Teure Siege

geschrieben von Thomas Willms

19. Oktober 2019

Wie lange wird die AfD sie halten?

Die AfD hat mit den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen zwei Schlachten gewonnen. Die erzielten Prozente setzen sich um in Parlamentssitze, Mitarbeiter*innenarbeitsplätze, Büros, mehr Sitze in Ausschüssen und Kommissionen, mehr Redezeit in den Parlamenten, in höhere Summen bei der Parteienfinanzierung und mehr Aufmerksamkeit in den Medien. Ihre Bindungen an die Wähler*innen konnten durch intensiven Wahlkampf mit vielen Auftritten im öffentlichen Raum gefestigt werden. In Sachsen noch stärker als in Brandenburg, wurde sie nicht aus Protest gewählt, sondern genau weil sie so ist wie sie ist. Innerparteilich bedeuten die Wahlen eine Stärkung des extrem rechten »Flügels«, sicherlich mit Auswirkungen auf die Bundesvorstandswahlen Ende November in Braunschweig.

All das ist nicht überraschend, sondern ein Durchmarsch, der sich seit vielen Monaten abzeichnete. Aber gönnen wir uns einen kleinen Zeitsprung. Man schaue sich Björn Höckes Rede auf dem Kyffhäuser-Treffen am 8. Juli an. Hier redet sich jemand in eine Siegeszuversicht hinein, die er zu verlieren beginnt. Denn »Sieg« ist nicht irgendeine blöde Landtagswahl, bei der man 25 Prozent erhält, sondern etwas viel Größeres: der politische und ideologische Umsturz in ganz Deutschland. Alles andere zählt letztlich nicht, ist nur Mittel zum Zweck. Höcke weiß, dass er dabei ist, an die Grenzen der inhaltlichen Reserven zu gehen. Er sieht sich genötigt, noch vor seinen Lieblingsthemen auf das zu kommen, was ihm Angst macht. Die AfD »kann nicht Klima«. Er rät seinen Leuten zum Ausweichen und muss eine viertel Stunde vortragen wie man das macht, wie man etwas leugnet was nicht zu leugnen ist. Auch Andreas Kalbitz verlor im Wahlkampf beim selben Thema öffentlichkeitswirksam die Nerven und beschimpfte Greta Thunberg als »zopfgesichtiges Mondgesicht«.

Als zweites usurpierte die AfD den Umbruch von 1989 mit dem Slogan »Vollende die Wende!«. Der Bayer Kalbitz und der Westfale Höcke inszenierten sich und die AfD-Anhänger als Opfer einer Art BRD-Stasi. Ost-Protest, der einmal irgendwie links war, ist jetzt rechtsradikal. Mit geistigem und psychologischem Extremismus hat es die Partei geschafft, ein Fünftel des Elektorats aufzuputschen und an sich zu binden, wahrscheinlich sogar ziemlich fest.

Aber diese zwei ins Irreale führenden ideologischen Steigerungen, aktuell wirksam im Setting zweier ostdeutscher Bundesländer, lassen sich weder auf die westlichen Bundeländer noch auf die nachwachsenden Generationen übertragen.

Die AfD kann, falls nicht irgendetwas Katastrophales eintritt, nicht mehr alleine siegen. Sie braucht dafür Helfer, nützliche Idioten, Konformisten, gewissenlose Karrieristen und sich selbst überschätzende Konservative. Nicht zuletzt braucht sie Gegner, die nur noch mutlos, verunsichert und desorganisiert sind. Nun, letzteres zu verhindern liegt in unserer Hand.