Klare Zeichen nötig

11. Juni 2020

Vor dem Islamischen Staat geflohen – In Celle ermordet

Nach der Ermordung des 15-jährigen Eziden Arkan Hussein Khalaf am 7. April im niedersächsischen Celle fordern Organisationen und Initiativen klare Statements aus Politik und Gesellschaft gegen Gewalt, gegen Mord und gegen 
Rassismus.

Arkan hatte mit seiner Familie nach dem Völkermord an den Eziden durch den sogenannten »Islamischen Staat« (IS) 2014 den Nordirak verlassen. Die Eltern flohen mit ihren drei Töchtern und drei Söhnen über die Türkei und Griechenland nach Deutschland. Sie ließen sich in Celle nieder, wo viele Eziden leben. Am 7. April, war Arkan mit dem Fahrrad in der Nähe des Bahnhofs unterwegs, als ihn ein 29 Jahre alter Deutscher mit einem Messer angriff. Mit schweren Verletzungen kam Arkan ins Krankenhaus, wo er kurze Zeit später starb.

Der Tatverdächtige Daniel S. pflegt eine Nähe zu rechtsextremen Verschwörungstheorien. Die Polizei vermutet dennoch kein politisches Motiv. Die Ermittlungen hätten »in keiner Hinsicht Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat« geliefert. Wieder ein Einzeltäter?

Die Tat erinnert an weitere Morde, die an Menschen mit Migrationshintergrund verübt wurden. Bislang gibt es keine Erkenntnisse dafür, dass der mutmaßliche Täter ein organisierter Neonazi war. Klar ist jedoch, dass er sich zumindest im Internet mit rassistischen und antisemitischen Gedanken umgeben hat. Unter seinen Facebook-Freund*innen befinden sich unter anderem auch Neonazis. Dies bestätigten Recherchen von Zeit Online. Ähnlich wie bei den rassistisch motivierten Morden in Hanau wird bei Daniel S. eine Mischung aus rechter Ideologie und Verschwörungstheorien erkennbar.

Täter rassistischer Verbrechen legitimieren ihre Gewalt, sie suchen Schuld für gesellschaftliche Missstände bei »den anderen«. Sie sehen sich selbst dazu befugt, mit Gewalt oder Mord zu richten. Gesellschaftliche Debatten, in denen beispielsweise Geflüchtete für Probleme verantwortlich gemacht werden, geben den Tätern die Rechtfertigung dazu. Rassismus ist ein tief sitzendes Problem in unserer Gesellschaft. Rassismus fördert Ungleichbehandlung, Gewalt und Morde. Rassismus wird von vielen geschürt, verbreitet und geduldet. Am selben Tag, an dem Arkan Hussein Khalaf ermordet wurde, wurde ein Geflüchteter aus Syrien in den Medien 
stellvertretend als Sündenbock für alle dargestellt, die sich nicht an die Corona-Kontaktbeschrän-
kungen halten. So etwas ist keine Ausnahme, 
sondern alltäglich.

Nachdem die Meldung vom Mord in Celle veröffentlicht wurde, vermuteten Kommentar-Schreiber sofort einen »Gast« als Täter. Nach der Meldung, dass es sich um einer deutschen Staatsangehörigen handelt, wurde sofort nach dem Vornamen gefragt. Erst dann könne man sagen, ob es wirklich ein Deutscher gewesen sei. Diese Erwartungen in den Köpfen sind Rassismus.

Die Staatsanwaltschaft vermutet psychische Erkrankungen des Tatverdächtigen. Wir halten es für einen Fehler, mit diesem Verweis vorschnell einen möglichen rassistischen Hintergrund kleinzureden. Psychische Erkrankungen sind kein Widerspruch für ideologische Motive.

In dieser Situation braucht es mehr denn je klare Zeichen der Solidarität mit der Familie und den Bekannten. Und es braucht Einschreiten statt Zusehen sowie ein klares Bekenntnis zu einer Stadt, in der es keinen Platz für Rassismus und Ausgrenzung gibt. Wir fordern eine gesellschaftliche Aufarbeitung der mörderischen Gewalttat.

Unsere Gedanken sind bei der Familie von Arkan Hussein Khalaf, der wir in diesem Moment und 
für die kommende Zeit unser Beileid und viel Kraft senden.

Unterzeichnende:

Êzîdischer Frauenverein »Hêvî – Hilfe für Frauen in Not« | Êzîdischer Frauendachverband SMJÊ | NAV-YEK Zentralverband der Êzîdischen Vereine e.V. | MŞD – Rat der Êzîden aus Şengal in Europa | MCÊ Mala Êzîdiya Celle/Êzîdisches Kulturzentrum Celle e.V. | HCÊ Bündnis der Êzîdischen Jugend e.V. | VVN-BdA Celle | Buntes Haus Celle | Gemeinsam Kämpfen Celle | Antifaschistische Linke Celle | Fridays for Future Celle | Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus