Hilfe in der »KZ-Plantage«

geschrieben von Ernst Antoni

25. September 2019

Erinnerung an die »Zivilangestellte« Resi Huber

Seit einigen Jahren gibt es in München einen Platz, der nach Resi Huber benannt ist. Die so Gewürdigte hätte diese Ehrung zu ihren Lebzeiten bestimmt nicht für möglich gehalten und vermutlich ähnlich reagiert wie gewohnt, wenn man ihre einstigen Hilfsdienste für Gefangene im KZ Dachau als »Widerstand« bezeichnete.

Das sei doch übertrieben. Freilich sei es für sie gefährlich gewesen, aber unter wirklichem Widerstand verstehe sie doch etwas anderes. Dann wusste sie eine Reihe von Namen zu nennen von Frauen und Männern, deren Widerstandshandlungen gegen das NS-Regime sie beeindruckt hatten. Menschen aus der Arbeiterbewegung oft, die ihren weiteren Lebensweg nach der Befreiung vom Faschismus unmittelbar mit geprägt hatten, aber auch andere vor denen sie Respekt hatte.

Als Antifaschistin blieb die im März 2000 verstobene Resi Huber ohnehin jahrzehntelang engagiert. In der VVN-BdA, im Bildungs- und Erholungshaus am Ammersee, einer Holzhütte, die nach ihrem letzten Lebensgefährten, dem Widerstandskämpfer Otto Huber, benannt worden war. Und vor allem als Friedensbewegungs-Aktivistin: »Ich glaube,« sagte sie einst, »dass ich, rechnet man die Kilometer zusammen, für den Frieden schon um die ganze Welt demonstriert bin.«

Als Antifaschistin blieb die im März 2000 verstobene Resi Huber ohnehin jahrzehntelang engagiert. In der VVN-BdA, im Bildungs- und Erholungshaus am Ammersee, einer Holzhütte, die nach ihrem letzten Lebensgefährten, dem Widerstandskämpfer Otto Huber, benannt worden war. Und vor allem als Friedensbewegungs-Aktivistin: »Ich glaube,« sagte sie einst, »dass ich, rechnet man die Kilometer zusammen, für den Frieden schon um die ganze Welt demonstriert bin.«

Therese Huber, die »Huber Resi« – eine Vornamens-Verkürzung, die außerhalb Bayerns gerne als Verniedlichung wahrgenommen wird, passend zu Dirndl- und sonstigen Klischees, die aber im näheren Sprachumfeld der so Bezeichneten durchaus auch für Resolutheit stehen kann – kam Ende 1920 in der Stadt Dachau auf die Welt. In »einfachen Verhältnissen« lernt sie Not und Hunger kennen, aber auch Lebensfreude und Solidarität. »Die schönste Zeit« in ihrer Kindheit sei die gewesen, die sie dort im »Arbeiter-Turn- und Sportverein« erlebt habe. Diese Zeit war kurz bemessen, der Verein wurde nach der Machtübernahme der Nazis als erster verboten.

Resi zu jener Machtübernahme und zu denen, die es nach 1945 alle nicht gewesen sein wollten: »Ich denk, ich seh nicht recht. Da haben wir einen ganz unscheinbaren Nachbarn gehabt. Und kaum waren die Nazis dran, ist der in SA-Uniform daher marschiert gekommen. Und das war wirklich nicht der einzige.« Sie selbst macht in dieser Zeit ihren Schulabschluss, danach eine kaufmännische Lehre und landet schließlich 1942 an einer besonderen Arbeitsstelle: Im Verwaltungsbüro der beim Konzentrationslager Dachau gelegenen »Plantage«.

Vermittelt hat ihr diesen Job eine ehemalige Schulfreundin. Im Herbst 1941 ist zuerst Resis Bruder im Krieg gefallen, ein Monat später der Vater gestorben, Sie muss nun allein für den Lebensunterhalt der Mutter und einer Pflegeschwester sorgen. »Ich habe ganz bewusst lügen müssen«, erzählt sie später, »und angeben, dass ich Schreibmaschine und Steno kann. Mit tausend Ängsten bin ich da runter gegangen. Sie haben mich in die Buchhaltung gesetzt.«

Die »Plantage«, in der Umgebung verniedlichend auch »Kräutergarten« genannt, war kein unmittelbarer Bestandteil des Konzentrationslagers. Sie war ein Lieblingsprojekt des SS-Führers Heinrich Himmler, der ein Faible für »Naturheilkundliches« hatte und deshalb auf einem beinahe 150 Hektar umfassenden Areal Versuchsfelder anlegen und Gewächshäuser aufstellen ließ, um dort mit Pflanzen aller Art experimentieren zu können. Vorausgegangen waren Trockenlegungen.

Resi Huber: »Das ganze Gelände war vorher voll Moorboden. Aus dem KZ sind Gefangene eingesetzt worden, die haben die ganz Erde abtragen und entwässern müssen. Das Häftlingskommando, das diese Arbeit hat machen müssen, waren vor allem Zigeuner, also Sinti und Roma, und Juden. Von denen, die dort arbeiten haben müssen, hat kaum einer überlebt. 1938 haben sie mit den Erdarbeiten angefangen, 1939 mit den Gebäuden. Eins davon war die ‚Pfeffermühle‘, in die ich 1942 gekommen bin.«

Mit der »Plantage« stand kürzlich in der Süddeutschen Zeitung, wollte Himmler »die deutsche Volksgesundheit verbessern«. »Für diesen Zweck wurde die ‚Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung‘ gegründet, die Himmler persönlich unterstand. Das Geschäft basierte auf Sklavenarbeit. Zwischen 1939 und 1945 starben auf der Plantage mehr als 800 KZ-Häftlinge.«

Resi Huber war während ihrer Arbeit dort nur ein kleiner Teil der Anlage zugänglich, die in dieser Beschäftigten meist politische Gefangene aus Deutschland und Polen und katholische Geistliche. Resi und einige ihrer Kolleginnen haben Kontakt mit Häftlingen, beginnen diese mit Lebensmitteln und Informationen von draußen zu versorgen und schaffen es, deren Nachrichten an Angehörige nach draußen zu schmuggeln und weiterzusenden. Bei Resi Huber ergibt sich so schließlich eine Beziehung zu einem der Gefangenen, ein deutscher Kommunist, der später ihr erster Mann und Vater ihrer 1944 und 1947 geborenen Kinder wird.

All diese Erlebnisse, 1945 dann auch noch jener kurze »Dachauer Aufstand« im Rahmen der »Freiheitsaktion Bayern«, an dem sich KZ-Häftlinge beteiligen und auch Resi an der Seite eines Bekannten aus dem Arbeitersport, prägen ihren weiteren Lebensweg. Sie schließt sich nach 1945 den Kommunisten an, bleibt diesen bis zu ihrem Lebensende verbunden und macht daraus – inzwischen seit langem in München beheimatet und dort vor allem auch kommunal- und regionalpolitisch aktiv – nie ein Hehl. Gerade deshalb war diese Platzbenennung in München-Sendling beachtlich, zeugte sie doch vor einer Anerkennung weit über Parteigrenzen hinweg.

 

Die Zitate in diesem Artikel entstammen der 2003 in München vom »Freundeskreis der Otto-Huber-Hütte« veröffenlichten Broschüre »Das Wild-Reserl und die KZ-Plantage. Wie eine junge Dachauerin zur Antifaschistin wurde.«