Die Befreiung von Auschwitz

geschrieben von Ulrich Schneider

31. Januar 2020

Bis zuletzt Ermordungen und »Todesmärsche«

Mit dem Näherrücken der Ostfront wurden die verschiedenen auf polnischem Territorium gelegenen Vernichtungslager schrittweise geräumt, die Dokumente und deren baulichen Überreste zerstört, um Beweise für die Massenverbrechen zu vernichten. Als erstes wurde nach dem Aufstand der Häftlinge im Oktober 1943 das Vernichtungslager Sobibor aufgelöst und dem Erdboden gleich gemacht. Im November 1943 wurde das Vernichtungslager Treblinka endgültig aufgelöst. Das Lager Majdanek wurde so überhastet geräumt, dass zentrale Gebäude, darunter die Gaskammer und ein Großteil der Häftlingsbaracken, unzerstört blieben. Selbst Dokumente der SS- Verwaltung fielen in die Hände der sowjetischen Befreier. Jedoch trafen sie nur noch etwa 1000 sowjetische Kriegsgefangene im Krankenbau an.

Ab Herbst 1944 begann die SS auch mit der Evakuierung und Auflösung des Lagerkomplexes Auschwitz. Zur weiteren Ausbeutung der Arbeitskräfte wurden vom August 1944 bis Mitte Januar 1945 ungefähr 65.000 männliche und weibliche Häftlinge – in ihrer überwiegenden Zahl Juden – in Außenkommandos anderer Konzentrationslager zum Arbeitseinsatz in das Reichsinnere überstellt. So entstanden in dieser Zeit zahlreiche neue Außenkommandos der Lager Buchenwald, Neuengamme und Ravensbrück.

Die Vernichtungspolitik wurde noch bis Ende Oktober 1944 mit der Tötung nicht mehr arbeitsfähiger Häftlinge als »unproduktive Elemente« in den bestehenden Gaskammern fortgesetzt.

Nach dem Aufstand der Häftlinge des Sonderkommandos vom 7. Oktober 1944 begann die SS mit der Beseitigung baulicher Zeugnisse der Vernichtungspolitik. So wurde das Krematorium IV, das von den Häftlingen in Brand gesteckt worden war, bis auf das Fundament abgetragen. Die Krematorien II, III und V in Birkenau wurden ebenfalls zur Sprengung vorbereitet. Die technischen Einrichtungen in den Gaskammern, selbst die fiktiven Duschköpfe und Wasserleitungen wurden demontiert. Die Verbrennungsgruben und die Gruben, in denen die menschliche Asche der Krematorien entsorgt worden war, mussten von Häftlingen gesäubert, neu verfüllt, planiert und mit Rasenstücken belegt werden, damit jeglicher äußerer Hinweis an die Massenvernichtung verschwinden sollte.

Weitere Informationen finden sich in dem neuen Band: Ulrich Schneider, Auschwitz, Basiswissen, PapyRossa Verlag Köln 2020, 9,90 €; Zu beziehen über den online-shop der VVN-BdA oder im örtlichen Buchhandel.

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Im Wissen um die Aktenvielfalt der faschistischen Bürokratie begann die SS-Verwaltung ab Ende September, alle Papiere, die nicht mehr für den laufenden Betrieb benötigt wurden, vor allem Häftlingskarteikarten und Häftlingspersonalbögen von ermordeten Häftlingen, sowie die Transportlisten der nach Auschwitz deportieren europäischen Juden zu verbrennen. Da die Listen auch an anderen Orten vorhanden waren, konnte diese Verbrechen später dennoch rekonstruiert werden.

Am 17. Januar 1945 fand der letzte reguläre Abendappell statt. An diesem Tag befanden sich noch über 67.000 Häftlinge in Auschwitz, davon knapp 32.000 im Stammlager und Birkenau sowie gut 35.000 in Monowitz.

Zwischen dem 17. Januar 1945 und dem 23. Januar wurden unter dem Deckmantel »Karla« etwa 56.000 männliche und weiblich Häftlinge evakuiert und in Todesmärschen nach Westen getrieben. In einer Dienstanweisung des Gauleiters und »oberschlesischen Reichsverteidigungskommissars« Fritz Bracht von Ende Dezember 1944 wurden spezielle Regeln und Trassen für die Evakuierungsmärsche festgelegt. So wurde angeordnet, alle Fluchtversuche mit Schusswaffen zu verhindern. Häftlinge, die nicht weiterlaufen konnten, sollten getötet werden. Im Lager selber verblieben nur jene Häftlinge, die zu schwach oder zu krank zum Marschieren waren.

Am 27. Januar 1945 wurden die verbliebenen Häftlinge durch sowjetische Truppen der 60. Armee der I. Ukrainischen Front befreit. Am Vormittag des 27. Januar 1945 erreichte die 322. Infanteriedivision der 60. Armee der 1. Ukrainischen Front unter dem Oberbefehl von Generaloberst Pawel A. Kurotschkin zuerst das Hauptlager von Monowitz. Einheiten der Waffen-SS und der Wehrmacht leisteten noch erbitterten militärischen Widerstand, so dass über 230 sowjetische Soldaten bei der Befreiung von Auschwitz ihr Leben ließen. Im Laufe des Tages stießen die Soldaten der Roten Armee nach Auschwitz und Birkenau vor.

Im Stammlager, in Birkenau und Monowitz trafen sie nur noch etwa 7.000 Häftlinge an. Noch in den ersten Tagen nach der Befreiung starben zahlreiche Häftlinge an Entkräftung. Unter den Befreiten befanden sich über 200 Kinder im Alter bis zu 15 Jahren, zumeist Zwillinge, die als Versuchsobjekte für SS-Ärzte vorgesehen waren. Auf dem Gelände selber fanden die sowjetischen Soldaten etwa 600 Tote – Lagerinsassen, die von SS-Männern noch unmittelbar vor ihrem Abzug erschossen worden waren.

Zu den Daten des Jahres 1945, die weltweit wahrgenommen werden, gehört der 27. Januar 1945. Es ist der Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch Einheiten der sowjetischen Streitkräfte. Nicht nur in Deutschland, auch in Europa und durch die Vereinten Nationen ist dieses Datum zum Gedenktag erklärt worden

Bezeichnend ist, dass die deutschen Faschisten nicht auf ihre »Beute«, nämlich die den Häftlingen geraubten Güter, verzichten wollten. Allein im Zeitraum vom 1. Dezember 1944 bis 15. Januar 1945 wurden 514.843 Stück Männer-, Frauen- und Kinderbekleidung sowie –Unterwäsche zum Abtransport aus dem Lager vorbereitet, hieß es in einem Bericht der Bekleidungskammer. Ein großer Teil ging in die Lager Dachau, Groß-Rosen und Ravensbrück.