Hinter den Kulissen Babylons

22. Januar 2019

Ein Gespräch zwischen Lena Sarah Carlebach und Thomas Willms

Lena: Seit zwei Jahren hängst du mir mit »Babylon Berlin« in den Ohren. Wie ist jetzt deine Meinung?

Thomas: Ich finde es problematisch, wenn aus meinen Gebühren ein Projekt mitfinanziert wird, dass ich dann ein Jahr nicht sehen kann, bloß weil die Öffentlich-Rechtlichen mit einem Privaten ein Geschäft geschlossen haben. Ganz zu schweigen, dass auch noch staatliche Filmförderung drin-steckt. Das gab es bisher in Deutschland so nicht. Aber im Grunde ist privat oder öffentlich-rechtlich ja egal, wenn was Gutes dabei herauskommt.

Lena: Also, es gefällt dir nicht?

Thomas: Das ist kompliziert. Du warst vor einem Jahr jedenfalls begeistert, ich erinnere mich gut.

Lena: Es war super spannend. Und ich habe mich richtig rein versetzt gefühlt in die Situation von Menschen im Jahr 1929, die so langsam merken, dass sich alles um sie herum verändert. Und habe gemerkt, dass ich schon beim Zuschauen einer Serie wahnsinnige Angst bekomme, bei der Vorstellung, Widerstand zu leisten. Meine Idee war, dass wir Babylon Berlin als Aufhänger für politische Arbeit nehmen könnten. Man könnte es gemeinsam anschauen und live diskutieren! So kann man sich wirklich vorstellen, wie das vielleicht gewesen ist und kann anfangen nach Parallelen zu Heute zu suchen plus: grandiose Aftershow-Partys mit Tanz und Federn! Okay, also vielleicht ist nicht alles grandios, aber ich dachte mir, dass man das doch nutzen können müsste… Du kennst nicht zufällig Tom Tykwer persönlich? Wohnt der nicht bei dir in Babelsberg? Außerdem warst du es doch, der schon bei den Dreharbeiten begeistert war.

Thomas: Das liegt aber auch daran, dass ich mich dauernd hinter den Kulissen bewege. Vor dem Außenset in Babelsberg steht mein Altglascontainer und daneben ist der Komparseneingang. Und Tom Tykwer steht ja für Qualität. Ich hatte die Hoffnung, dass endlich mal eine Serie in Deutschland gedreht wird, die internationales Niveau hat. Das hat mich verleitet dem Marketing einfach zu glauben. Und es ist auch wirklich optisch sehr beeindruckend geworden und jedenfalls kein revanchistisches Machwerk wie »Unsere Mütter, unsere Väter«. Aber lass uns doch erstmal über das Filmische reden.

Lena: Es ist alles so perfekt, alleine schon die Details dieser Arbeiterwohnung haben mich erschüttert – wie furchtbar groß das Elend in den Berliner Hinterhöfen gewesen ist, wie die Kamera diese grauenvolle Enge vermittelt.

Thomas: Man merkt, dass das viele Geld der Produktion war auf jeden Fall nicht verschwendet wurde und trotzdem gibt es mehrere absurde Fehler. Eine Ju 52 kann nicht nonstop 4.000 km fliegen und es gab sie 1929 auch noch gar nicht; Phosgen-Gas kann nicht explodieren, da unbrennbar. Und ganz zu schweigen davon, dass ein Tankwaggon nicht einfach von Leningrad nach Berlin fahren konnte wegen der unterschiedlichen Spurbreiten und dann noch die Quallen im Aquarium, die man so überhaupt nicht halten…

Lena: Jetzt wirst du kleinlich…

Thomas: Tja, in der Romanvorlage ist es ja auch nicht viel besser, aber da stört es nicht. In der Serie hat man den Eindruck, dass das Publikum um jeden Preis beeindruckt werden soll. Ein echtes Problem ist, dass die Handlung überkonstruiert wirkt und gerade die Hauptpersonen nicht überzeugen. Denen hat man zuviel Drama auf einmal verpasst.

Lena: Die weibliche Hauptperson ist ganz nebenbei auch noch Prostituierte…

Thomas: Das ist dieses dauernde Berlin-Gedöns, welches in die Vergangenheit verlagert wird. Drogen, Alkohol, Party, Sex, usw.. In Wirklichkeit ist Frankfurt/Main doch viel internationaler als Berlin.

Lena: Danke für die Blumen. Aber die Tanzszene ist trotzdem großartig.

Thomas: Okay, jetzt das politische …

Lena: 1929 ist doch das Jahr kurz bevor es gekippt ist. Was sehr stark herausgearbeitet wird, ist die Durchsetzung der Polizei durch antidemokratisches und antikommunistisches Gedankengut, der Korpsgeist, Waffenschmuggel, der Aufbau der Schwarzen Reichswehr, die geheimen Ausbildungsstätten in der Sowjetunion …

Thomas: … gipfelnd in einem Putschversuch gegen die SPD-geführte Regierung. Und da wird es dann schwierig. Im Prinzip ist ja alles richtig, aber im Konkreten werden historische Fakten und erfundene Geschehnisse vermischt. Im Grunde ist das »fake history«. Wer sich da nicht auskennt – und wer tut das schon – könnte glauben, dass tatsächlich 1929 Ludendorff den Kaiser an die Macht zurückputschen wollte. Immerhin haben das mehr als 7 Millionen Zuschauer gesehen.

Lena: Mag sein, aber Babylon wirkt doch auch noch anders, nämlich kulturell: Man sieht überall diese 20er Jahre-Klamotten, man wird zu Motto-Partys eingeladen, es gibt Leute, die hören dauernd die Filmmusik usw.. Und dass sich so viele mit dieser Zeit beschäftigen und zwar im Wesentlichen kritisch-aufklärerisch, kann uns doch nur recht sein, oder nicht?

Thomas: Schauen wir mal. Es kommt ja öfter vor, dass Serien Zeit brauchen, so wie dicke Bücher. Bis die dritte Staffel kommt, sind jedenfalls die Romane dran.

»Babylon Berlin« ist eine deutsche Fernsehserie, u.a. von Tom Tykwer, von der bisher zwei Staffeln erschienen sind. Sie basiert auf einer Reihe von Kriminalromanen von Volker Kutscher. Die Handlung um den Kommissar Gereon Rath ist im Berlin der 1920er und 1930er Jahre angesiedelt. Romane und Serie malen ein üppiges Gesellschaftsporträt, in dessen Mittelpunkt der aufkommende Faschismus steht.