Schlichte »Propaganda«

geschrieben von Reinhold Weismann-Kieser

25. Januar 2020

Ein Roman von der Kunst und den Schrecken des Krieges

Steffen Kopetzky ist ein vielseitig begabter und prämierter deutscher Literat. Er ist akademisch gebildet und dennoch bodenständig. In seiner Heimatstadt Pfaffenhofen an der Ilm lebt er mit seiner Familie und ist kommunalpolitisch für die SPD tätig. Nun hat er es unternommen, einen großen Roman über die letzte Phase des Krieges nach der Invasion in der Normandie zu schreiben. Als Schauplatz wählt er die »Schlacht im Hürtgenwald«, laut Wikipedia »das Verdun der USA in der Eifel«, ein entsetzliches und sinnloses Opfer an Menschen und Material also.

Als Erzähler schlüpft er in die Rolle eines Offiziers der Truppe für psychologische Kriegsführung, und Redakteur der »Stars and Stripes«. Der ist für diese Aufgabe qualifiziert durch die Abstammung seiner Mutter aus einer deutschen Sprachinsel in Pennsylvania. Anschließend wurde er durch den eingewanderten deutschen Vater in der Bronx sozialisiert. Durch seine Boxer-Ausbildung erlangte er ein Stipendium an einer renommierten Uni und genoss dort literarische Bildung.

Nach der Landung in der Normandie gerät er durch einige Verwicklungen in den frontnahen Einsatz in der Eifel. All das wird detailliert und liebevoll erzählt, durchmischt mit abenteuerlich-brutalen Details.

Steffen Kopetzky: Propaganda. Roman, Rowohlt, Berlin 2019, 469 S., 25 Euro

Steffen Kopetzky: Propaganda. Roman, Rowohlt, Berlin 2019, 469 S., 25 Euro

Ursache für die militärische Katastrophe der US-Truppen dort sei das Versagen der US-Führung gegenüber der »preußischen Kriegskunst« gewesen, die in der Tradition der Wehrmacht fortgelebt habe. Zum Zeugnis dafür dient das »Kriegsspiel« der obersten Generalität in einem nahegelegenen Schloss, eine Versammlung notorischer Kriegsverbrecher und Paladine des »Führers«, die dort die Ardennenoffensive vorbereitete, den letzten irrwitzigen Versuch, im Westen einen Separatfrieden zu erzwingen um noch einmal freie Hand im Osten zu haben: von Runstedt, Model und Krebs, aber auch von Gersdorff, ein unentdeckt Überlebender des Offizierswiderstands, von dem der Held später den Bericht über dieses makabre Szenarium erhalten habe.

Bei dessen Beschreibung gerät der Autor fast ins Schwärmen über die intellektuellen Qualitäten des deutschen Offizierskorps: Stets lernfähig, auf alle Veränderungen reaktionsbereit, stehen sie am großen Kartentisch, verschieben je nach eingehenden Lagemeldungen die Spielsteine der Einheiten und geben über Funk die neuen Befehle heraus. »Der Krieg auf wissenschaftlicher Grundlage …«. Was sie in den fünf Jahren des Raub- und Vernichtungskriegs und der mörderischen Rückzugsschlachten gelernt haben, hier wird es noch einmal geübt. Unseren Autor ficht es nicht an.

Seine moralische Weihe erhält das Opus durch das weitere Schicksal des Helden. In Vietnam gerät er auf einer Erkundungsmission durch einen Unfall in Kontakt mit den Entlaubungschemikalien und leidet seitdem an einer schweren Hautkrankheit. Sein Damaskus. Er beteiligt sich also, um den Krieg zu beenden, an der Veröffentlichung der Pentagon-Papers und, um sich der Verhaftung durch die Bundesbehörden zu entziehen, begeht er ein schweres Verkehrsdelikt und begibt sich so unter den Schutz der Staatsjustiz von Missouri in Haft.

Zum Schluss noch ein schönes Ende: Nach seiner Freilassung schickt ihn sein Kommandeur zu dem berühmten Berliner Dermatologen Professor Dr. Stüttgens, wo es Aussicht auf Heilung gibt. Der aber ist derselbe, der als Hauptmann mitten im schlimmsten Gemetzel einen Waffenstillstand vereinbart hatte, um hunderte Verwundeter zu versorgen. Ein stiller deutscher Held also.

Es gibt noch andere Heldengeschichten in diesem Roman. Verwiesen sei hier nur noch auf das ausführliche Loblied auf die »Integrationskraft der deutschen Wehrmacht«. Wenn nur »der Rassenwahn der Nazis« nicht gewesen wäre, der Traum von einer »großen eurasischen Armee unter deutscher Führung« gegen den Bolschewismus wäre in Erfüllung gegangen. Die Helden? Panzergeneral Steiner, »Vater der Europäischen Waffen-SS« und Major Claus von Stauffenberg.

Daneben ist der Roman prall gefüllt mit Milieu-Anekdoten. Für jeden etwas: Folklore, Literarisches (alles über Papa Hemingway at war), Erotisches, Indianerromantik und US-Knastgeschichten.

Der Kern aber ist Futter für alle, die heute noch die »Leistungen der Wehrmacht« feiern!