Gemeinnützigkeit und Antifaschismus

geschrieben von Erika Klantz

23. März 2020

VVN-BdA diskutierte das Thema öffentlich in Berlin

Die juristischen und politischen Hintergründe, Auswirkungen und Gegenmaßnahmen hinsichtlich des Verlustes der Gemeinnützigkeit unserer Bundesvereinigung waren die Themen der Podiumsdiskussion »Auf dem Weg zur dritten Schuld?«, die am 14. Februar in der TU Berlin stattfand.

Annähernd 70 Interessierte fanden sich in dem Hörsaal des TU-Hauptgebäudes ein. Auf dem Podium diskutierten die Rechtsanwälte Eberhard Reinecke aus Köln, Hans E. Schmitt-Lermann aus München, Rechtsanwältin Gabriele Heinecke aus Hamburg mit der Vorsitzenden der VVN-BdA, Cornelia Kerth.

In seinem Statement schilderte Eberhard Reinecke, wie die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Bundesvereinigung ablief. Es begann mit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes im Jahr 2019, in der es für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit einer moslemischen Vereinigung für ausreichend gehalten wurde, dass diese im Anhang eines Verfassungsschutzberichtes als extremistisch aufgelistet worden war. Daraus entstand eine interne Anweisung des Bundesfinanzamtes an alle Finanzämter, auch bei anderen Vereinen so zu verfahren. Dies führte in Nordrhein-Westfalen dazu, dass fast zeitgleich verschiedene Finanzämter der VVN-BdA-Landesvereinigung und mehreren Kreisvereinigungen ankündigten, dass beabsichtigt sei, ihnen die Gemeinnützigkeit abzuerkennen und sie sich im Anhörungsverfahren dazu schriftlich äußern könnten. Die fast wortgleichen Erwiderungen Reineckes und erheblicher politischer Druck führten dazu, dass die Finanzämter des CDU-FDP-regierten Landes ihre Absicht nicht umsetzen konnten.

Die Erwiderung auf eine Ankündigung der Finanzamtes Berlin Körperschaften I an die Bundesvereinigung der VVN-BdA hatte aber leider nicht den gewünschten Erfolg. Anfang November ergingen gegen die Bundesvereinigung Steuerbescheide für die vergangenen drei Jahre, die eine Aufhebung der Gemeinnützigkeit für diesen Zeitraum bedeuteten.

Reinecke ging gegen diesen Bescheid mit einem ausführlich begründeten Einspruch, wie der Widerspruch in Finanzsachen heißt, vor. Da ein solcher Einspruch keine aufschiebende Wirkung hat, war gleichzeitig notwendig, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Begründung hierfür war die offensichtliche inhaltliche Falschheit des angefochtenen Bescheids. Bewilligt wurde der Antrag unter Hinweis auf die finanzielle Härte der Vollziehung für die VVN-BdA.

In der Folgezeit wurde der Landesvereinigung in Thüringen in ihrem Bescheid zur Gemeinnützigkeit die Auflage erteilt, keine Beiträge an die nun nicht mehr gemeinnützige Bundesvereinigung zu zahlen und die entsprechende Regelung in der thüringischen Satzung baldmöglichst zu ändern. Einen ähnlichen Hinweis erhielt die Landesvereinigung des Saarlandes. Auch hiergegen wandte sich Reinecke mit entsprechenden Schreiben.

Hans E. Schmitt-Lermann referierte über die Vergangenheit und Gegenwart der Nachstellungen des Verfassungsschutzes gegen die VVN. Der bayrische Verfassungsschutz unterstellt dabei der VVN-BdA, dass sie alle kapitalistische Staaten – auch die parlamentarischen Demokratien – als potentiell faschistisch ansähe. Diese Unterstellung ist nachweislich falsch. Das bedeute jedoch nicht, dass es keinen Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus gäbe. Dieser Zusammenhang werde – wie Schmitt-Lermann in seinem Referat immer wieder betonte – von vielen Historikern, Philosophen und anderen bekannten Persönlichkeiten geteilt und sei nicht verfassungsfeindlich. (Siehe hierzu auch seinen Beitrag auf den Seiten 13 – 16 dieser Ausgabe).

Gabriele Heinecke wies in ihrem Beitrag auf die Rolle der VVN-BdA als »Urgestein des antifaschistischen Gewissens der BRD« hin und betonte ebenso die Rolle des Schwurs von Buchenwald als zentrales Dokument des antifaschistischen Widerstandes, die selbst von der Bundeszentrale für politische Bildung anerkannt wird. Der bayrische Verfassungsschutz sei nicht bereit, Lehren aus der NS-Zeit zu ziehen. Die entsprechenden Finanzämter verstoßen mit ihren Entscheidungen gegen das Grundgesetz (GG), insbesondere unter Verweis auf dessen aus Art. 139 GG folgende antifaschistische Grundausrichtung. Verstörend sei die Willkür, da man sich gegen Meinungen wehren müsse, deren tatsächliche Grundlagen geheim seien.

Mit detaillierten Einzelfragen und Kommentaren zum Zusammenhang mit anderen Gemeinnützigkeitsentziehungen und einem Appell zum Handeln endete der Abend.

Neben den juristischen kamen in der Veranstaltung die politischen Aspekte etwas zu kurz. Zuhörer und Podium machten aber klar, dass die politische Auseinandersetzung, sei es durch Druck auf Politikerinnen, durch Petitionskampagnen oder Aktionen im öffentlichen Raum notwendig sind, um die Gemeinnützigkeit nicht nur der VVN-BdA wiederherzustellen und für die Zukunft zu sichern.

Schon in den 2000er Jahren gab es in diesen Fragen eine »Zeitenwende«. Gabriele Heinecke verwies auf den Streit, den das Oberverwaltungsgericht Münster zum Verbot von neofaschistischen Versammlungen gegen das Bundesverfassungsgericht führte. Auch jetzt stehen wir an einer solchen Zeitenwende zu Gunsten neofaschistischer Strömungen, der wir uns politisch und juristisch entgegenstellen müssen. Die grundsätzliche Fragestellung sei damals wie heute, ob sich das Grundgesetz gegen den Faschismus richte oder ob man anderer Ansicht sei.