Im Regierungsmodus

geschrieben von Thomas Willms

1. Oktober 2019

Der »unaufgeregte« Militarismus der AfD

Auch öde Pressekonferenzen können erhellend sein. Eine solche fand am 26.6. in Berlin statt, als der »Arbeitskreis Verteidigung« der AfD-Bundestagsfraktion sein Papier »Streitkraft Bundeswehr« der Öffentlichkeit vorstellte. Fünf Herren, allesamt Ex-Militärs, in der Mitte Frontmann Rüdiger Lucassen, führten nicht nur äußerlich stocksteif vor, wie man so etwas nicht macht. Christian Lüth, dem eigenen Pressesprecher gefiel das Ganze offenbar auch überhaupt nicht. Flegelhaft suchte er seine Abgeordneten zu mehr Wumms zu bewegen, ohne Erfolg. Und der Kontrast zwischen diesem Rüpel und den biederen Herren ist es, der aufmerken lässt. Hier der Öffentlichkeitsarbeiter, der genau weiß, dass seine faschisierte Partei das ins Hysterische kippende Extrem braucht – dort, ja was?

Die zahlreichen Ex-Militärs in der AfD – geschätzt werden 2.000 von 35.000 Mitgliedern – bilden das ganze Spektrum der Partei ab. Es reicht vom Flügel-Frontmann und Ex-Fallschirmjäger Andreas Kalbitz bis zu Georg Pazderski oder Uwe Junge, der von »roten Linien« gegen die Extremisten in den eigenen Reihen spricht, wozu ganz sicher Kamerad Kalbitz gehört.

MdB Lucassen zählt zur »Realo«-Gruppe und visiert das Amt des Landesvorsitzenden in NRW an. Er hat fast sein ganzes Leben in der Bundeswehr verbracht, zehnmal so lang als in der AfD. Von seiner Partei – dem »hinteren Kampfraum« erholt er sich bei Besuchen in der Truppe, die er als Parlamentarier absolvieren kann. Das »klare Umfeld« tue ihm gut.

Und so klärt es sich: Dieser »Arbeitskreis« ist keine AfD-Gruppe, die Ideen für die Bundeswehr aufstellt, sondern es ist umgekehrt. Hier formulieren tief ins Denken der Bundeswehr eingebettete Personen deren Zielvorstellungen via AfD. Man schreibt: »Als ›Staatsbürger in Uniform‹ haben die Männer und Frauen der Bundeswehr das Recht, ihr soldatisches Selbstverständnis wesentlich mitzubestimmen und weiterzuentwickeln«.

Lucassen und Kollegen sind »Grown ups« wie man im Amerikanischen sagen würde – »Erwachsene«. Ihr Papier ist kein herbei fantasiertes Pamphlet wie der Großteil der AfD-Produkte, sondern ein echtes Arbeitspapier für eine Partei im Regierungsmodus. Es geht von einer Zustandsbeschreibung aus, der man Realitätssinn nicht absprechen kann. Die Bundeswehr ersticke an sich selbst, an der Doppelstruktur aus Militär- und Ministeriumsverwaltung, an unklaren, kurzfristigen und kurzsichtigen Zielstellungen, an schlecht organisierten Waffenbeschaffungsprogrammen, mangelnder Ausbildung, schwacher gesellschaftlicher Einbindung und über allem thronend: dysfunktionaler politischer Führung.

Die AfD/Bundewehr-Gruppe möchte nun im Rahmen eines auf 10 bis 15 Jahre angelegten Programmes die Armee »vom Kopf auf die Füße stellen«. Ausgangspunkt soll der Auftrag »Landesverteidigung« sein, nicht irgendwelche Missionen in Mali oder anderswo. Man möchte wieder richtig kämpfen können und zwar mit mehr als nur einer Brigade wie es derzeit der Fall sei.

Ohne den Größenwahn, wie er in der deutschen Militärgeschichte des 20. Jahrhunderts typisch war, tritt man für die klare Einbindung in die NATO ein. Mehr Geld soll fließen, aber nicht als pauschale »2%-vom BSP« – was ja tatsächlich nur ein Fetisch ist. Man fordert die Rückkehr zur Wehrpflicht, die Einrichtung eines Generalstabes, die Förderung der Rüstungsindustrie, die Erlaubnis zum Einsatz im Innern, den Aufbau einer Nationalgarde, öffentliche Vereidigungen und Paraden zum 3. Oktober. Was man -realistischerweise nicht fordert ist die atomare Teilhabe der Bundeswehr. Geschichtspolitisch hält man sich bedeckt, historische Persönlichkeiten solle man nach Einzelfallprüfung würdigen oder nicht. Das wird wohl heißen: Erwin Rommel ist okay; Wilhelm Keitel nicht. Da war der Traditionserlass der Bundeswehr von vor 1983 rechtsradikaler.

Lucassen weiß zu erzählen, dass im Verteidigungsausschuss mancher Abgeordnete aus anderen Parteien ihren Forderungen zuneige. Man darf annehmen, dass das stimmt. In einem Punkt hatte man sogar schon praktischen Erfolg. Die Forderung: »Das Tragen der Uniform in der Öffentlichkeit wird gefördert. Der Bund schafft dafür Anreize in Form von Vergünstigungen.« wird bereits durch das kostenfreie Bahnfahren in Uniform umgesetzt.

Zu erwähnen ist auch noch die Hauptstadtpresse, die der Pressekonferenz beiwohnte. Auch die hatte schon verstanden, dass hier Regierungsverantwortung in spe zelebriert wird. Hinterfragt wurden nicht die Forderungen und Thesen, sondern nur, ob die ganzen schönen Beschlüsse denn auch von der Partei getragen werden würden.

https://www.afdbundestag.de/wp-content/uploads/sites/156/2019/06/Endfassung-SK-Bundeswehr-26.06.pdf