Die Würdigung kam spät
12. November 2019
Georg Elser wollte mit Hitler-Attentat »den Krieg verhindern«
Es dauerte mehr als ein halbes Jahrhundert, bis die BRD offiziell eine Aktion des Widerstands anerkannte, die – wenn sie Erfolg gehabt hätte – den Verlauf des Zweiten Weltkriegs sicherlich nachhaltig verändert und Millionen Menschenleben gerettet hätte: Das Attentat des Georg Elser vom 8. November 1939.
Georg Elser, geboren am 4.1. 1903 in Hermaringen/ Württemberg, stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Nach einer Zeit als Landwirtschaftsgehilfe lernte er erst Eisendreher, später Schreiner.
Auf seiner Wanderschaft als Schreinergeselle arbeitete er bei verschiedenen Schreinereien rund um den Bodensee, wobei er als Möbelschreiner auch in zwei Uhrenfabriken tätig war. Er erlebte die Folgen der Wirtschaftskrise, trat 1928/29 der Holzarbeitergewerkschaft bei und wurde Mitglied im Roten Frontkämpferbund sowie der Naturfreunde.
Als sein Betrieb 1932 Konkurs anmeldete, erhielt er anstelle ausstehenden Lohns mehrere Uhrwerke. Zwei dieser Uhrwerke verwendet er 1939 für seine Zeitbombe im Münchner Bürgerbräukeller.
Um sich zu ernähren, arbeitet er bis 1936 im elterlichen Betrieb mit und fertigte Möbel und Standuhren an. Als der elterliche Betrieb 1936 aufgegeben wurde, ging er als Hilfsarbeiter in eine Heidenheimer Armaturenfabrik. Dort erfuhr er, dass selbst in diesem Betrieb eine »Sonderabteilung« für Rüstungsproduktion bestand.
Auslöser für seinen Entschluss, Hitler durch ein Attentat zu beseitigen, war sein Besuch der Nazi-Gedenkveranstaltung zum Hitler-Putsch im November 1938 im Bürgerbräukeller in München. Bekanntlich wurde auf dieser Kundgebung der Aufruf zur Durchführung der reichsweiten Judenpogrome (»Reichspogromnacht«) ausgegeben. Für Georg Elser, der in keiner Widerstandsgruppe war, stand fest, dass man einen solchen Verbrecher nur mit Gewalt werde stoppen können, und er begann mit der systematischen Vorbereitung seiner Attentatspläne.
Er besorgte sich Pulver und Zünder, erkundete den Veranstaltungsort und arbeitete als Hilfsarbeiter in einem Steinbruch, wo er sich Kenntnisse der Sprengtechnik aneignete und Sprengpatronen entwendete. Um sicher zu gehen, fertigte er sogar ein Modell seiner »Höllenmaschine« an.
Im August übersiedelte er nach München und in über 30 Nächten im Bürgerbräukeller höhlt Georg Elser die Säule aus, vor der das Rednerpult Hitlers stehen würde. Anfang November war es soweit, dass er die Sprengvorrichtung einbauen konnte.
Er stellte den Zeitzünder ein und verließ am Nachmittag des 8. November 1939 München mit dem Zug nach Konstanz, wo er die Grenze zur Schweiz überschreiten wollte.
Um 20.45 h wurde er von deutschen Grenzern verhaftet. Eine gute halbe Stunde später explodierte die Bombe während der Nazifeier. Ergebnis: 8 Tote und 63 Verletzte, aber Hitler hatte den Saal bereits um 21.07 Uhr verlassen.
Schon bei Elsers ersten Vernehmungen wurde klar, dass er mit dem Attentat in Verbindung stand. Er wurde der Gestapo übergeben und die Nazis verhören ihn immer wieder, erst in Konstanz, dann in München, später in Berlin.
Sie glaubten, er sei ein Agent des britischen Geheimdienstes. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass ein einfacher Arbeiter aus antifaschistischer Grundüberzeugung bereit und in der Lage sein könnte, einen solchen Anschlag zu planen, vorzubereiten und – beinahe erfolgreich – umzusetzen.
Obwohl ein Geständnis vorlag, gab es kein Gerichtsverfahren. Georg Elser wurde Anfang 1941 in das KZ Sachsenhausen verbracht und kam Anfang 1945 als Sonderhäftling in das KZ Dachau, wo er am 9. April 1945 durch Genickschuss hingerichtet wurde.
Elser formulierte seine Motivation in dem schlichten Satz: »Ich habe den Krieg verhindern wollen!«
Im Mai 1945 hatte die deutsche Bevölkerung die grausame Bilanz vor Augen, was es bedeutete, den Krieg nicht gestoppt zu haben und viele Jahre auf der Welle der »Blitzkriegseuphorie« mitgeschwommen zu sein. Da war einer, der tatsächlich versucht hatte, den Krieg zu stoppen, eigentlich das permanente schlechte Gewissen für die Mehrheitsgesellschaft, den man lieber nicht zur Kenntnis nehmen wollte. In einer Nachbetrachtung zum 20. Juli schrieb Helmut Ortner 2019: »Anders als der vier Jahre ältere Graf von Stauffenberg eignete (Georg Elser) sich nicht für die Rolle des staatlich verklärten Helden. Hier der gebildete Offizier, der zunächst den Verheißungen des NS-Regimes vertraut, engagiert mitgemacht hat und erst später umgekehrt ist, dann aber entschieden zur Tat schritt. Dort der spröde, zurückhaltende Schreinergeselle Elser, der bereits 1939, als Stauffenberg und Millionen andere Deutsche noch dem Führer zujubelten, als Schreinergeselle mit Volksschulabschluss den mörderischen Charakter des Regimes erkannte und den Entschluss zum Attentat fasste.«
Heute wird Georg Elser in vielfältiger Form öffentlich geehrt, u.a. mit dem Georg Elser-Preis der Landeshauptstadt München. Am 4. November 2019 wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Hermaringen an der Einweihung des neuen Elser-Denkmals teilnehmen.