Leises Geschäft mit dem Tod

20. August 2020

Interview mit zwei Aktivist*innen aus der Gruppe Rheinmetall entwaffnen

antifa: Am 19. Mai 2020 fand ein bundesweiter dezentraler Aktionstag der Kampagne Rheinmetall entwaffnen statt. Das Motto war ‚Healthcare not warfare – Pflegepersonal statt Soldatinnen! Medizinische Ausstattung statt Kriegsgerät!‘. Seit wann existiert die Kampagne?

Die Kampagne wurde 2018 ins Leben gerufen, um Öffentlichkeit zu schaffen für das Geschäftsmodell von Rheinmetall, das da heißt: »Am Krieg verdienen«. Nicht, dass es ein gut gehütetes Geheimnis der Rüstungsindustrie wäre, womit sie ihr Geld macht, aber angesichts dessen, was mit den in Deutschland hergestellten Waffen in der Welt geschieht, läuft das Geschäft mit dem Tod viel zu leise und lautlos im Hintergrund ab. So profitiert Rheinmetall als größter deutscher Rüstungskonzern und Waffenexporteur zum Beispiel vom Krieg im Jemen, indem er über ein Tochterunternehmen auf Sardinien Bomben für Saudi-Arabien herstellte, die im Jemen-Krieg eingesetzt wurden. Außerdem wollten wir auf die Bedeutung der deutschen Panzer für die Aggression der Türkei gegen das nordsyrische Rojava aufmerksam machen. Auch für die Abschottung der europäischen Außengrenzen wird deutsche Militär-Technologie genutzt.

antifa: Was sind die zentralen Bestandteile der Kampagne?

Ein wesentliches Standbein der Kampagne ist das Camp in Unterlüß, das in dieser Form 2018 zum ersten Mal stattfand. In dem Dorf zwischen Celle und Uelzen in Niedersachsen befindet sich eine wichtige Produktionsstätte von Rheinmetall. Knapp 2000 Menschen produzieren dort Waffen, Munition, Panzer und anderes Kriegsgerät. Die dortige Schießanlage ist das größte private Testgelände in Deutschland. Und das hat eine über 100jährige Tradition. In der Lüneburger Heide wurden schon die Waffen für den Ersten und den Zweiten Weltkrieg produziert. Ein richtiger Lernort sozusagen für die Zusammenhänge von Kriegen, dem Profitstreben der Waffenhersteller und deren nicht unbedeutenden Einflüssen auf die jeweils herrschende Politik. Mit dem Camp, mit Workshops und einer Demonstration wollten wir uns mit diesen Themen auseinandersetzen. Außerdem sollte mit einer Blockade die Rüstungsproduktion zumindest für einen kleinen Moment unterbrochen werden.

antifa: Wie waren die Reaktionen seitens der Gemeinde auf eure Aktivitäten?

Die Gemeindeverwaltung versuchte von Beginn an, uns Steine in den Weg zu legen. Von Seiten der Bürger gab es einige Anfeindungen, aber auch Interesse anderer, die uns im Camp besuchten, zu Veranstaltungen kamen und uns unterstützten. Zum zweiten Camp 2019 kamen schon über 300 Personen aus dem ganz Bundesgebiet sowie aus Sardinien und Südafrika. Einer der Schwerpunkte war die Zwangsarbeit während des Faschismus und das KZ-Außenlager auf dem Firmengelände. Bisher erinnerte nichts an das Schicksal der dort gequälten, ausgebeuteten und ermordeten Menschen. Gar nichts! Der von uns während des Camps gesetzte Gedenkstein und der markierte Weg der Erinnerung wurden innerhalb von drei Tagen zerstört. Diese Geschichte und auch die fehlende Aufarbeitung durch Konzern und Gemeinde ist aber noch ein ganz eigenes Kapitel. Zum Thema erarbeitete unsere Gruppe Rheinmetall-entwaffnen-RheinMain auch eine Ausstellung. Vielleicht können wir diese ja in einer der nächsten Ausgaben der antifa vorstellen?

antifa: Warum nicht? Aber noch einmal zurück zum Aktionstag am 19. Mai: Coronabedingt lief der diesmal etwas anders ab als in den vergangenen Jahren?

Richtig. Denn das zweite Standbein unserer Kampagne waren die Proteste bei der Rheinmetall-Aktionärsversammlung in Berlin. Nach einer Kundgebung 2018 vor dem Hotel, nahmen wir 2019 an der Versammlung direkt teil. Bei der Rede des Vorstandsvorsitzenden stürmten wir die Bühne und unterbrachen die Aktionärsversammlung für über eine Stunde, was ein breites Medienecho hervorrief. In diesem Jahr wurde die Aktionärsversammlung aber coronabedingt ins Netz verlegt. Das hatte den Nebeneffekt, dem Protest seinen konkreten Ort zu nehmen. Wir haben das beste aus der Situation gemacht und zu dezentralen Aktivitäten aufgerufen.

Auch das Camp können wir coronabedingt dieses Jahr so nicht durchführen. Wir werden aber an einem Tag zu einer zentralen öffentlichen Aktion aufrufen. Also achtet auf Ankündigungen.

Informationen zur Kampagne unter:

rheinmetallentwaffnen.noblogs.org und weg-der-erinnerung.solikom.de

Das Interview führte Tanja Berger