Die Boykotteure boykottieren

20. Mai 2019

Zum Beitrag »Ansichten und Widersprüche« in antifa März/April

PC Walther kritisierte in der letzten »antifa« die antiisraelische »Boycott, Divestment, Sanctions«-Bewegung (BDS). Doch in seinem Artikel fehlen die meisten Kritikpunkte, die in der öffentlichen Debatte gegen BDS vorgebracht werden. Niemand muss diese Kritik ungeprüft stehen lassen oder sich zu eigen machen, aber es ist wichtig, sie zu kennen.

Zentrale Forderungen der internationalen BDS-Bewegung – von denen sich auch der deutsche Ableger nicht distanziert – zielen auf die Beendigung der Existenz Israels als Heimstätte und Zufluchtsort für jüdische Menschen ab. Solche Forderungen werden für eine große Mehrheit der jüdischen Israelis auf absehbare Zeit inakzeptabel bleiben. Der BDS-Gründungsaufruf von 2005 fordert die »Befreiung allen arabischen Landes«, nicht etwa nur das Ende der seit 1967 anhaltenden Besatzung. Außerdem wird ein »Rückkehrrecht« für alle palästinensischen Flüchtlinge gefordert. Weil der palästinensische Flüchtlingsstatus seltsamerweise als erblich gilt, beträgt die Flüchtlingszahl mittlerweile mehrere Millionen. Eine Einwanderung aller dieser Menschen würde die jüdischen Israelis zur Minderheit in Israel machen. Wohl keine israelische Regierung wird dem je zustimmen.

Die BDS-Bewegung ist über ihr »National Committee« organisatorisch mit palästinensischen Terrororganisationen wie Hamas und Islamischer Dschihad verbunden und steht insbesondere der »Volksfront zur Befreiung Palästinas« (engl. Abkürzung PFLP) nahe. Die PFLP ist für zahlreiche Morde an jüdisch-israelischen Zivilpersonen verantwortlich und trägt ihr Streben nach einem Groß-Palästina ohne Israel bereits in ihrem Abzeichen zur Schau. Bei den oft unfriedlichen BDS-Aktionen in Deutschland war und ist passend dazu auch folgende Parole zu hören: »From the river (Jordan) to the sea (Mittelmeer), Palestine will be free«. Die Berliner »Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus« (RIAS) belegt zahlreiche antisemitische Vorfälle und auch Übergriffe im Zusammenhang mit BDS-Aktionen (www.report-antisemitism.de).

BDS richtet sich unterschiedslos gegen alles Israelische und auch gegen zivilgesellschaftliche Initiativen, etwa gewerkschaftliche und kulturelle, bei denen es um friedliche Begegnung und Kooperation von jüdischen und arabischen Israelis sowie Menschen aus den palästinensischen Gebieten und den Nachbarländern geht.

In der deutschen Debatte ist oft zu hören, dass BDS hierzulande unweigerlich an die antisemitischen Boykottkampagnen der Nazis à la »Kauft nicht bei Juden!« erinnere. Höchst kontrovers wird zudem auch mit Blick auf BDS diskutiert, ob und inwiefern sich antiisraelische, antizionistische Positionen von antisemitischen abgrenzen lassen. Manche Menschen wollen den Begriff des Antisemitismus ausschließlich für dessen traditionelle, religiös und rassistisch begründete Formen reservieren. Andere Leute verweisen auf die Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit dieser menschenverachtenden Ideologie, auf mittlerweile global verbreitete antisemitische Verschwörungserzählungen, auf einen insbesondere in Deutschland vorhandenen »Post-Shoah-« oder Nachkriegsantisemitismus sowie auf einen israelbezogenen Antisemitismus.

Derlei Debatten sind wichtig, aber auch ohne Einigung in diesen Fragen ist für mich offensichtlich, dass BDS gegen eine friedliche, dauerhafte und gerechte Lösung des Nahostkonfliktes arbeitet und diese antiisraelische Boykottbewegung daher boykottiert werden sollte.

 

Mathias Wörsching (Berlin-Pankow)