Die »Blockowa« aus Ravensbrück

geschrieben von Gerald Netzl

23. Juli 2019

Die österreichische Widerstandskämpferin und SPÖ-Politikerin Rosa Jochmann

Rosa Jochmanns Biografie ist die einer stolzen Proletarierin des Roten Wien der Zwischenkriegszeit; einer stolzen Proletarierin und Sozialdemokratin, die die Februarkämpfe 1934 und damit das – vorläufige – Ende dieser großen Emanzipations- und Kulturbewegung hautnah miterlebte.

Unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus dem KZ setzte sie ihre politische Tätigkeit in der SPÖ fort, wurde Vorsitzende des Frauen-Zentralkomitees der SPÖ (bis 1967) und Nationalratsabgeordnete. Von 1949 bis 1990 war sie Vorsitzende des Bundes Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen, von 1984 bis 1994 Vorsitzende der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück. Ihr Leitmotiv blieb durch all die Jahre unverändert: »Alle sind uns willkommen, die mit uns gemeinsam gegen die erstarkenden Kräfte des Faschismus auftreten wollen … Der Kampf, den wir führen, ist ein Kampf der nie zu Ende geht!«

Ravensbrück

Rosa Jochmann bei einer Kundgebung für Frieden und gegen Faschismus in Eisenstadt/Burgenland, 16. September 1982 (Foto: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung)

Rosa Jochmann bei einer Kundgebung für Frieden und gegen Faschismus in Eisenstadt/Burgenland, 16. September 1982 (Foto: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung)

Kurz nach dem sogenannten »Anschluss« im Jahr 1938 wurde Rosa Jochmann vorübergehend festgenommen und verhört. 1939 verhaftete die Gestapo sie erneut. Nach vielen Monaten der Ungewissheit in Haft wurde Rosa Jochmann unter »Schutzhaft« gestellt und in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, deportiert, wo sie bis zur Befreiung 1945 überlebte. In der Funktion der »Blockältesten« des politischen Blocks, die Rosa Jochmann bis in das Jahr 1943 innehatte, konnte sie zahlreichen Mitgefangenen helfen. Gemeinsam mit anderen politischen Häftlingen organisierten die Frauen zusätzlich Nahrungsmittel oder Medikamente. Die exponierte Position als Blockälteste hatte für Rosa Jochmann nachhaltige Folgen: Zweimal wurde sie in den »Bunker« gesperrt. Das erste Mal für einige Wochen, das zweite Mal über ein halbes Jahr. Eine Mitgefangene, die von ehemaligen Ravensbrückerinnen als Spitzel bezeichnet wurde, hatte sie bei der SS denunziert. Und Rosa Jochmann hatte eine besondere Begegnung mit Heinrich Himmler:

»Der Massenmörder Himmler und ich«

»Das war im Januar 1941, ihr wisst ich war die Blockowa vom Pol. Block und der Reichsführer Himmler war angesagt. Was der Besuch bedeutet hat wisst ihr, wochenlang wurden wir geschunden, sogar die Regenrinnen mussten wie Silber glänzen auch die Mülleimer, es war furchtbar und dann kam er.

Vorher hatte mich die Ober-Aufseherin Langenfeld (sie war aus München hatte eine Schwäche für die Politischen und die Polinnen, hat einen Sohn, sie ist vor einigen Jahren gestorben), also sie rief mich an und teilte mir mit, dass ich dem Herrn Reichsführer den Rapport erstatten müsse, er würde mich dann anreden und ich sollte ihn um meine Entlassung bitten. – Dass ich das auf keinen Fall tun würde ihn um die Entlassung zu bitten war für mich klar!

Und dann kam er mit lauter höchsten Offizieren, da war sicher der Massenmörder Eichmann darunter und eigentlich waren sie das alle. Himmler salutierte und ich sagte meinen Spruch auf: ›Blockälteste Rosa Jochmann, geboren am 19. Juli 1901 – Nr. 3014 meldet so und so viele im Block, so und so viele im Strafblock, so und so viele im Revier und so und so viele im Bunker.‹ (Die Zahlen weiß ich natürlich nicht mehr!) Anschließend fing der Reichsführer zu fragen an wie lange ich im Lager sei? Warum? Was meine Aufgabe sei? Das Alles habe ich kurz und bündig beantwortet und dann entstand eine lange Pause. Die Oberaufseherin sah mich beschwörend an, aber ich schwieg und ließ kein Auge von dem Massenmörder, da salutierte er und ging. Ging in den Block und dort war bereits vorbereitet wer von der Oberaufseherin ihm vorgestellt werden soll. Es waren 6 Häftlinge, jede Einzelne wusste, dass sie um die Entlassung bitten soll und sie taten es und wurden am nächsten Morgen entlassen.

Ich schreibe das nicht vorwurfsvoll weil sie um die Entlassung gebeten hatten, denn sie hatten Familie zuhause, hatten Kinder, eine hatte eine kranke Mutter, also es war richtig, dass sie sich diese Bitte abgerungen hatten, es fiel ihnen schwer genug! … Der Reichsführer kam aus dem Block, ich stand noch immer an der gleichen Stelle und einen Moment zögerte er, dann aber trat er nochmals auf mich zu ‚Sind Sie verheiratet?‘ ‚Nein ich habe einen Lebensgefährten.‘ ‚Wo ist dieser?‘ ‚In Buchenwald‘, und wieder trat eine Pause ein, aber ich schwieg und dann sah er die Oberaufseherin an, salutierte und weg war er mit samt seinen Mitmördern.

Nicht lang danach ließ mich die Oberaufseherin rufen ›Sind Sie wahnsinnig, warum haben Sie den Herrn Reichsführer nicht um Ihre Entlassung gebeten?‹ Darauf überlegte ich, aber die Oberaufseherin war zwar eine begeisterte Nazi, aber sie war ansprechbar und so sagte ich nach einer Weile ‚Frau Oberaufseherin entschuldigen Sie bitte, aber vielleicht habe ich einmal die Freude Sie in der Freiheit zu sehen, dann kann ich Ihnen die Antwort geben, jetzt aber kann ich es nicht!‘ Sie sah mich eine Weile sinnend an dann eine Handbewegung und ich konnte abtreten.«

www.rosajochmann.at