Staatlich legitimierter Hass

geschrieben von Ulrich Schneider

27. Juli 2018

Zur Etablierung einer extrem rechten Regierung in Italien

Nachdem in Italien schon länger eine Stärkung offen faschistischer und rechtspopulistischer Parteien und Kräfte zu verzeichnen war, zeigte sich diese politische Stimmung auch bei den jüngsten Parlamentswahlen. Im Ergebnis erlebte man eine Renaissance von Berlusconis Forza Italia, eine erfolgreiche Südausdehnung der vormaligen Lega Nord und einen Aufschwung der rechtspopulistisch agierenden »Fünf Sterne-Bewegung«.

Die von der sozialdemokratischen PD auf den Weg gebrachte Wahlrechtsreform führte durch die Zersplitterung der linken und demokratischen Parteien dazu, dass die rechten Bündnissen zusammen fast zwei Drittel der Mandate erhielten. Anfangs sah es so aus, als käme es nicht zu einer Rechtsregierung, was einerseits an der Konkurrenz zwischen den Repräsentanten der Lega, der 5-Sterne-Bewegung und Berlusconi, andererseits an der Entscheidung des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella lag, den Kandidaten der Rechten nicht mit der Regierung zu beauftragen und seinen Kabinettsvorschlag abzulehnen. Die Entscheidung des Präsidenten, mit Carlo Cottarelli einen ehemaligen Direktor des IWF zum Chef eines »Technokraten-Kabinetts« zu ernennen, erwies sich jedoch nicht als umsetzbar. Anfang Juni bekam Conte den Auftrag, eine Regierung zu bilden – und er schuf eine offene Rechtsregierung, auch wenn Silvio Berlusconi dort keine Rolle spielt. Als politisches Schwergewicht agiert der Vorsitzende der »Lega« Matteo Salvini, der seine Partei seit einigen Jahren auf einen massiv fremdenfeindlichen Kurs gebracht hat. Er wurde als Innenminister vereidigt und ist damit unter anderem verantwortlich für die Flüchtlingslager in Lampedusa und anderen Orten.

Seine erste öffentliche Erklärung lautete, dass er 500-600.000 »illegale Flüchtlinge« ausweisen wolle. Er blieb jedoch die Antwort schuldig, wohin er diese Menschen zu schicken gedachte. Die »Schuldigen« an dem Flüchtlingsproblem machte er in Nordafrika aus, wobei er der tunesischen Regierung pauschal unterstellte, sie »exportiere« willentlich ihre Strafgefangenen. Dies führte zu einer ernsthaften diplomatischen Verstimmung – nicht nur mit Tunesien.

Als zweite Gruppe der »Schuldigen« benennt er die EU. Die durchaus berechtigte Kritik, dass auf der Basis der Dublin-Vereinbarungen Italien, aber auch die anderen Mittelmeer-Anrainer-Staaten mit der Bewältigung der Flüchtlingsbetreuung alleine gelassen werde, wird jedoch nicht im Sinne einer menschenwürdigen Behandlung der Menschen auf der Flucht gewendet, sondern als Begründung für noch rigidere Maßnahmen zur Entrechtung der Flüchtlinge, zur Internierung und zur Abschiebung in »Auffanglager« auf afrikanischem Territorium genutzt. Dass Salvini seine Drohungen ernst meint, zeigt die Weigerung, das Rettungsboot »Aquarius« mit über 600 Flüchtlingen in einem italienischen Hafen anlanden zu lassen. Gleichzeitig kündigte er an, die Lebensbedingungen der »illegalen« Flüchtlinge in Italien selbst zu verschlechtern, indem auch die Hilfsorganisationen angegriffen werden.

Wie weitgehend die rassistischen Attitüden der italienischen Rechtsregierung sind, zeigt die Ankündigung von Salvini, ein rassistisch definiertes Bevölkerungsregister (»censimenti etnici«) zu erstellen. Kritiker werfen ihm vor, dass er damit das »Judenregister« der Mussolini-Regierung wiederaufleben lässt, was die Vorstufe der Deportation italienischer Juden in die faschistischen Konzentrations- und Vernichtungslager darstellte. Damit wird erkennbar, dass die im Wahlkampf propagierte Distanz zu offenen Faschisten in der Forza Nuova oder Casa Pound eher plakativer Natur war, jedoch weniger inhaltlich.

Aber es regt sich auch Widerstand. In Italien demonstrierten im Februar 2018 zuerst in Macerata etwa 30.000 zumeist junge Menschen gegen einen rassistischen Mordanschlag. Später kam es zu Demonstrationen in Rom und über 100 italienischen Städten unter der Losung: »Wir verteidigen die antifaschistischen Werte der Verfassung und der Freiheit gegen alle Formen des Faschismus!« Allein in Rom beteiligten sich mehr als 100.000 Menschen. Die antifaschistische Organisation ANPI warnte vor der Wahl, hiermit erstarke »das Virus der Gewalt, Diskriminierung, Hass gegenüber denen, die sie als anders bezeichnen, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit«. Zu den aktuellen Plänen erklärte die Präsidentin von ANPI, Carla Nespolo, dass das geplante Bevölkerungsregister keine Legitimation in der italienischen Demokratie habe. Salvini greife damit die Verfassung an, auf die er geschworen habe. Man werde gemeinsam mit den Gewerkschaften und anderen Kräften dagegen den politischen Widerstand entwickeln.

Ob die aktuelle italienische Rechtsregierung eine längere Perspektive hat, ist zurzeit noch nicht abzusehen. Es ist aber zu befürchten, dass mit ihrem politischen Wirken nicht nur in Italien, sondern auch in anderen Teilen Europas staatlich geförderter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit an Einfluss gewinnen werden.