es im Protokoll: »Die Gewerkschaften haben ein Recht auf den Schutz des Staates. Sie haben es umso mehr, als ihre politische Haltung und ihre Tätigkeit zu gewalttätigem Vorgehen gegen sie keine keinerlei Veranlassung bot.« Diese Anbiederung an die Nazis hat allerdings nichts genutzt. Am 1. Mai haben viele Gewerkschafter an den Aufmärschen und anschließenden Kundgebungen teilgenommen. Bereits einen Tag später wurden in ganz Deutschland die Gewerkschaftshäuser von der SA besetzt und die Gewerkschaften verboten.

Dafür wurde extra das »Aktionskomitee zum Schutz deutscher Arbeit« ins Leben gerufen. Weil in ihm hauptsächlich Mitglieder der Betriebszellen zum Zuge kamen, hatten diese die Hoffnung, dass aus den Betriebszellen die neue Arbeitervertretung entstehen würde. Doch ihnen wurde nicht verziehen, dass ein Teil von ihnen 1932 gemeinsam mit Kommunisten gestreikt hatte. Bereits am 10. Mai wurde die Deutsche Arbeitsfront (DAF) gegründet. Damit hatten die Arbeiter und Arbeiterinnen keine Interessenvertretung mehr in den Betrieben. Viele der ehemaligen aktiven Gewerkschafter wurden im antifaschistischen Widerstand aktiv.