Ein Einzelner sagt »Nein«

22. Januar 2020

Terrence Malicks Film über Franz Jägerstätter

Franz Jägerstätter war ein stiller Held des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Das ist heute allgemein anerkannt, auch von der katholischen Kirche, der er angehörte. Weil er wegen Verweigerung des Kriegsdienstes hingerichtet wurde, gilt er seit 2007 als Märtyrer und wurde im selben Jahr von Papst Benedikt XVI. selig gesprochen. Doch das späte Datum zeigt bereits: Dem war nicht immer so. Nicht zu seinen Lebzeiten und auch später für lange Jahre nicht.

Jägerstätter lebte, mit kleineren Unterbrechungen, seit seiner Geburt in der kleinen Gemeinde St. Radegund in Oberösterreich, wo er von seinem Stiefvater einen Bauernhof erbte. 1936 heiratete er seine Frau Franziska und wendete sich, durch sie angeregt, tief dem katholischen Glauben zu. Den Nationalsozialismus lehnte er ab, da er diesen nicht mit den Lehren der Kirche vereinbar sah. Bei der Volksabstimmung über den bereits vollzogenen Anschluss Österreichs stimmte er als einziger im Dorf mit »Nein«. 1940 wurde er zum ersten Mal zur Wehrmacht einberufen. Dem kam er zunächst nach und leistete seine Grundausbildung ab, konnte jedoch ein Jahr später zunächst wieder auf seinen Hof zurückkehren. Im Folgenden reifte in ihm der Entschluss, nicht zum Militär zurückzukehren.

Der Dorfpfarrer, den er um Rat bat, riet ihm von der Krigesdienstverweigerung ab, ebenso der Linzer Bischof. Aus dem Dorf schlug ihm Ablehnung entgegen, sein Verhalten galt nicht nur als unpatriotisch, sondern auch als verantwortungslos gegenüber seiner Familie. Nur seine Frau hielt zu ihm. Als er im Februar 1943 erneut einberufen wurde, blieb er bei seinem Entschluss. Nach mehreren Monaten Gefängnishaft wurde er am 6. Juli 1943 hingerichtet. Auch nach Ende des Krieges blieb ihm eine postume Ehrung lange versagt. Er wurde nicht als Widerstandskämpfer anerkannt, erst 1950 bekam seine Frau überhaupt eine Witwenrente zugesprochen.

Die Nachzeichnung seiner einsamen Gewissensentscheidung ist das Hauptanliegen des Filmes »Ein verborgenes Leben« von Terrence Malick, der im Mai 2019 bei den Filmfestspielen von Cannes uraufgeführt wurde. Er wurde zu großen Teilen in Südtirol gedreht, viele deutschsprachige Schauspieler wirken mit, die Hauptrolle übernahm August Diehl. Der Film ist mit fast drei Stunden Spielzeit recht lang, die erste Stunde spielt dabei fast ausschließlich in St. Radegund. Sie schwelgt in Bildern einer heilen Welt. Wir sehen nicht die Schrecken des Krieges, keine Verbrechen, keine Aufmärsche. Stattdessen Weizenfelder, prächtige Berglandschaften und Menschen bei der Ernte. Auch wenn es mit dem Bürgermeister einen Protagonisten gibt, der sich für Hitler begeistert und rassistische Parolen verkündet, entsteht insgesamt das Bild einer heilen Dorfgemeinschaft, die erst ins Wanken gerät, als Jägerstätter beginnt, sich zu widersetzen. Die bisher friedvollen Mitläufer grenzen ihn und seine Familie aus.

Dieses Motiv wird überzeugend entwickelt, die schwere moralische Entscheidung Jägerstätters, gegen die Normen seiner Gemeinschaft zu handeln, erscheint als grundlegende menschliche Tragödie. Der zweite Teil des Filmes behandelt die Haft Jägerstätters bis zu seiner Hinrichtung. Die unmenschliche Behandlung der Gefängnisinsassen und die stoische Standhaftigkeit Jägerstätters werden ausführlich in Szene gesetzt. Die Verbindung zur Familie wird über das Vorlesen von Briefen hergestellt, die tatsächlich überliefert und archiviert sind. An anderer Stelle nimmt es der Film nicht so genau mit der historischen Wahrheit: So wird unterschlagen, dass ein Angebot Jägerstätters, Sanitätsdienst zu leisten, abgelehnt wurde.

Wer sich auf den eigenwilligen Stil Malicks einlässt, die skizzenhaft wirkende Filmsprache und die vielen Monologe einzelner Protagonisten, erlebt einen beeindruckenden Film. Am 30. Januar kommt »Ein verborgenes Leben« in die deutschen Kinos.              Joshua Cempik

 

»Ein Verborgenes Leben«

Kinostart: ab 30.1.

Regie: Terrence Malick

Hauptdarsteller: August Diehl, Valerie Pachner, Bruno Ganz, Alexander Fehling. ein-verborgenes-leben.de