Neues (noch?) nicht in Sicht

17. Dezember 2018

antifa-Gespräch mit Ernst Grube über die Wahl in Bayern

antifa: Du warst ja in den letzten Monaten, auch mit Blick auf die Wahlen in Bayern, nicht gerade untätig. Mit deinen Möglichkeiten als bekannter Zeitzeuge und Aufklärer und deinen Funktionen in diversen Gremien und Institutionen. Jetzt ist die Bayern-Wahl gelaufen. Zufrieden?

Ernst Grube: Wie denn? Vom eigentlichen Ergebnis her hat sich doch, das politische Spektrum betreffend, wenig verändert. Bis auf die erschreckende, aber absehbare Tatsache, dass mit der AfD nun auch noch eine Partei der äußersten Rechten in den Landtag eingezogen ist. Auch wenn für die das Ergebnis nicht ganz so hoch ausgefallen ist, wie es sich ihre Oberen erhofft hatten. Ein Trost ist das aber nicht.

antifa: Der CSU hat ihre Anbiederei an die AfD anscheinend einige Verluste eingebracht. Mit dem Alleinregieren ist’s erstmal vorbei.

Ernst Grube: Das schon. Aber wenn es um Inhalte geht und wenn wir an die letzten Monate denken, dann hat man vom neuen CSU-Partner »Freie Wähler«, zumindest von deren Vorsitzendem Aiwanger, auch nur ähnlich Anbiederndes an AfD-Positionen gehört wie von der CSU. Mag sein, dass der jetzt versucht, das eine oder andere für seine ländlichen Anhänger rauszuholen. Ernsthafte Widersprüche gegenüber den CSU-Tonangebern fallen mir bisher nicht auf.

Die Film-Dokumentation »Ernst Grube, Zeitzeuge. Von einem der nicht aufgibt« von Christel Priemer und Ingeborg Weber (unser Bild – das Porträt, das für das DVD-Cover verwendet wurde, hat Gabriele Drexler gemalt) gibt ausführlich Aufschluss über den Leidens- und Lebensweg von Ernst Grube, seiner jüdischen Mutter und seiner Geschwister in der NS-Zeit und danach.

Die Film-Dokumentation »Ernst Grube, Zeitzeuge. Von einem der nicht aufgibt« von Christel Priemer und Ingeborg Weber (unser Bild – das Porträt, das für das DVD-Cover verwendet wurde, hat Gabriele Drexler gemalt) gibt ausführlich Aufschluss über den Leidens- und Lebensweg von Ernst Grube, seiner jüdischen Mutter und seiner Geschwister in der NS-Zeit und danach.

antifa: »Gefühlter« Sieger in diesem Wahlkampf sind eigentlich die Grünen. Die werden wohl, auch nach dem in dieser Höhe vorher doch nicht vermuteten Einbruch der SPD, ganz wichtig in der Opposition.

Ernst Grube: Der mehr als gewaltige Stimmen-Denkzettel für die SPD hing zweifellos mit der Großen Koalition in Berlin und deren Wackelpolitik zusammen. Ob die Grünen jetzt aber ihrer gewachsenen Oppositionsrolle gerecht werden, wird sich erst weisen. Nicht wenige von ihnen hätten schwarz-grün schon recht schön gefunden. Es hätte ja auch noch, so hat es zumindest kurz ausgesehen, für eine Opposition zusätzlich Die Linke geben können. Aber die hatte und hat es in Bayern bei Landtagswahlen besonders schwer. Darum reichte diesmal auch die Verdopplung ihrer Stimmen nicht aus.

antifa: SPD, Grüne, Linke – diese und noch ein paar andere, kleinere Parteien, von denen nicht alle für den Landtag kandidierten – waren rege und lautstark mit dabei, wenn in Bayern vor dieser Wahl gegen Demokratieabbau und Rassismus demonstriert und manifestiert wurde.

Ernst Grube: Damit wären wir ganz unabhängig von aktuellen Koalitionsverhandlungen beim eigentlich entscheidenden Thema: Es hat in den vergangenen Monaten Massendemonstrationen in Bayern und anderen Bundesländern gegeben gegen rassistische Hetze, gegen Neofaschismus und gegen die Anbiederung etablierter Politiker an solche Tendenzen. Bei vielen dieser Kundgebungen war ich dabei, nicht nur bei den ganz gewaltigen in München, sondern auch bei manchen in kleineren bis kleinsten Städten und Gemeinden, die sich auch sehen lassen konnten. Diese beachtenswerte Breite mag beim Wahlerfolg der Grünen eine wichtige Rolle gespielt haben. Es hilft aber leider niemandem, wenn man es nun dabei belässt.

antifa: Wie weiter also?

Ernst Grube: Gerade war ich in Erlangen. Da wurde mein Filmporträt gezeigt. Es ging bei der Veranstaltung, zu der über 80 Leuten gekommen waren, um den 9. November 1938. Gefragt, ob ich heute Angst hätte, dass sich so etwas wiederholen könne, habe ich auf die ganzen Demonstrationen in den vergangenen Monaten hingewiesen, auf das Engagement gegen Pegida, AfD und rechte Aufmärsche, auf die großen übergreifenden Aktionen wie »noPAG«, »ausgehetzt« und »jetzt gilt’s« in Bayern und »#unteilbar« in Berlin. Und darauf, dass hier eben nicht allein die bei solchen Themen meistens aktiven Parteien und Organisationen unterwegs waren, zu denen auch die VVN-BdA gehört, sondern dass es sich da um ganz große Bündnisse gehandelt hat. Zu deren Erfolg vor allem kleine und kleinste Gruppen und auch sonst Leute – Einzelpersonen von ganz unterschiedlicher Herkunft – aktiv beigetragen haben. Ich selbst wohne ja in Regensburg. Dort und nicht nur dort sondern in ganz vielen Städten und Gemeinden sind Leute miteinander zu Kundgebungen auf die Straße gegangen, die vorher noch nie auf so eine Idee gekommen wären. Auch wenn das Wahlergebnis dem noch nicht so entspricht, wie wir es gerne gehabt hätten: Mich stimmt das hoffnungsfroh.

Ernst Grube wohnt in Regensburg und München. Er ist 85 Jahre alt , Holocaust-Überlebender, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau und war viele Jahre lang Landessprecher der VVN-BdA Bayern. Derzeit ist er Mitglied des Münchner Kreisvorstands der VVN-BdA. Als Zeitzeuge ist Ernst Grube nach wie vor unterwegs in Bayern und darüber hinaus in Schulen, Hochschulen und anderen Einrichtungen weit über Bayern hinaus.

 

Interview: Ernst Antoni