Vor 60 Jahren

geschrieben von Gerhard Hoffmann

30. September 2018

Die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald wird eingeweiht

Der sonore Klang der Glocke von Buchenwald ertönte am 14. September 1958 zum ersten Mal. Der zweite Septembersonntag war in der Deutschen Demokratischen Republik der Gedenktag für die Opfer des Faschismus. An jenem versammelten sich über 80.000 Menschen, darunter 4000 ausländische Gäste, um an der Einweihung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald teilzunehmen. Eine Urnenschale mit Asche und blutgetränkter Erde aus zweiundsechzig faschistischen Mordstätten war am Vortag in die Gruft des Glockenturms eingebracht worden. In den Feuerschalen der Pylonen an der Straße der Nationen mahnten die Flammen. Die feierliche Einweihung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte nahm der erste Ministerpräsident der DDR, Otto Grotewohl, vor. In seiner Ansprache sagte er:

»Zum ersten Mal schwingen heute die Glockentöne vom Turm der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte weit hinaus ins Land […] Die Stimmen der Toten und der Lebenden vereinigen sich in den Glockentönen zu dem mahnenden Ruf: Nie wieder Faschismus und Krieg … Friede sei ihr erst Geläute.[…] Über dieser Stunde steht das Wort: ›Ruhm und Ehre den Helden des Widerstands und den Opfern des faschistischen Terrors‹! Von hier aus erheben wir unsere Stimme in alle Richtungen und zu allen Menschen in Deutschland und über die Grenzen Deutschlands hinaus. Wir rufen die Lebenden zum Handeln. Wir mahnen sie, im Kampf gegen den Faschismus nicht zu erlahmen und die Menschen für den Frieden der Welt weiter zum Erfolg zu führen. […] Völker aller Länder, verteidigt das höchste Gut der Menschheit, den Frieden!«

In Grußworten ehemaliger Häftlinge aus dem Ausland fanden diese Gedanken lebhafte Unterstützung. Colonel Henri-Frédéric Manhès, ehemaliger französischer Internierter im KZ Buchenwald, Präsident der Fédération Internationale des Résistants dankte » […] dem deutschen Volk und den Staatsmännern der Deutschen Demokratischen Republik dafür, dass Buchenwald – das gestern tausendmal verfluchte Buchenwald – heute zu einem gigantischen Mahnmal geworden ist, dem ersten, das je ein Volk errichtet hat […] Von nun an wird die Glocke von Buchenwald jeden Tag ertönen […] für eine Zukunft des Friedens und der Freiheit.«

Ein Gelöbnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dem feierlichen Akt beendete die Einweihung. Fortan besuchten Millionen Menschen aus dem In- und Ausland diese Stätte.

Jahrzehnte erfolgreichen Wirkens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mahn- und Gedenkstätte, in das stets Überlebende mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen einbezogen waren, fanden mit der Veränderung der politischen Verhältnisse in Deutschland ihr Ende. Die Umgestaltung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte in die Gedenkstätte Buchenwald führte zwangsläufig zu inhaltlichen Konsequenzen. Das Gedenken trat in den Vordergrund, obwohl ausreichend Veranlassung besteht, das Mahnen nicht auszugrenzen. Das Vermächtnis des organisierten antifaschistischen Widerstands im KZ Buchenwald in Frage zu stellen, bedeutet, jenen das Tor zu öffnen, die rechtspopulistisches und neofaschistisches Gedankengut befördern und hoffähig machen.

Der Kerngedanke des Schwurs von Buchenwald »Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel«, hat seine Berechtigung behalten. Gerade weil er heute in Deutschland institutionellen Angriffen ausgesetzt ist, muss daran erinnert werden, dass er sinnstiftend für Errichtung und Arbeit der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte war. Es gibt für die Menschheit kein erstrebenswerteres Ziel, als im Schwur von Buchenwald formuliert. So bleibt der Schwur auch für die Nachgeborenen verbindlich – wie das beständige Mahnen und Gedenken.