»Tod durch Erhängen durch die Staatspolizei«
28. September 2019
Neuerscheinung in der Broschürenreihe über die NS-Lokalgeschichte Lüneburgs
Die Autoren zeichnen darin das kurze Leben des polnischen NS-Zwangsarbeiters Marjan Kaczmarek nach, der im Oktober 1942 in Lüdershausen von der Lüneburger Gestapo erhängt wurde. Marjan Kaczmarek wurde 1940 als erst 15-Jähriger aus seiner Familie und seinem Heimatort Rebieskie (bei Sieradz) herausgerissen und von den Deutschen zur Zwangsarbeit ins Reich verschleppt. So kam er als Landarbeiter auf einen Bauernhof in Lüdershausen. Ein eher harmloser Konflikt im Sommer 1942 mit zwei als »Landwacht« eingesetzten Feuerwehrleuten des Dorfes führte schließlich zu Marjans Exekution in einem Wäldchen am Rande des Ortes.
Die Autoren versuchen in ihrer Broschüre den »Tathergang« zu rekonstruieren ebenso wie das politische Umfeld, das die Ermordung des jungen Polen ermöglichte. Sie schildern die Strukturen in dem Elbmarschdorf, die Dominanz der örtlichen Feuerwehr als identitätsstiftende Einrichtung und die Nazifizierung der Bevölkerung (über 71 % NSDAP-Stimmen bei der Reichstagswahl im März 1933). Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der damals ausgerufenen »Ernteschlacht für den Sieg«. Auf dieZwangsarbeitskräfte unbedingt angewiesen, überzogen die Nazis diese Menschen trotzdem mit einer Fülle von schikanierenden Vorschriften, die die Unterordnung der »Fremden« unter die »Herren« gewährleisten sollten. Bei Überschreitung dieser engmaschigen Verhaltensregeln drohten nicht nur drakonische Strafen; vielmehr tobte sich ein rassistischer »Volkszorn« aus, wie auch im Sommer 1942 in Lüdershausen geschehen.
Das Bündnis der Einheimischen gegen den »Fremdarbeiter« hielt über das Ende der Nazi-Zeit hinaus: Der Frage, warum Marjan Kaczmarek auch nach 1945 am Ort nie die Chance gegeben wurde, als Nazi-Opfer betrauert und geehrt zu werden, gehen die Autoren in weiteren Kapiteln nach. Sie beschreiben ihren gescheiterten Versuch, ab 2003 selbst mit Ortspolitik und -feuerwehr in ein Gespräch über Geschehnisse zu kommen und ebenso das am Ende eingestellte Verfahren, das sie mit ihrer Strafanzeige bei der Lüneburger Staatsanwaltschaft im Jahr 2011 ausgelöst hatten.
Eine Ursache für die hartnäckige »Abwehr der Erinnerung« sehen die Autoren in der rechtskonservativen- Restaurationspolitik in Lüneburg ab 1951. Deshalb stellen sie im Anhang die Integration von Nazi-Tätern in die Nachkriegs-Gesellschaft Lüneburgs dar: Zum einen betrifft das den unmittelbar an Marjan Kaczmareks Exekution beteiligten ehemaligen Lüneburger NSDAP-Kreisgeschäftsführer Karl Jahns; zum anderen geht es um zwei »Rasseexperten der Tat und des Wortes«: Hildebert Böhm (Gründer der Lüneburger Nordostdeutschen Akademie und Vorständler des Nordostdeutschen Kulturwerks) und »SS-Obersturmführer« Freiherr Otto von Fircks (CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Trägervereins des Ostpreußischen Landesmuseums). Beide waren federführend als Akteure an den faschistischen Umsiedlungsaktionen in Polen beteiligt und damit verantwortlich für die Deportation von Menschen wie Marjan Kaczmarek.
Mit der Herausgabe ihrer Schrift verbinden die Autoren die Hoffnung auf eine konstruktive Diskussion der Einwohnerschaft Lüdershausens über die beschriebenen Geschehnisse mit dem Ziel, eine würdige Form des Gedenkens zu finden.
Die Schrift »Tod durch Erhängen durch die Staatspolizei« ist zum Selbstkostenpreis von 5,00 Euro im Cafe Avenier in der Katzenstraße zu erwerben oder im Büro der VVN-BdA per E-Mail vvn-bda-lueneburga@vvn-bda-lg.de zu bestellen.