Der Wehrkraft-Zersetzer

3. Oktober 2018

Zum 75. Todestag eines österreichischen Katholiken

Am 9. August 2018 jährte sich der Todestag des oberösterreichischen Bauern und Mesners Franz Jägerstätter, der aus religiösen Gründen den Kriegsdienst verweigerte, zum 75. Mal. An diesem Tage wurde Franz Jägerstätter nach Brandenburg/Havel gebracht und hingerichtet. Jägerstätter ist eine Ikone katholischen Widerstands in Österreich, man findet sein Schicksal auch in der Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.

Am 20. Mai 1907 erblickte Franz Jägerstätter als Franz Huber, Sohn der ledigen Bauernmagd Rosalia, in St. Radegund/OÖ, das Licht der Welt. Sein leiblicher Vater starb 1915 im Ersten Weltkrieg. Seine Mutter heiratete 1917 Heinrich Jägerstätter, der den jungen Franz adoptierte. Schon bald begann sich Franz Jägerstätter als Heranwachsender für Bücher, darunter auch religiöse Literatur zu interessieren.

Franz Jägerstätters Glaube war sehr intensiv und vertiefte sich noch weiter nach seiner Heirat mit Franziska Schwaninger im Jahre 1936. Drei gemeinsame Töchter wurden zwischen 1937 und 1940 geboren. Seine tief in der Religiosität verwurzelte Abneigung gegenüber dem Nationalsozialismus zeigte sich unter anderem darin, dass er an der Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 10. April 1938 ursprünglich nicht teilnehmen wollte. Erst seine Frau Franziska konnte ihn zur Teilnahme überzeugen, da sie negative Konsequenzen für die Familie fürchtete. Seine Nein-Stimme war die einzige in St. Radegund. Er nahm auch keine staatlichen (Sozial-)Leistungen des nationalsozialistischen Staates in Anspruch. Am 8. Dezember 1940 wurde Jägerstätter feierlich in den Dritten Orden des Hl. Franziskus aufgenommen.

Franz Jägerstätter

Franz Jägerstätter

Am 17. Juni 1940 erfolgte die erste Einberufung zur Wehrmacht. Zu diesem Zeitpunkt hatte er es noch als Sünde angesehen, den staatlichen Befehlen nicht zu gehorchen. So hatte er es abgelehnt, um eine Freistellung anzusuchen, auf Intervention des Bürgermeisters konnte er jedoch auf seinen Hof zurückkehren. Anfang Oktober 1940 wurde Jägerstätter ein zweites Mal in die Wehrmacht als Kraftfahrer in der Alpenjägerkaserne in Enns einberufen. Briefe an seine Frau zeigen, dass es ihm schwer fiel, willkürlich erteilte Befehle befolgen zu müssen. Die Kameradschaft unter Soldaten schien ihm nicht sehr groß und tiefgreifend. Erst während dieses zweiten Militärdienstes erlaubte Jägerstätter seiner Frau, sich bei der Gemeinde um ein Freistellungsgesuch zu bemühen. Anfang April 1941 konnte er heimkehren, wobei er fest entschlossen war, kein drittes Mal mehr einzurücken.

Selbst ein Gespräch mit dem Bischof von Linz, Joseph Fließer, konnte ihn von diesem Entschluss nicht mehr abbringen. Dieser meinte sinngemäß, dass Franz Jägerstätters Verantwortung gegenüber seiner Familie größer sei als die gegenüber Taten, die auf Befehl der Obrigkeit geschahen. Freilich konnten diese Worte Franz Jägerstätter, der im Wissen nationalsozialistischer Verbrechen – wie dem Euthanasieprogramm – gehandelt hatte, nicht mehr überzeugen. Folglich leistete Jägerstätter im Februar 1943 einer erneuten Einberufung zunächst keine Folge. Schließlich fuhr er aber doch nach Enns und meldete sich am 1. März nach einem Tag bei Pfarrer Krenn in Enns in der Kaserne, um sofort zu erklären, dass er keinen Dienst mit der Waffe leisten würde. Am Folgetag kam er in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis.

Am 4. Mai 1943 erfolgte eine überraschende Überstellung nach Berlin-Tegel. Selbst sein Pflichtverteidiger versuchte ihn von seinem Entschluss abzubringen, doch blieb Franz Jägerstätter auch bei Gericht standhaft. Als Katholik könne er nicht mit der Waffe für den Nationalsozialismus kämpfen. Am 6. Juli 1943 verurteilte ihn das Reichskriegsgericht wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode. Am 12. Juli 1943 fuhr sein Frau Franziska nach Berlin, um ihn ein letztes Mal zu sehen. Nach seiner Hinrichtung wurde seine Leiche in der Stadt Brandenburg eingeäschert. Am 9. August 1946 wurde die Urne in St. Radegund beigesetzt.

Franziska Jägerstätter war noch während des Krieges und danach vielen Anfeindungen ausgesetzt. Ihr wurde eine Mitschuld am Tode ihres Mannes zugeschrieben, weil sie ihn nicht von der Wehrdienstverweigerung abhalten habe wollen, was so nicht stimmt. Franz Jägerstätter fand auch keine Anerkennung als Widerstandskämpfer, wodurch sie erst 1950 die Witwenrente nach dem österreichischen Kriegsopferfürsorgegesetz zuerkannt bekam.

Auch die katholische Kirche tat sich anfangs schwer mit dem Fall Jägerstätter, was kircheninternen Gedankengängen über die Möglichkeit eines »gerechten Krieges« und der Rücksichtnahme auf Kriegsheimkehrer und Heimkehrer aus der Gefangenschaft geschuldet sein mag. Erst 1997 wurde der Seligsprechungsprozess offiziell eröffnet und am 21. Juni 2001 auf diözesaner Ebene abgeschlossen. Franziska Jägerstätter und die drei gemeinsamen Töchter wohnten am 26. Oktober 2007 der Seligsprechung Franz Jägerstätters im Linzer Mariendom bei.

Franziska Jägerstätter verstarb als Hundertjährige im Jahre 2013.